Berlin. Altkanzler Gerhard Schröder schafft den Durchbruch im Fall Kaiser’s Tengelmann. Doch eine neue Frist lässt dennoch Zweifel aufkommen.

Zum Schluss verspätet sich der Minister. Aber auf die 45 Minuten kommt es dann auch nicht mehr an im verkorksten Fall Kaiser’s Tengelmann. Um 15.05 Uhr am Montag steht Sigmar Gabriel (SPD) dann im Konferenzsaal 3 seines Wirtschaftsministeriums und verkündet, worauf die rund 15.000 Beschäftigten des Lebensmitteleinzelhändlers in den vergangenen Wochen gehofft hatten: Ihre Arbeitsplätze sind für die nächsten sieben Jahre sicher. Das Unternehmen wird nicht zerschlagen und abgewickelt. Die Mitarbeiter „können Weihnachten ohne Angst um ihren Arbeitsplatz feiern“, sagt Gabriel. Allerdings gibt es erneut eine Frist.

Gabriel dankt erst einmal den beteiligten Konzernchefs Karl-Erivan Haub (Kaiser’s Tengelmann), Markus Mosa (Edeka) und Alain Caparros (Rewe), ohne deren Verantwortungsbewusstsein das Ergebnis nicht möglich gewesen sei. Wobei die Lage ohne die drei auch nicht so verfahren gewesen wäre.

Rote Zahlen seit der Jahrtausendwende

Haub hatte Kaiser’s Tengelmann im Oktober 2014 an Deutschlands Marktführer Edeka aus Hamburg verkauft. Das Unternehmen schreibt seit der Jahrtausendwende rote Zahlen, vor allem in Nordrhein-Westfalen. Die Filialen in Berlin und München stehen deutlich besser da.

Das Kartellamt hatte das Geschäft untersagt, Wirtschaftsminister Gabriel es im Januar dieses Jahres per Ministererlaubnis unter Auflagen genehmigt. Dagegen hatte Rewe-Chef Caparros geklagt – und so den Verkauf verhindert. Mehrere Gesprächsrunden zwischen den Handelsgrößen, vermittelt von der Gewerkschaft Verdi, scheiterten. Haub hatte vor zwei Wochen begonnen, sein Unternehmen zu zerlegen.

Schröder, Rürup und die drei großen Handels-Egos

Vergangene Woche schaltete sich Gabriel erneut ein und benannte zwei Schlichter: Altkanzler Gerhard Schröder und den Ex-Wirtschaftsweisen Bert Rürup (beide SPD). Die Einzelhandelsbosse, alle mit großem Ego ausgestattet, akzeptierten. Und Schröder und Rürup kamen mit den dreien offenbar so gut zurecht, dass sie sich am Montag auf einen Interessenausgleich einigten. Über die Einzelheiten wurde Stillschweigen vereinbart.

Grundsätzlich soll danach die Ministererlaubnis gelten, mit allen Bedingungen. Danach sind rechtssichere Tarifverträge für die Beschäftigten zwingend, Investitionen in den drei Fleischwerken Kaiser’s Tengelmanns sowie Arbeitsplatzsicherheit für bis zu sieben Jahre. Die Filialen dürfen auch nicht an selbstständige Einzelhändler abgegeben werden. Die Bedingungen hatte Edeka bereits erfüllt, um die Ministererlaubnis zu bekommen.

Wirtschaftsprüfer soll Wert des Geschäfts bestimmen

Allerdings wird Kaiser’s Tengelmann doch in gewisser Weise zerlegt werden, nur anderes, als das Tengelmann-Chef Haub plante. Zu hören ist, dass die Kaiser’s-Tengelmann-Filialen im Großraum München weitgehend an Edeka gehen, die Filialen in Berlin und Umland künftig überwiegend zu Rewe gehören sollen, die in Nordrhein-Westfalen werden aufgeteilt. Bisher nicht festgelegt ist, wie viel Geld zwischen Edeka und Rewe fließen wird. Unabhängige Wirtschaftsprüfer sollen in den nächsten Tagen den Wert des Interessenausgleichs ermitteln.

Verdi-Chef Frank Bsirske, der neben Gabriel im Konferenzraum steht, lobt den Einsatz des Ministers für die Mitarbeiter und seine Hartnäckigkeit. Und: Es sei eine ausgesprochen gute Entscheidung gewesen, Schröder und Rürup als Schlichter vorzuschlagen. Gabriel zieht überrascht die rechte Augenbraue hoch, ist Bsirske ihn zuletzt doch wegen des Freihandelsabkommens Ceta mit Kanada heftig angegangen. Und letzte Zweifel, ob das Geschäft mit Kaiser’s Tengelmann tatsächlich läuft, gibt es auch.

DFB-Chef sieht Einigung mit Skepsis

Da ist zum einen das Kartellamt, das dem Interessenausgleich noch zustimmen muss. Denn Rewe gehört wie Edeka zu den größten Einzelhändlern Deutschlands. Auch müssen die Kölner ihre Klage gegen die Ministererlaubnis vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf zurückziehen – bis 11. November ist dazu Zeit, wie Gabriel sagt. Die Rücknahme ist im Interessenausgleich verpflichtend vereinbart.

DGB-Chef Reiner Hoffmann ist dennoch skeptisch. „Wir hatten ja schon mal einen Kompromiss gehabt, der hatte gerade mal 24 Stunden gedauert“, sagte er am Montagabend in der ARD-Sendung „Farbe bekennen“. Die Voraussetzungen zur Sicherung der Arbeitsplätze seien nun aber „auf jeden Fall deutlich besser“.

Ein Euro Honorar für den Altkanzler

Der Wirtschaftsminister jedenfalls ist überzeugt, dass das Thema mit dem Interessenausgleich erledigt ist. Den Preis zu ermitteln, sei nur noch ein „technischer Prozess“. Und: „Ich gehe nicht davon aus, dass das noch scheitert.“

Gerd Schröder bekommt sein Honorar für die Schlichtung: 1 Euro von Sigmar Gabriel.
Gerd Schröder bekommt sein Honorar für die Schlichtung: 1 Euro von Sigmar Gabriel. © Funke Foto Services | Funke Foto Services

Zumindest der Altkanzler erhielt bereits am Montag sein Honorar – aus der Hand des Wirtschaftsministers. Informationen über die Höhe sickerten bereits durch: ein Euro. (mit meß)