Teheran/Berlin. Gerade hat die Deutsche Bank die Vertrauenskrise gemeistert. Nun greift Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel das Geldhaus an.
In der neueren deutschen Wirtschaftsgeschichte ist dieser Vorgang recht einmalig: Die Deutsche Bank, der wichtigste Partner der deutschen Unternehmen, ist Ziel von Hedgefonds, die im großen Stil an den Finanzmärkten gegen die Aktie des Geldhauses wetten. Der Kurs brach ein, zeitweise unter zehn Euro. Die vergangene Woche über mühte sich der Konzern, das Vertrauen der Anleger zurückzugewinnen, der Kurs stabilisierte sich. Und jetzt das: Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) wirft der Bank „Spekulantentum“ vor und sorgt sich um die Arbeitsplätze – für das Geldinstitut eine unangenehme Lage.
Dabei hatte sich die Bundesregierung Zurückhaltung auferlegt: Zur Lage der Deutschen Bank, deren Aktienkurs in den vergangenen zwei Wochen kräftig an Wert verlor, heißt es seit Tagen nur: „Kein Kommentar.“ Im Markt wird spekuliert, die Regierung könne sich zu einem Rettungspaket für das Geldinstitut genötigt sehen. Diesen Eindruck will in Berlin offiziell niemand nähren. „Es gibt keinen Anlass für solche Spekulationen, wie sie da angestellt werden, und die Bundesregierung beteiligt sich auch an solchen Spekulationen nicht“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert vergangene Woche.
„Ich mache mir Sorgen um die Menschen“
Doch Gabriel treiben die Krisenmeldungen offenbar besonders um. Der Wirtschaftsminister befand sich am Sonntagabend auf dem Flug von Berlin nach Teheran, als er an Bord des Luftwaffen-Airbus von Journalisten zur Lage der Deutschen Bank befragt wurde. Ob er sich Sorgen mache? „Ich mache mir Sorgen um die Menschen, die dort beschäftigt sind“, sagte der Minister. Es sei ein „reales Szenario“, dass Tausende Jobs verloren gehen könnten.
Dann legte Gabriel nach: „Ich weiß nicht, ob ich lachen oder wütend sein soll. Die Deutsche Bank hat das Spekulantentum zum Geschäftsmodell gemacht, jetzt klagt sie, dass sie Opfer von Spekulanten wird“, sagte er. Die jetzigen Schwierigkeiten der Bank nannte Gabriel „das Ergebnis verantwortungsloser Manager“, die „Wahnsinn betrieben“ hätten. Er gab die Aussagen, die in einem Hintergrundgespräch fielen, ausdrücklich zur Veröffentlichung frei.
In den USA droht eine Milliardenstrafe
John Cryan, Vorstandschef des Geldhauses, hatte am Freitag in einem Brief an die Belegschaft geklagt, „unsere Bank ist Gegenstand heftiger Spekulationen geworden“. Es gebe Kräfte am Markt, die das Vertrauen in das Institut schwächen wollten. Cryan saniert die Bank gerade. Das Filialgeschäft wird zusammengestrichen, 9000 der 101.000 Mitarbeiter müssen gehen, das Investmentbanking wurde gestutzt. Zudem hat die Bank wie die Konkurrenz mit den Niedrigzinsen und verschärften Eigenkapitalanforderungen zu kämpfen.
Eine der wichtigsten Aufgaben Cryans ist, die zahlreichen Rechtsstreitigkeiten der Bank zu beenden. So droht der Bank in den USA eine Milliardenstrafe, es geht um Geschäfte mit Hypothekenpapieren vor der Finanzkrise von 2008. Es wird über einen Vergleich verhandelt, vor zwei Wochen nannte das US-Justizministerium bis zu 14 Milliarden Dollar (12,4 Milliarden Euro) als Strafe. Die Bank hat bisher 5,5 Milliarden Euro zurückgestellt.
Aktienkurs erstmals unter zehn Euro
Dann tauchten Gerüchte auf, die Bank könne die Strafe gar nicht bezahlen, brauche in der Folge womöglich Staatshilfe. Am Freitag hieß es schließlich, Hedgefonds hätten ihre Geldbestände bei der Bank verringert, was die Furcht vor Liquiditätsschwierigkeiten des Geldhauses weiter antrieb. Am Freitag sackte der Aktienkurs erstmals unter die Marke von zehn Euro.
Im Laufe des Tages drehte sich die Stimmung an den Aktienmärkten, das Vertrauen in die Bank kehrte zurück. Zuletzt meldete die Nachrichtenagentur AFP aus New York, die Strafe werde wohl nur 4,7 Milliarden Euro betragen. Die Aktie drehte ins Plus und zog den Deutschen Aktienindex Dax ebenfalls nach oben.
Hedgefonds spekulieren angeblich auf fallende Kurse
Wer auf fallende Kurse gesetzt hat, wie mancher Hedgefonds angeblich, dürfte einiges an Geld verloren haben. Möglicherweise hat auch jemand die Zahl gestreut, weil er auf steigende Kurse wettete. Ausverhandelt ist der Vergleich mit den US-Behörden noch nicht. Das „Wall Street Journal“ berichtete, die Vertreter von Justizministerium und Bank kämen bei den Gesprächen voran, es gebe aber noch kein belastbares Ergebnis. An den fundamentalen Zahlen der Bank hat sich in den vergangenen Wochen nichts geändert.
Wirtschaftsminister Gabriels Äußerungen signalisieren, dass ein Rettungspaket für die Deutsche Bank – sollte eins nötig werden, wonach es nicht aussieht – in der Bundesregierung nicht ohne Konflikte und Diskussionen beschlossen würde. Von SPD-Seite wäre zumindest erhebliche öffentliche Kritik zu erwarten.
Darf ein Bundeswirtschaftsminister sich so äußern?
Für die Bank sind die Äußerungen wenig zielführend, Uneinigkeit in der Regierung spielt eher in die Hände der Spekulanten, die auf fallende Kurse setzen. Ganz abgesehen von der Frage, ob ein Bundeswirtschaftsminister sich grundsätzlich in dieser Form über eines der größten deutschen Wirtschaftsunternehmen äußern sollte. Vorbörslich notierte die Deutsche Bank am handelsfreien Montag leicht im Minus.