Berlin. Ein riesiges Finanzloch der Bahn wird aus der Staatskasse gestopft. Dafür kommt der geplante Börsengang zweier Töchter wohl nicht.

Die Bundesregierung hilft der Deutschen Bahn mit einem Milliardenbetrag. Damit sollen neue Züge und ein Schuldenabbau finanziert werden. Im Gegenzug muss Bahnchef Rüdiger Grube wohl seine Börsenpläne zu den Akten legen. Der Vorstand wollte Minderheitsanteile der Auslandstochter Arriva und der Spedition Schenker an die Börse bringen. Es ist das zweite Mal, dass Börsenpläne des Konzerns in der Schublade verschwinden. Bereits 2008 wurde eine Teilprivatisierung des Konzerns abgesagt.

Jetzt verzichtet Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) auf einen Teil der Dividendenzahlungen, die der Bund als Eigentümer von der Bahn erhält. Das Unternehmen muss in den kommenden vier Jahren statt 950 Millionen Euro nur 600 Millionen Euro jährlich an den Eigentümer abführen. Dadurch bekommt die Bahn mehr Spielraum. Zudem erhält Grube von der Bundesregierung eine Milliarde Euro zur Stärkung der Eigenkapitaldecke.

Grünen-Politiker spricht von dauerhaftem Sanierungsfall

Die insgesamt 1,4 Milliarden Euro Dividende wollte der Bund ursprünglich direkt wieder in die Schienenwege stecken. Weil das Geld jetzt nicht fließen wird, kommt die Summe für die Schienen aus der Bundeskasse. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) werde den Überlegungen ­Dobrindts folgen, sagte eine Sprecherin.

Die Bahn erhält also rein rechnerisch 2,4 Milliarden Euro, zusätzlich fließen 1,4 Milliarden Euro für das Netz. „Jetzt endlich merkt Verkehrsminister Dobrindt, dass die Deutsche Bahn zu einem dauerhaften Sanierungsfall zu werden droht“, sagt der bahnpolitische Sprecher der Grünen, Matthias Gastel.

Britische Bahn-Tochter verliert an Wert

Tatsächlich läuft es im Unternehmen finanziell noch immer nicht rund. In den letzten Jahrzehnten wurde ein Schuldenberg von derzeit rund 18 Milliarden Euro aufgebaut. Finanzvorstand Richard Lutz erwartet einen Anstieg auf 22 Milliarden Euro. Denn der Konzern will mit einem gewaltigen Investitionsprogramm Infrastruktur, Züge und Dienstleistungen modernisieren.

Die Milliarden des Bundes ersetzen nun die geplanten Erlöse aus dem Teilverkauf der Töchter. Wie aus dem Umfeld der Bahn verlautet, ist das Unternehmen mit der Lösung zufrieden. Weil sich die Verschuldung besser entwickle als erwartet, komme man mit einem geringeren Betrag klar, als der Börsengang bringen sollte. Auch geht das Unternehmen einem großen Pro­blem aus dem Weg. Die Auslandstochter Arriva sitzt in Großbritannien. Wegen des drohenden Austritts der Briten aus der EU ist das Pfund gefallen – die Firma hat deshalb deutlich an Wert eingebüßt. Und wie es mit den europäischen Geschäften Arrivas weitergeht, ist auch nicht klar.

Einfluss der Politik auf Bahn steigt

Sorgen dürfte weiterhin auch das Bahnhofsprojekt „Stuttgart 21“ bereiten. Ein Bericht des Bundesrechnungshofes sieht weitere Kostenrisiken beim Prestigeprojekt. Danach könnte es bis zu drei Milliarden Euro mehr kosten als die jetzt geplanten maximal 6,2 Milliarden Euro. Baden-Württemberg will zusätzliche Kosten nicht mittragen. Auch drücken die Konkurrenz der Fernbusse und der Verlustbringer Güterverkehr die Erträge des Bahnkonzerns.

Vorstandschef Rüdiger Grube muss sich erkennbar auf einen steigenden Einfluss der Politik auf das Unternehmen einstellen. Deutlich wird dies an den gescheiterten Börsenplänen. Da spielt der Bundestag nicht mit. Auch Dobrindt hatte sich kürzlich schon kräftig eingemischt und gesagt, Gewinnmaximierung sei nicht das wichtigste Unternehmensziel. Daraufhin hatte Grube klargestellt, dass er nicht an der Spitze einer Behördenbahn stehen wolle. Der Machtverlust des Vorstandes ist unverkennbar.

Im Dezember wird über Grubes Vertrag entschieden

Die nächsten Monate werden eine Entscheidung über Grubes Zukunft bringen. Zunächst berät der Aufsichtsrat der Bahn ein selbst in Auftrag gegebenes Gutachten zu „Stuttgart 21“. Im Dezember wird schließlich über den Vertrag des Vorstandschefs entschieden. Der Kontrakt läuft ein Jahr später aus. Auch wenn die Erfolge von Grubes Strategie für mehr Pünktlichkeit, mehr Züge und mehr Verbindungen noch nicht erkennbar sind, hat er gute Chancen auf eine Verlängerung. Sonst müsste über die stets umstrittene Personalie im Wahljahr entschieden werden.