Peking. Die Wohnungspreise in China steigen dramatisch. Das Ganze wird befeuert von billigem Geld. Einige Experten erwarten einen großen Knall.

Wang Zhiqin klappt nervös seinen Laptop auf. Auf dem Bildschirm erscheint eine Webseite einer einschlägigen Pekinger Immobilienfirma. „Schauen Sie“, sagt er und zeigt auf eine angebotene Wohnung. Gerade einmal 55 Quadratmeter ist sie groß, eine Wohnküche, eine Nasszelle, zwei kleine Schlafzimmer. Die Wohnung befindet sich in einem Neubaugebiet außerhalb des Fünften Rings, rund 30 Kilometer vom Pekinger Stadtzentrum entfernt. Vergangene Woche hätte er sie für 2,6 Millionen Yuan kaufen können, für umgerechnet rund 351.000 Euro. Doch nachdem er zwei Tage brauchte, mit seiner Bank die Finanzierung zu klären, konnte er sie sich nicht mehr leisten. Der Preis war um weitere 60.000 Yuan gestiegen.

Ob in Peking, Shanghai oder Shen­zhen – die Immobilienpreise in Chinas Millionenstädte kennen seit Monaten nur eine Richtung: steil nach oben. Das Nationale Statistikamt gab vergangene Woche bekannt, dass die Immobilienpreise bereits im 16. Monat in Folge gestiegen sind und von Rekordwert zu Rekordwert klettern. Experten warnen bereits vor einer Blase, die, sollte sie platzen, das Wachstum der chinesischen Wirtschaft gefährden könnte – und damit Folgen für die Weltwirtschaft und auch Deutschland als wichtigem Handelspartner haben könnte.

In Xiamen verteuerten sich Wohnungen um 43,8 Prozent

Auf das gesamte Land verteilt, klingt der Preisanstieg gar nicht so dramatisch. Er lag in Chinas 70 größten Städten im August bei 9,2 Prozent gegenüber dem entsprechenden Vorjahresmonat. Doch einige Metropolen stechen besonders hervor. In Peking ging es um 23,5 Prozent nach oben, in Shanghai um 31,2 Prozent und in Xiamen sogar um 43,8 Prozent – alles innerhalb von zwölf Monaten.

Bezogen auf das Durchschnittseinkommen sind die Immobilienpreise in Chinas Metropolen ohnehin schon seit Jahren exorbitant hoch. In Peking liegt der durchschnittliche Quadratmeterpreis bei umgerechnet rund 6000 Euro. Der Pekinger verdient jedoch im Schnitt gerade einmal rund 950 Euro im Monat. Während ein Deutscher im Schnitt rund elf Jahreseinkommen für den Kauf einer Durchschnittswohnung aufwenden müsste, benötigt der Pekinger 33 Jahre.

Die chinesische Wirtschaft schwächelt gerade etwas

Diese Zahlen zeigen: Von einer Beruhigung an Chinas Immobilienmarkt kann keine Rede sein. Und damit sind auch die Risiken, die von dieser sich immer weiter aufblähenden Preisblase ausgehen, drastisch gestiegen. Denn anders als noch vor wenigen Jahren, als Chinas Wirtschaft zweistellig wuchs, liegt das Wachstum derzeit bei nur noch 6,7 Prozent. Der derzeitige Zustand der chinesischen Volkswirtschaft rechtfertigt zumindest nicht die so exorbitant gestiegenen Immobilienpreise der vergangenen Monate.

Ausgerechnet Chinas reichster Unternehmer, Wang Jianlin, der mit Immobiliengeschäften sein Imperium aufgebaut hatte und nun mit der Wanda-Gruppe einen der größten Unterhaltungskonzerne der Welt führt, warnt nun vor dem Häusermarkt in seiner Heimat. In einem Interview der Fernsehsendung „CNN-Money“ im internationalen Ableger des US-Fernsehsenders sprach er von der „größten Blase der Geschichte“. Er sieht das Problem vor allem in den enormen Unterschieden zwischen den boomenden Metropolen Peking und Shanghai mit den ex­trem hohen Immobilienpreisen und den zahlreichen kleinen chinesischen Städten, in denen viele Wohnhäuser leer stehen. Diese Diskrepanz mache es schwer für die Regierung, den Markt in moderatere Bahnen zu lenken. „Ich weiß auch keinen adäquaten Umgang“, sagte er dem US-Fernsehsender.

Kritik an der sehr lockeren Geldpolitik

„Die Immobilienpreise spielen verrückt“, konstatiert auch Alan Jin, Analyst der Mizuho Securities. Er gibt jedoch schon der Zentralregierung die Schuld für die massiven Preisanstiege. Sie hätte sehr viel früher eingreifen müssen, kritisiert er. Sie hätte sehr viel früher die lockere Geldpolitik eindämmen sollen.

Tatsächlich versucht die chinesische Führung inzwischen das dritte Jahr infolge, die schwächelnde Wirtschaft anzukurbeln, indem sie die ihr unterstellte Zentralbank angewiesen hat, den Geldhahn aufzudrehen. Ein Großteil floss in den chinesischen Aktienmarkt. Diese Blase platzte vor einem Jahr, mit einem beispiellosen Kurssturz und dramatischen Eingriffen in den Markt. Inzwischen fließt ein erheblicher Teil des Geldes in den Kauf von Wohnungen – in der Folge explodieren die Immobilienpreise geradezu.

Die Wirtschaft ist abhängig vom Immobiliensektor

Die Auswirkungen einer geplatzten Immobilienblase auf die Gesamtwirtschaft könnten gravierend sein. Andy Xie, ehemaliger Analyst der US-Investmentbank Morgan Stanley und nun unabhängiger Ökonom in Shanghai warnte schon vor einiger Zeit, dass 60 Prozent der derzeitigen Wirtschaftstätigkeit direkt oder indirekt vom Immobiliensektor abhingen. Sollten die Preise allzu abrupt in den Keller stürzen, würde die Bauindustrie sofort einbrechen.

Chinas Wirtschaft drohe dann eine schwere Rezession. Das wiederum würde angesichts der schieren Größe der chinesischen Volkswirtschaft auch der Rest der Welt zu spüren bekommen, sagte Andy Xie. China ist nach den USA die zweitgrößte Wirtschaftsmacht mit entsprechend umfangreichem Außenhandel.