München. Nach schlechter Stimmung im Sommer sind deutsche Unternehmer wieder deutlich zuversichtlicher. Aber es gibt auch warnende Stimmen.

Die deutsche Wirtschaft strotzt wieder vor Zuversicht. In der Industrie, im Handel und auf dem Bau läuft es rund, und die Unternehmen sehen ihre Geschäftsaussichten sehr optimistisch. Das zeigt das wichtigste Konjunkturbarometer, der Ifo-Geschäftsklimaindex. Aber es gibt Volkswirte, die mahnen: Es könnte auch nur ein Strohfeuer sein. Die wichtigsten Fragen im Überblick:

Wie hat sich der Ifo-Index entwickelt?

Für den Ifo-Index befragt das Münchner Institut für Wirtschaftsforschung jeden Monat rund 7000 Unternehmen nach ihrer Geschäftslage und ihren Erwartungen. Im August ist der Index stark gefallen – im September aber noch stärker gestiegen: Mit einem Zuwachs um 3,2 auf 109,5 Punkte schnellte er auf den höchsten Stand seit Mai 2014. „Mit einem so starken Anstieg hätte ich nicht gerechnet“, sagte Ifo-Konjunkturexperte Klaus Wohlrabe. Auch viele Volkswirte zeigten sich überrascht.

Warum ist der Index so gestiegen?

Die Erwartungen der Industrieunternehmen haben sich so stark verbessert wie zuletzt nach der Finanz- und Wirtschaftskrise 2009. In der Industrie war die Auftragslage im Sommer nicht so gut – jetzt hat sie wieder angezogen, wie Wohlrabe sagt. Unternehmen aller wichtigen Industriezweige melden Verbesserungen und haben ihre Produktionspläne ausgeweitet.

Die Firmen rechnen auch wieder mit mehr Exporten. Der Schock des Brexit-Votums sei offensichtlich verdaut, von Unsicherheit vor der US-Präsidentenwahl im November sei ebenfalls noch nichts zu spüren. Auch für China sind die Exporterwartungen positiv. DZ-Bank-Volkswirt Michael Holstein sagt: „Ein positives Finanzierungsumfeld und einige überraschend gute Konjunkturdaten aus China lassen sich als aktuelle Treiber ausmachen.“

Stehen auch im Handel und auf dem Bau die Zeichen auf Aufschwung?

Ja. Die Binnennachfrage treibt die Konjunktur weiter kräftig an. Gestiegene Löhne und gute Beschäftigungsperspektiven beflügeln den Konsum. „Der Einzelhandel möchte mehr ordern“, sagt Wohlrabe. Auch das Baugewerbe setzt seinen Höhenflug fort – weil etwa Investoren Geld in Immobilien anlegen und auch Wohnungen für Zuwanderer gebraucht werden. „Die Einschätzungen der aktuellen Lage waren noch nie so gut. Für die kommenden Monate rechnen die Unternehmen sogar mit einer weiteren Verbesserung“, sagt Ifo-Chef Clemens Fuest.

Was bedeutet der Index-Sprung im September?

Fuest sagt: „Die deutsche Wirtschaft erwartet einen goldenen Herbst.“ Wohlrabe betont, dass sich die Stimmung im September quer durch alle Branchen verbessert habe, und zwar sowohl wegen der Geschäftslage als auch wegen der Aussichten für das nächste Halbjahr: „Die Zeichen stehen weiter auf Aufschwung.“

Gibt es auch skeptische Stimmen?

Ja. An der Börse blieb die Nachricht ohne Echo – der deutsche Aktien-Leitindex Dax gab am Montag zunächst sogar nach. Wohlrabe sagt: „Wenn man den Ifo-Index über einen längeren Zeitraum hinweg anschaut, erkennt man eher eine Seitwärtsbewegung.“

Was bewegt die Skeptiker?

Die Eurozone – für die deutschen Unternehmen der mit Abstand wichtigste Exportmarkt – wächst nach Einschätzung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) langsamer als bisher erwartet. Im Außenhandel mit Ländern außerhalb der EU gibt es negative Meldungen. Wie DZ-Bank-Volkswirt Michael Holstein sagt, bleiben „viele Unsicherheiten für die Weltwirtschaft bestehen und lassen befürchten, dass das nun vermeldete Stimmungshoch in Deutschland nur von kurzer Dauer sein könnte“.

ING-Diba-Volkswirt Carsten Brzeski sagt, die deutsche Konjunktur werde künstlich gestützt von der lockeren Geldpolitik der Europäischen Zentralbank und den Staatsausgaben für Flüchtlinge. Ob der Ifo-Index „einen goldenen Herbst startet oder nur ein Strohfeuer ist, ist noch nicht zu sagen“.

Der Chefvolkswirt der Liechtensteiner VP-Bank, Thomas Gitzel, zeigt sich ebenfalls etwas ratlos. Der Optimismus vor den US-Wahlen sei erstaunlich. „Da aus der deutschen Industrie zuletzt schwache Daten kamen, ist der Anstieg umso bemerkenswerter.“ (dpa)