Hannover. Ausfälle bei Tuifly und Air Berlin verärgern viele Fluggäste. Die Zukunft des Ferienfliegers wird sich erst im November entscheiden.

Nach massiven Flugausfällen beim Ferienflieger Tuifly und zum Teil auch seinem Partner Air Berlin hat sich nun die Politik eingeschaltet. Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) hatte alle Beteiligten für Freitagabend zu einem „Runden Tisch“ mit Unternehmens- und Belegschaftsvertretern der Tuifly eingeladen. Mit dabei waren Vertreter der Geschäftsführung, des Aufsichtsrats, des Flughafens, der Gewerkschaft Verdi sowie der Pilotenvereinigung Cockpit.

Elke Eller, Personalvorstand der Tui AG, sagte nach dem Treffen: „Wir haben heute mit den Arbeitnehmervertretern der Tuifly besprochen, dass wir die Entscheidung über die Zukunft der Tuifly bis Mitte November vertagen.“ Ursprünglich sei eine Entscheidung für den 26. Oktober geplant gewesen. Weitere Gesprächstermine mit den Arbeitnehmervertretern seien für die nächste Woche vereinbart.

Ab Sonntag wohl wieder Flüge

Der Personalvorstand machte einige Zusagen. So soll die Tuifly für mindestens drei Jahre eine deutsche Gesellschaft mit Sitz in Hannover bleiben, die Arbeitsverträge der Mitarbeiter weiterbestehen und alle Betriebsvereinbarungen nach wie vor Gültigkeit haben. Darüber hinaus sollen alle Betriebsräte und Personalvertretungen im Amt bleiben. Und: Es stehen keine Einschnitte bei den Gehältern an.

Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) hatte vor dem Treffen sogar eine Wiederaufnahme des Flugbetriebs in Aussicht. „Es gibt eine Einigung; Ich hoffe, dass am Sonntag wieder ein geregelter Flugbetrieb möglich ist.“ Details nannte er aber nicht, bevor er zu dem Krisentreffen ging. Er begründete seine Zuversicht mit Gesprächen, die er unmittelbar vor Beginn des Treffens mit dem zuständigen Tui-Vorstand geführt habe.

Ein Sprecher der Tui Deutschland bestätigte, dass eine Lösung in Sicht sei. Zur Frage, ob am Sonntag wieder Flugzeuge in der Luft seien, sagt er: „Das versuchen wir.“

Tuifly will Kunden nicht entschädigen

Die Kritik an der Haltung der Tuifly, betroffene Passagiere mit Hinweis auf höhere Gewalt nicht zu entschädigen, nahm indes am Freitag zu. „Diese Argumentation ist für uns nicht nachvollziehbar: wir erkennen nicht, warum die Passagiere für Flugausfälle haftbar gemacht werden“, sagte die Ministeriumssprecherin, die Tui zu mehr Kulanz riet.

Eine Konzern-Sprecherin hatte am Vortag betonte: „Die massenhaften und äußerst kurzfristigen Krankmeldungen sind ein außergewöhnlicher und nicht vermeidbarer Umstand im Sinne von höherer Gewalt.“

Kunden über Flugausfälle bei Tuifly verärgert

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    Tui droht Imageschaden

    Kritik kam auch vom Tourismusforscher Torsten Kirstges, der den Tuifly-Mutterkonzern Tui vor einem Imageschaden warnte. Mit Blick auf die Entschädigungsfrage sagte er der Deutschen Presse-Agentur: „Da hätte man sich besser bedeckt gehalten.“ Er gehe davon aus, dass die Gesellschaft entsprechende Prozesse verlieren werde und dann doppelt am Pranger stehe.

    Nach seiner Einschätzung liegt die ausreichende Personalausstattung in der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers. Tausende Kunden seien betroffen und zu Recht verärgert: „Sie führen die Unannehmlichkeiten direkt auf die Tui als Veranstalter zurück, weil der ja schließlich auch seine eigene Fluggesellschaft einsetzt.“

    Auch Reisebüros fordern mehr Kulanz

    Bisher habe man rund 500 Ansprüche auf Ausgleichszahlung verärgerter Kunden auf dem Tisch, sagte der Geschäftsführer des Flugrechteportals Flightright, Philipp Kadelbach, dem „Südkurier“. Sollte es weiter zu Flugausfällen kommen, rechne man innerhalb kurzer Zeit mit 1500 bis 2000 weiteren Anträgen.

    Mehr Kulanz fordern auch die Reisebüros, die für tausende Urlauber Stornierungen oder Umbuchungen vornehmen müssen, ohne dass der Mehraufwand vergütet wird. Die aktuellen Probleme dürften nicht auf dem Rücken der Reisebüros ausgetragen werden, erklärte der Branchenverband DRV. Mitarbeiter der Büros seien Leidtragende bei der Tuifly-Krise.

    Job-Verluste bei Tuifly befürchtet

    „Die Airlines müssen ihrer Verantwortung gegenüber den Fluggästen nachkommen“: Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU).
    „Die Airlines müssen ihrer Verantwortung gegenüber den Fluggästen nachkommen“: Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). © dpa | Bernd Weissbrod

    „Wir versuchen alles, um die Auswirkungen auf die Gäste so gering wie möglich zu halten“, sagte Tuifly-Aufsichtsratschef Henrik Homann der „Bild“-Zeitung. „Wir wissen, dass das leider momentan nicht bei allen Kunden gelingt.“ Piloten müssten keine Einbußen durch neue Verträge fürchten. „Die Firma bleibt bestehen, die Tuifly behält ihren Sitz in Deutschland, die Tarifverträge bleiben bestehen.“

    Vor einer Woche war bekanntgeworden, dass Tuifly in eine neue Dachholding mit Etihad integriert werden soll. Arbeitnehmervertreter befürchten Job-Verluste. Seitdem führen kollektive Krankmeldungen der Besatzungen zu zahlreichen Flugausfällen und massiven Verspätungen. Betroffen war und ist auch Air Berlin. Dort drohen weitere Ausfälle, denn ein Drittel der Tui-Flotte fliegt samt Crew für die Berliner.

    Tuifly versucht mit gemieteten Maschinen und Crews einen Teil der Flugausfälle aufzufangen. Tuifly hatte am Donnerstagabend zunächst mitgeteilt, den Flugbetrieb Freitag weitgehend einzustellen. 108 Flüge sollten demnach ausfallen; gut 9000 Passagiere seien betroffen.

    Dobrindt nimmt Airlines in die Pflicht

    Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) sprach von einer inakzeptablen Situation. „Die Airlines müssen ihrer Verantwortung gegenüber den Fluggästen nachkommen“, sagte er der „Bild“-Zeitung. Auf Unverständnis stießen die Tuifly-Turbulenzen auch an deren Heimatbasis Hannover. Volker Schmidt, Hauptgeschäftsführer der niedersächsischen Metallarbeitgeber (NiedersachsenMetall), sprach von einer „Form des versteckten Arbeitskampfes“ und meinte: „Hier wird quasi gestreikt.“ Krankheit werde offensichtlich instrumentalisiert, um gegen mögliche unternehmerische Beschlüsse zu revoltieren: „Die Krankmeldung als Instrument einzusetzen, um eigene Ziele zu erreichen, untergräbt die Glaubwürdigkeit von Krankmeldungen insgesamt; das schadet jedem, der wirklich erkrankt ist.“ (dpa)