Berlin. Samsung erlebt mit seinem brennenden Galaxy-Handy den absoluten Werbe-GAU. Doch Südkorea steht wohl unverändert hinter dem Konzern.

An Flughäfen weltweit steht seit einer Woche ein neues Schild: Passagiere sollen einen bestimmten Gegenstand nicht mit an Bord nehmen. Was bisher für Messer, eine Axt oder ein Feuerzeug gilt, wird jetzt für ein Mobiltelefon angewendet: Das Samsung Galaxy Note 7, das neueste Smartphone von Samsung, muss am Boden bleiben.

Und dann die Videos: Seit Tagen kursieren im Internet Aufnahmen von rauchenden Telefonen dieser Marke. Ein Sprecher der für Samsung in Deutschland arbeitenden PR-Firma muss mitteilen: „Alle Kunden, die ihr Galaxy Note7 bereits erhalten haben, bitten wir jetzt, ihr Gerät nicht mehr zu nutzen.“

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Sogar von Verletzten wird berichtet

Was für ein GAU: Der südkoreanische Technologiekonzern Samsung muss seine Kunden dazu aufrufen, sein eigenes Produkt nicht mehr zu nutzen. Wegen eines Kurzschlusses im Akku könnte es zu Bränden kommen. Allein in den USA sind 92 Fälle bekannt, bei denen der Akku deutlich überhitzt war. In 26 dieser Fälle sollen Menschen gar Verbrennungen erlitten haben. Weltweit könnten 2,5 Millionen Geräte betroffen sein. Nach den USA startet nun am Montag auch in Deutschland die Rückrufaktion für die Geräte.

Dieser Vorgang ist bisher für einen großen Technologiekonzern einmalig. Zumal es ein Gerät betrifft, das die meisten sehr nahe bei sich tragen und ohne das viele nicht mehr ihr Haus verlassen.

Milliarden für den Rückruf

Auch der Zeitpunkt ist fatal: Gerade jetzt, da US-Konkurrent Apple sein neues Modell, das iPhone 7, auf den Markt bringt. Und außerdem wird in Südkorea, Samsungs Heimat, gerade „Chuseok“ gefeiert. Das Fest hat in etwa den Stellenwert von Weihnachten in Deutschland. Das ganze Land nimmt sich frei — nur sämtliche Samsung-Servicestationen werden wohl geöffnet haben. Rund 1,8 Milliarden US-Dollar muss der Konzern voraussichtlich für die Rückrufaktionen berappen. Die Frage ist also nicht mehr ob, sondern wie tief der Galaxy-Gau den Konzern in die Krise stürzen wird.

Geoffrey Cain ist US-Journalist und lebt seit vier Jahren in Südkorea. Er hat ein Buch über den Konzern geschrieben, das dieses Jahr erscheint. Cain geht davon aus, dass Samsung die Mittel hat, die Krise zu überstehen. Das Unternehmen sei in vielen Wirtschaftszweigen aktiv, sodass es den Skandal auffangen könne. Außerdem kann Samsungs Produktion schnell auf Änderungen reagieren. Fast alle Zulieferer seien Töchter des Konzerns. „Wofür andere Unternehmen ein Jahr brauchen, schafft Samsung in drei Monaten.“

Tief verwurzelt in Südkorea

Cains optimistischer Blick auf die Samsung-Krise hat aber auch etwas mit dem Rückhalt zu tun, den der Konzern in seinem Heimatland genießt. 1938 als kleine Handelsfirma gegründet, die vor allem Trockenfisch und Nudeln nach China exportierte, begann Samsung in den 50er-Jahren andere Branchen zu erobern. Die guten Beziehungen zur Regierung wuchsen in den 60er- und 70er-Jahren, als sich der Konzern in die Elektroniksparte wagte. Heute ist das Unternehmen so tief in die koreanische DNA eingeschrieben, dass es im Land fast als unpatriotisch gilt, ein iPhone zu besitzen. Bis 2009 durfte dieses ohnehin nicht in Südkorea verkauft werden. Als Samsung seine Smartphone-Marke Galaxy auf den Markt brachte, war der Konzern noch an vierter Stelle beim weltweiten Marktanteil von Mobiltelefonen.

Innerhalb von drei Jahren wurden die Südkoreaner zum Hauptgegner von Apple. Rund ein Fünftel des Bruttoinlandsproduktes von Südkorea wird von Samsung erwirtschaftet. Die Firma sei längst „too big to fail“, zu groß um unterzugehen, beobachtet Samsung-Kenner Cain.

Die Konzernbosse schweben über allem

In Südkorea scheint der Konzern längst über den Dingen zu schweben: Zweimal wurden Vorstandsvorsitzende des Konzerns wegen Steuerhinterziehung verurteilt, beide Male wurden sie vom jeweiligen Präsidenten begnadigt. Als im Jahr 2007 mehrere Leukämiefälle in einem Samsung-Werk auftraten, dauerte es sieben Jahre, bis sich das Unternehmen entschuldigte und finanzielle Entschädigungen an die Angehörigen zusagte. Als viele vor Gericht zogen, weil das versprochene Geld nie ankam, verloren sie meist, zuletzt vor zwei Wochen.

„Nach wie vor wünschen sich die meisten Eltern in Südkorea für ihr Kind einen Arbeitsplatz bei Samsung“, sagt Cain. Obwohl sich sanfter Widerstand regt: Die autoritäre Art des Umgangs bei Samsung gefalle vielen jungen Mitarbeitern nicht, sagt Cain. Die Kommentare in den Tageszeitungen dieser Tage lassen dennoch ahnen, wie groß noch immer der Stolz der Südkoreaner auf ihre „Korea Inc.“ ist. In der „Korea Times“ etwa drückte ein Redakteur seine Bewunderung für die „effiziente“ Rückrufaktion aus und wünscht sich „Samsung in die Regierung“.