Berlin. Nach einer Studie sind US-Amerikaner deutlich länger im Beruf tätig als EU-Bürger – bis ins hohe Alter. Faul sind Europäer aber nicht.

Immer nur halbtags arbeiten und mit 63 Jahren in Rente gehen? Oder den Zwölf-Stunden-Tag bis ins hohe Alter durchziehen? Solche Fragen beschäftigen Arbeitnehmer dies- und jenseits des Atlantiks. Die persönliche Entscheidung hängt nicht nur von individuellen Wünschen ab, sondern vor allem auch vom jeweils geltenden Sozialsystem. Die Unterschiede sind groß. In der Folge arbeiten US-Bürger im Schnitt um ein Fünftel länger als Europäer. Das zeigt eine vergleichende Studie des Bonner Forschungsinstituts zur Zukunft der Arbeit (IZA).

Dass US-Amerikaner fleißiger sind als Europäer, ist damit nicht gesagt. Vielmehr hängt das Ergebnis mit einer arbeitgeberfreundlicheren Gesetzeslage in den Vereinigten Staaten zusammen – und mit der Berechnungsweise der Studie. Für den Vergleich stellten die Forscher nicht nur die Wochenarbeitszeiten in den Ländern gegenüber. Um die durchschnittliche Pro-Kopf-Arbeitszeit in einem Land zu errechnen, untersuchten sie auch, in welchem Alter die Bürger im Mittel in den Beruf einsteigen und wann sie in Rente gehen, wie viele Urlaubstage sie haben und wie viele Bürger wie lange arbeitslos sind.

Deutschland im unteren Mittelfeld

Ein wesentlicher Grund für die längere Arbeitszeit der Amerikaner ist der vergleichsweise spärliche Freizeitausgleich in den USA. Die Vereinigten Staaten sind die einzige Industrienation ohne einen gesetzlich vorgeschriebenen Anspruch auf Urlaub. Ein Viertel aller US-Arbeitnehmer haben nach Angaben des amerikanischen Bureau of Labour Statistics keine bezahlten freien Tage. Über die gesamte berufliche Karriere gesehen, sitzen US-Bürger dadurch deutlich länger am Arbeitsplatz fest als Europäer, die entsprechend mehr Freizeit und Urlaub genießen.

In Deutschland beträgt die durchschnittliche Wochenarbeitszeit nach IZA-Berechnungen 24 Stunden. Weniger wird demnach nur noch in Polen (22,4), Belgien (22), Frankreich (22,9) und Italien (21,7 Stunden) gearbeitet. In den USA sind es 28 Stunden. Länger als in den Vereinigten Staaten ist die Arbeitswoche im Vergleichsfeld nur in der Schweiz (28,7 Stunden). Da es dort aber 20 gesetzlich festgeschriebene Urlaubstage gibt, in den USA dagegen nur elf, liegen die Vereinigten Staaten bei den Jahresarbeitsstunden an der Spitze.

Amerikaner arbeiten aus Geldmangel bis ins hohe Alter

Auf ihre Pensionierung warten US-Beschäftigte häufig deutlich länger als Europäer. Die schlechtere soziale Absicherung in den USA macht ein längeres Berufsleben unumgänglich, Während sich bisher die meisten Europäer mit spätesten 65 Jahren in den Ruhestand verabschieden, müssen viele US-Bürger noch im hohen Alter arbeiten – manche können aus Geldmangel sogar nie ihren Job an den Nagel hängen.

Westeuropäer und Skandinavier kommen auf deutlich weniger Gesamtarbeitsstunden, weil gesetzliche Bestimmungen und Tarifverträge die Wochenarbeitszeit begrenzen. Auch wird in vielen dieser Länder die Teilzeitarbeit gefördert.

Bessere Ausbildung in den USA schützt vor Arbeitslosigkeit

Ein maßgeblicher Grund für die großen Unterschiede: Die Forscher haben die Gesamtzahl der geleisteten Arbeitsstunden durch die gesamte Bevölkerung des untersuchten Landes geteilt. Die Arbeitslosenzahlen blieben außen vor. Die liegen in Europa weitaus höher als in den Vereinigten Staaten. Ein Vergleich: Während derzeit knapp 20 Prozent der Spanier keinen Job haben, liegt die Arbeitslosenquote in den USA bei nur fünf Prozent. EU-weit sind rund 8,6 Prozent ohne Beschäftigung. Durch den höheren Arbeitslosenanteil ergibt sich im Durchschnitt zwangsläufig eine niedrigere Arbeitszeit pro Einwohner.

Im Vergleich sind US-Bürger im Schnitt besser ausgebildet als Europäer. Ihr Risiko, arbeitslos zu werden, sinkt mit der höheren Qualifikation. Schließlich sind in den USA die Steuern wesentlich niedriger als in der EU. Eine höhere Steuerbelastung verringert den Anreiz, mehr zu arbeiten.