Washington. Volkswagen zahlt seinen US-Händlern insgesamt 1,2 Milliarden Dollar Entschädigung. Ein Richter muss den Vergleich noch genehmigen.

Für 625 VW-Händler in Amerika, die seit Beginn des „Dieselgate-Skandals“ Tausende unverkäufliche Passats und Jettas auf ihren Parkplätzen stehen haben, ist ab sofort die Internetseite www.vwdealersettlement.com das A und O. Unter der Adresse leistet die Anwaltskanzlei Hagens Berman Hilfe bei der individuellen Berechnung von Entschädigungszahlungen, zu denen sich der Wolfsburger Autokonzern verpflichtet hat. Im Schnitt dürfen die US-Händler mit 1,85 Millionen Dollar rechnen. Insgesamt liegt das Volumen der Kompensation, mit der VW fehlende Umsätze ausgleichen will, bei 1,2 Milliarden Dollar.

Im Kern hatten sich beide Seiten – VW und die „Dealer“ – bereits Ende August geeinigt. Den jetzt eingereichten Vergleichsunterlagen muss der in San Francisco mit dem gesamten VW-Skandal beauftragte Richter Charles Breyer noch zustimmen. Beteiligte gehen davon aus, dass dies am 18. Oktober geschehen kann.

Auszahlung womöglich noch dieses Jahr

Laut Anwalt Berman könnten VW-Händler damit noch vor Ablauf des Jahres „hohe Bargeld-Auszahlungen“ erwarten. Alan Brown, Chef der VW-Händlervereinigung in den USA und Betreiber von zwei Autohäusern in Texas, hatte Entschädigungszahlungen bereits im Frühjahr als „unabdingbar“ bezeichnet. Andernfalls werde VW sein Händlernetz in den USA verlieren.

Hintergrund: Durch den Dieselskandal sind die US-Verkaufszahlen in diesem Jahr noch einmal um knapp 14 Prozent gesunken; nach minus fünf Prozent bereits im Vorjahr. VW-Insider schließen nicht aus, dass die Marke ihre Diesel-Produkte, die vor dem Skandal 20 Prozent der US-Erlöse ausmachten, aufgrund der schweren Rufschädigung komplett zurückziehen wird.

VW nimmt unverkäufliche Diesel-Modelle zurück

Der nach dem Abgang des bei den Händlern beliebten Amerika-Chefs Michael Horn installierte CEO Hinrich Woebcken bezeichnet die jetzt getroffene Vereinbarung als „sehr wichtigen Schritt bei der Erfüllung unseres Versprechens, die Dinge für alle Beteiligten in den USA in Ordnung zu bringen“.

Wie die Kanzlei Berman berichtet, können die von rapiden Umsatzrückgängen geplagten Händler (seit September 2015 dürfen in den USA keine VW-Dieselautos mehr verkauft werden) neben Bargeld auf weitere Unterstützungsmaßnahmen setzen. VW hat sich demnach verpflichtet, sämtliche unverkäuflichen Diesel-Wagen zurückzukaufen.

Autobesitzer bekommen 15 Milliarden Entschädigung

Die Einigung mit den US-Händlern ist im Gesamt-Szenario für VW aber nur ein kleiner Baustein. Mitte Oktober wird sich entscheiden, ob Richter Breyer den weitaus kostenträchtigeren Vergleich mit den Besitzern von rund 480.000 Diesel-Wagen mit Zwei-Liter-Motoren abgesegnet. Er würde VW mehr als 15 Milliarden Dollar kosten. Einzelne VW-Besitzer können je nach Modell und Baujahr mit einer Gesamtentschädigung von mehr als 30.000 Dollar rechnen. Bisher haben nach Angaben der für die Sammelklage zuständigen Anwälte knapp 310.000 VW-Kunden dem Verfahren zugestimmt. 3300 lehnen den Vorschlag ab. Wie sie entschädigt werden sollen, ist noch unklar.

Noch keine Verständigung gibt es bisher in der Frage, wie mit rund 80.000 3-Liter-Dieselfahrzeugen umgegangen werden soll (VW Touareg, Porsche Cayenne oder Audi A8), die ebenfalls mit einer verbotenen Software ausgestattet sind. Die Technik („defeat device“) macht es möglich, dass der Stickoxid-Ausstoß auf dem Prüfstand bis zu 40 Mal geringer ausfällt als im Realbetrieb auf der Straße. US-Aufsichtsbehörden machen VW darum für eine „über Jahre fortgesetzte schwere Schädigung der Umwelt verantwortlich“.

Diesel-Affäre soll bis Mitte Januar aufgearbeitet sein

VW steht darüber hinaus in intensiven Verhandlungen mit dem Justizministerium (DOJ) in Washington. Dort laufen strafrechtliche Ermittlungen wegen des Betruges mit Schadstoff-Emissionen. Nach Angaben von Insidern aus der Automobilszene in Washington sucht das DOJ noch nach einem „finanziellen Strafmaß, das empfindlich ausfällt, VW aber nicht in existenzielle Probleme bringt“.

Beide Seiten streben eine endgültige Einigung bis spätestens Mitte Januar 2017 an. Danach kommt die neue US-Regierung ins Amt. Im Falle eines größeren Personalwechsels könnte sich die Abarbeitung der Affäre noch um Monate verzögern.