Berlin. Nach etlichen Ausfällen fliegt Tuifly wieder nach Plan. Juristen bezweifeln, dass sich das Unternehmen auf höhere Gewalt berufen kann.

Die Fluggesellschaft Tuifly erholt sich von den massenweisen Krankmeldungen ihrer Besatzungen: Die Airline ist zum normalen Betrieb zurückgekehrt. „Wir starten mit allen geplanten Flügen“, sagte ein Sprecher am Sonntag. Vereinzelt könne es noch zu Verzögerungen kommen, die Zahl der Krankmeldungen gehe weiter zurück. Am Montag zeigte der Flugplan nur noch leichte Verspätungen bei einigen Flügen an.

Das Unternehmen gehe davon aus, auch in den nächsten Tagen ein volles Programm anbieten zu können. In den kommenden Wochen soll im Unternehmen weiter über einen Umbau der Airline gesprochen werden.

Mitarbeiter befürchten Jobverlust

Viele Crew-Mitglieder von Tuifly hatten sich krank gemeldet, nachdem ein geplanter Umbau bekannt geworden war. Tuifly soll demnach mit Teilen von Air Berlin in eine neue Dachholding unter Führung von Etihad integriert werden soll. Vertreter der Arbeitnehmer befürchteten Jobverluste und kritisierten unkonkrete Informationen.

Am Freitag kam Tui den Forderungen mit einer mindestens dreijährigen Standort- und Tarifgarantie entgegen. Zudem wurde eine Entscheidung über die geplante Neuordnung auf Mitte November verschoben.

2000 Krankheitstage in einer Woche

„Die Belegschaft ist froh, dass jetzt ein Dialog eintritt“, sagte Karin Grobecker, Betriebsratschefin des Tuifly-Bodenpersonals. Das Thema sei aber noch nicht ausgefochten. „Da muss jetzt verhandelt werden.“ Nach Angaben des Reisekonzerns Tui soll am Montag eine weitere Gesprächsrunde stattfinden, nach und nach werde das Konzept dann in Ausschüssen besprochen.

Nach Informationen der „Bild am Sonntag“ waren am Wochenende noch etwa 450 Mitarbeiter bei Tuifly krank gemeldet. Insgesamt hätten sich in einer Woche etwa 2000 Krankheitstage gesammelt. Der Hauptgeschäftsführer der niedersächsischen Metallarbeitgeber (NiedersachsenMetall), Volker Schmidt, hatte vergangene Woche von einer „Form des versteckten Arbeitskampfes“ gesprochen.

Wer sich psychisch nicht wohlfühlt, darf nicht fliegen

Grobecker widersprach dem: Wenn sich ein Crew-Mitglied psychisch nicht wohlfühle, dürfe es nicht fliegen, das sei Vorschrift. Einzelne Mitarbeiter könnten außerdem nicht streiken, das sei wenn Sache der Gewerkschaft. Jetzt müsse weiter verhandelt werden, sagte Grobecker. Sie seien froh, „dass wir wieder fliegen“.

Die Probleme bei Tuifly führten auch zu Flugausfällen beim Partner Air Berlin. Der Grund: Ein Drittel der Tui-Flotte fliegt samt Besatzung für die Berliner Fluggesellschaft. Am Sonntag habe Tuifly 14 von 83 Flügen für sie ausgeführt, erklärte die Airline. Acht Verbindungen mussten gestrichen werden, der Rest sei etwa durch Sondereinsätze und gecharterte Maschinen aufgefangen worden.

Fluggästen stehen Ausgleichszahlungen zu

Nach Schätzungen des Portal wirkaufendeinenflug.de könnten Schadenszahlungen von bis zu 10 Millionen Euro auf die Fluglinien Tuifly und Air Berlin zukommen. Das Portal bezieht sich bei seiner Hochrechnung auf die tatsächlich ausgefallenen Flüge und die Buchungszahlen der Airlines. Bei einem Flugausfall steht Reisenden eine Ausgleichszahlungen zwischen 250 und 600 Euro zu – vorausgesetzt es liegt keine höhere Gewalt vor. Das könnte etwa bei Unwettern der Fall sein.

Der Tui-Konzern hatte mitgeteilt, keine Entschädigungen an Passagiere zahlen zu wollen. Er beruft sich auf höhere Gewalt, Experten zweifeln das an. Tourismusforscher Torsten Kirstges bewertet die Ankündigung mindestens als ungeschickt. „Da hätte man sich besser bedeckt gehalten“, sagte der Experte der Jade-Hochschule in Wilhelmshaven.

Tourismusforscher: Preis schlägt Moral

Tourismusforscher gehen nach den massiven Flugausfällen der Vortage von einem kurzfristigen Imageschaden aus. Derzeit sei der Schaden relativ groß, sagte Rainer Hartmann von der Hochschule Bremen. Potenzielle Kunden würden die Probleme bei der Airline aber – wie in vielen Bereichen des Tourismus – auch schnell wieder vergessen, sagt Experte Hartmann. Gerade bei der Wahl von Fluglinien achte man vor allem auf Sicherheit und auf den Preis. Tausende Passagiere waren in den vergangene Tagen von Ausfällen und Verspätungen betroffen.

Der soziale Umgang von Fluggesellschaften mit ihren Mitarbeitern habe allerdings kaum Auswirkungen auf die Ticket-Kaufentscheidung. „Da schlägt der günstige Preis die Moral und Solidarität mit den betroffenen Mitarbeitern.“

Neue Firma hat kaum bessere Aussichten

Skeptisch äußerte sich Kirstges über die geschäftlichen Aussichten des geplanten neuen Ferienfliegers mit rund 60 Flugzeugen, in dem Tuifly und Teile von Air Berlin aufgehen sollen. Die geplante Gesellschaft stünde kaum besser da als ihre Vorgänger. „Das sind zwei Einbeinige, die jetzt zusammen humpeln wollen.“ Unverständlich sei auch die schlechte Kommunikation der Unternehmen gegenüber den eigenen Mitarbeitern, die nun zusätzliche Millionenkosten verursache. „Denen schlagen die Pläne mächtig auf den Magen.“ (dpa)