Essen. Mit Piniendekor und Winzerdesign bringt Aldi einen Hauch von Luxus in seine Filialen. Der neue Look ist aber auch eine Gratwanderung.

Geräumigere Parkboxen, Einkaufswagen mit Getränkehalter, Regale in dunkler Kunststoff-Pinie und Wein aus Kisten im Winzerdesign: In immer mehr Aldi-Nord-Filialen hat die traditionell schlichte Ausstattung bald ausgedient. Luxus bleibt im Billigpreis-Reich allerdings auch weiterhin Fehlanzeige.

Wie schon zuvor das Mülheimer Schwesterunternehmen Aldi Süd setzt der Essener Discountriese verstärkt auf eine Modernisierung seines Filialnetzes. Dem Pappkarton und der Palette bleibt Aldi jedoch trotzdem treu.

Einkaufswagen wird per Joystick gelenkt

In einer Musterfiliale in Gladbeck ist die Aldi-Nord-Zukunft schon heute zu besichtigen: Dort können Kunden mit einem frisch gebrühten Kaffee ihre Tour durch den 1400 Quadratmeter großen Laden starten. Das neue Einkaufswagenmodell mit Becherhalter, Joystick-Lenker und Fach für empfindliche Waren wird ergänzt durch eine knallbunte Kinderversion.

Einkaufen und entspannt Kaffee dabei schlürfen – mit den Becherhaltern an den neuen Wagen geht das.
Einkaufen und entspannt Kaffee dabei schlürfen – mit den Becherhaltern an den neuen Wagen geht das. © dpa | Rolf Vennenbernd

Als deutlich bedeutsame Neuerung dürften viele Stammkunden den nun an gleich mehreren Stellen im Laden zu findenden Einkaufskorb empfinden, mit dem auch der kleine Einkauf bei Aldi wieder salonfähig wird. Vertraut dürften versierten Aldi-Nutzern dagegen die Pappkartons mit Ware in den Regalen und die Getränke-Paletten sein.

Neue Aldi-Zentrale in Essen

Hinter der Modernisierungsoffensive im Ruhrgebiet steckt ein millionenschweres Investitionsprogramm, mit dem sich der Discount-Primus für den harten Wettbewerb im deutschen Lebensmitteleinzelhandel rüsten will. Nach der Umrüstung von 90 Märkten noch in diesem Jahr allein bei Aldi Nord werde in den kommenden Jahren die Modernisierung von jeweils 150 bis 200 Standorten im Jahr angepeilt, kündigte das Unternehmen an.

Ergänzt wird die Strategie durch den Neubau einer Unternehmenszentrale in Essen. Dort werde sich die Mitarbeiterzahl im neuen Aldi-Campus von derzeit 400 auf 800 verdoppeln, kündigte Aldi-Manager Rainer Kämpgen in der „WAZ“ an. Auch bei Aldi Süd läuft die Modernisierung auf Hochtouren. Das Schwesterunternehmen setzt im Gegensatz zum eher dunkleren Nord-Design mehr auf mediterranes Ambiente. Aldi Süd hatte seine Pläne bereits im Frühjahr vorgestellt.

Anschluss an Supermärkte nicht verlieren

Auch beim Aldi-Konkurrenten Lidl läuft nach Angaben von Sprecherin Eva Groß eine Modernisierung. „Unser Filialkonzept wird jedes Jahr weiterentwickelt“, sagte sie. Das „freundlichere Ambiente“ mit natürlicher Beleuchtung und LED-Technik sowie der Ausbau der Frischebereiche komme bei den Kunden „sehr gut“ an. Den Discount-Wurzeln wolle man jedoch treu bleiben.

Auch bei vielen Discountern sind Backstationen inzwischen gang und gäbe.
Auch bei vielen Discountern sind Backstationen inzwischen gang und gäbe. © dpa | Rolf Vennenbernd

„Das neue Ladendesign ist für Discounter sehr wichtig, um den Anschluss an die Supermärkte nicht zu verlieren“, sagt Handelsexpertin Claudia Horbert vom Kölner Forschungsinstitut EHI. Dabei sei die Wahl des Designs eine „Gratwanderung“. „Wenn die Einrichtung zu edel wirkt, kann das preissensible Kunden verschrecken, weil sie das Gefühl haben, das ist zu teuer hier“, warnt sie.

Nächster Schritt Lieferservice?

Beim Handelsverband Deutschland (HDE) sieht Hauptgeschäftsführer Stefan Genth einen Trend zu höherwertigen Einkäufen gerade im Lebensmittelhandel. „Man gönnt sich was“, so Genth. Neben der Renaissance der Supermärkte trage dem auch die aktuelle Entwicklung der Discounter Rechnung. Trotzdem stehe die Branche weiter unter einem harten Preis- und Wettbewerbsdruck.

Auch Florian Schiffer von der Düsseldorfer Agentur Mavis sieht die Discounter vor neuen Herausforderungen. „Das einfache Dasein reicht nicht mehr“, sagt er. Früher seien der Preis und die Verfügbarkeit von Waren die wesentlichen Punkte gewesen. Heute müsse sich auch ein Discounter dem sich ändernden Kundenverhalten anpassen. Mittlerweile sei es für jede Gesellschaftsschicht absolut normal, zum Discounter zu gehen. Der Kaffeebecherhalter sei dabei ein Schritt in die richtige Richtung. Nun müssten die Discounter auch über andere Angebote wie etwa einen Lieferservice nachdenken. (dpa)