Berlin. Die angeschlagene Fluggesellschaft Air Berlin will offenbar die Zahl ihrer Maschinen halbieren. 1000 Arbeitsplätze sind gefährdet.

Es ist eine kleine Runde, die sich da im ersten Stock des Promi-Restaurants Borchardt am Berliner Gendarmenmarkt getroffen hat. Stefan Pichler erklärt an jenem Februarabend 2015, warum er nicht mehr auf den Fidschi-Inseln angelt, sondern es als neuer Air-Berlin-Chef noch einmal wissen will. Der Posten ist immerhin einer der schwierigsten in der deutschen Wirtschaft. Pichler spornt das an. Er skizziert jovial, wie er sich die Wende bei der schwer angeschlagenen Fluggesellschaft Air Berlin vorstellt. Und ja, 2016 werde operativ wieder Geld verdient.

Wie oft Pichler zuletzt an das ruhige Leben auf Fidschi gedacht hat, weiß wahrscheinlich nur er selbst. Von den Plänen, die er vor eineinhalb Jahren für Air Berlin hatte, ist praktisch nichts übrig geblieben. Und von der Fluggesellschaft wird bald auch nur eine sehr geschrumpfte Version unterwegs sein. Das Unternehmen will sich wohl von fast der Hälfte der Maschinen, mit denen es fliegt, trennen.

Weniger Flieger, weniger Personal

Und die neue Air Berlin braucht auch weniger Personal. Mindestens 1000 der derzeit rund 8600 Mitarbeiter sollen ihren Job verlieren, wie die „Süddeutsche Zeitung“ berichtete. Betroffen ist offenbar überwiegend die Berliner Zentrale. Allerdings werden wohl auch in Düsseldorf, dem zweiten Standort, Stellen wegfallen.

Schon bekannt geworden ist, dass bis zu 40 Air-Berlin-Maschinen samt Besatzung dauerhaft an die Lufthansa-Billigtochter Eurowings ausgeliehen werden sollen. Der Lufthansa-Aufsichtsrat wird sich am Mittwoch mit dem Thema befassen. Konzernchef Carsten Spohr braucht dafür zwar keine Zustimmung, will aber dennoch eine Einschätzung. Bei Air Berlin sollen die Mitarbeiter wohl am Mittwoch informiert werden.

Offenbar Gespräche mit Touristikkonzern TUI

Air Berlin konzentriert sich danach auf die beiden Flughäfen Berlin und Düsseldorf, wo die Fluggesellschaft jeweils den größten Anteil an Starts und Landungen hat. Die anderen Strecken würde Eurowings übernehmen – wobei nicht sicher ist, dass sie weiterhin geflogen werden. Operativ steuert die Lufthansa-Tochter dann die Air-Berlin-Maschinen. Die Berliner bekommen dafür eine Gebühr.

Außerdem versucht das Unternehmen offenbar, seine österreichische Tochter Niki mit einer anderen Fluggesellschaft zusammenzulegen. So kursieren Gerüchte, wonach die Niki mit TUI Fly, der Charterflugtochter des Touristikkonzerns TUI, zusammengelegt werden soll. Möglicherweise geschehe dies in einem Gemeinschaftsunternehmen in der Hand von TUI. Auch in diesem Fall würde Air Berlin eigene Maschinen abgeben. Für Niki fliegen derzeit rund 20 Maschinen, TUI fly gehören 41, von denen 14 für Air Berlin im Einsatz sind. Die neue Airline könnte zu den deutlich günstigeren Konditionen von Niki fliegen. Und Air Berlin wäre weitere Flieger los.

Nach Rekordverlust 2015 sieht auch 2016 nicht besser aus

Die Geschichte zeigt allerdings, dass Air Berlin derzeit offenbar versucht, weitere Unternehmensteile zu Geld zu machen. Auch über das Technikgeschäft soll es Gespräche mit verschiedenen Interessenten geben. Das alles hat etwas von Ausverkauf.

Die Lage bei Air Berlin ist schwierig und hat sich unter Pichler als Vorstandschef nicht nennenswert verbessert. Der Verlust ist gewachsen, 2015 fiel ein Rekordminus von 446,4 Millionen Euro an – offiziell unter anderem, weil das Unternehmen falsch eingeschätzt hatte, wie sich die Spritpreise entwickeln. Entsprechend daneben lagen die Sicherungsgeschäfte, mit denen sich eine Fluggesellschaft bestimmte Einkaufspreise im Voraus sichert. Air Berlin musste mehr Geld ausgeben als nötig. Allerdings hat sich auch im ersten Halbjahr 2016 schon wieder ein Minus von 271,5 Millionen Euro aufgebaut – diesmal mit besseren Spritpreisen. Operativ schwarze Zahlen, wie von Pichler zum Amtsantritt 2015 versprochen, wird es wohl nicht geben. Er hatte das Ziel zuletzt auch kassiert.

Etihad hält Air Berlin in der Luft

Air Berlin wird derzeit vor allem vom Großaktionär Etihad in der Luft gehalten. Die Fluggesellschaft aus Abu Dhabi hält 29,2 Prozent der Anteile und hat bisher mehr als eine Milliarde Euro in Air Berlin gesteckt. In den vergangenen Jahren haben die Berliner schon einiges verkauft, um an frisches Geld zu kommen, unter anderem das Bonusprogramm.

In den vergangenen Monaten hat das Unternehmen zudem ununterbrochen das Angebot verringert und versucht, die bestehenden Flieger besser zu nutzen und pro Passagier mehr zu verdienen – mit gemischtem Erfolg. Gleichzeitig baut Air Berlin die vergleichsweise teuren Fernstrecken etwa in die USA und die Karibik aus.

Finanzvorstand wechselt zu Fernbusunternehmen

Zudem erweitert die Fluggesellschaft ihre Code-Share-Flüge, etwa mit der britischen Billigfluglinie Flybe. Beim Codesharing bucht der Kunde einen Flug bei einer Gesellschaft, fliegt aber mit dem Flug einer anderen. Die Strategie insgesamt zeigt die Handschrift des Großaktionärs Etihad, der weder an den vielen Flügen in Feriengebiete noch an Niki Interesse haben soll.

Die Lage hinterlässt auch Spuren im Management. Nicht alle sind zufrieden mit dem neuen Kurs. Finanzvorstand Arnd Schwierholz wechselt in gleicher Funktion zum Fernbusunternehmen Flixbus. Und auch Verkaufsvorstand Julio Rodriguez soll sich umsehen. Möglicherweise träumt auch Pichler noch von den Fidschis.