Berlin. Die Deutsche Bahn überlässt den Fernbusmarkt Flixbus. Die Münchener rollen seit 2015 die Branche auf und haben große Pläne in Europa.

Angedeutet hat es sich schon länger, zum Jahresende macht die Deutsche Bahn ernst: Sie stellt ihr innerdeutsches Fernbusangebot weitgehend ein. Der Berlin Linien Bus ist damit Geschichte. Und auf dem noch jungen Fernbusmarkt ist binnen nicht einmal vier Jahren nur noch ein nennenswerter Anbieter übrig: Flixbus. Experten rechnen jetzt mit dem Ende der Billigangebote. Flixbus-Chef Andre Schwämmlein sieht den Markt allerdings noch nicht ausgereizt. „Unsere Kunden erwarten ein sehr gutes Produkt zum sehr guten Preis – das wird so bleiben.“

In den vergangenen Monaten hat die Bahn sich das eigene Fernbusgeschäft angesehen und angesichts von jährlich 28 Millionen Euro Verlust bei rund zwölf Millionen Euro Umsatz beschlossen, weitgehend auszusteigen – zumindest im Inland. Denn das Unternehmen will sein zweites Fernbusangebot, den IC Bus, sogar ausbauen. Er fährt im grenzüberschreitenden Verkehr seit 2006 und ergänzt das Zug-Angebot, ist ins Netz integriert, kann über die Bahn gebucht werden – und auch die Bahncard gilt. Eine Art Zug auf der Straße also.

Verträge mit Busunternehmen werden aufgelöst

IC Bus setzt etwa 16 Millionen Euro um, vor allem im Ausland. Das Unternehmen schreibe leicht rote Zahlen, hieß es. Allerdings bringe der IC Bus dem Zug neue Fahrgäste und umgekehrt. Bei Berlin Linien Bus fehlte dieser Effekt. Und einfach nur Mitfahren wollte die Bahn auch nicht mehr.

Drei Berlin-Linien-Bus-Strecken bedient künftig der IC Bus: Berlin–Usedom, Berlin–Hamburg–Kopenhagen und Hamburg–Bremen–Amsterdam. Alle anderen werden eingestellt. Die Bahn betreibt wie alle anderen Fernbusunternehmen keine eigenen Fahrzeuge, sondern mietet sie von regionalen Busunternehmen und lässt sie unter eigener Lackierung fahren. Die Verträge werden wohl aufgelöst.

Grüne Busse von Flixbus dominieren

Anfang 2013 hatte die Bundesregierung den Fernbusmarkt freigegeben. Bis dahin durften Fernbusstrecken nur eröffnet werden, wenn sie der Bahn keine Konkurrenz machten. Die Deutsche Bahn betrieb das einzige nennenswerte Fernbusnetz, entstanden 1947 aus dem Verkehr von und nach West-Berlin. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) schwärmte im Februar 2014, die Liberalisierung habe eine „neue Dimension der Mobilität“ eröffnet. Er sprach von Erfolgsgeschichte und gewaltigem Fortschritt für Reisende und Busunternehmen.

Der Fernbusmarkt, von dem Dobrindt schwärmte, ist praktisch nicht mehr zu sehen. Die grünen Busse von Flixbus dominieren. Die Münchener arbeiteten sich nach einem klassischen Start-up-Plan hoch: So schnell wie möglich Nummer eins werden, auch bei hohem Verlust, danach die Gewinne ernten. Sie hatten als Nummer zwei im Januar 2015 die Nummer eins, Mein Fernbus aus Berlin, übernommen. Im Juni dieses Jahres folgte das schottische Unternehmen Megabus, vor allem wegen dessen europaweiten Netzes. Bereits im August ergab sich Postbus, 2013 als ADAC Postbus gestartet, dem Werben der Münchener. Schon jetzt hat Flixbus einen Marktanteil von 80 Prozent. Mit dem Ausscheiden der Bahn wird er steigen.

Experte fürchtet steigende Preise

Für Daniel Zimmer von der Universität Bonn, früher Chef der Monopolkommission, ist klar: „Hat ein Wettbewerber einen Marktanteil von beispielsweise 80 Prozent, kann man von einem Nahezu-Monopol sprechen.“ Daraus folgt für die Kunden: „Bleibt nur ein beherrschender Wettbewerber übrig, muss man mit steigenden Preisen und einem schlechteren Angebot rechnen.“

Flixbus-Chef Schwämmlein sieht das anders. „Im Gesamtumfeld ändert sich für uns nicht viel.“ Der Wettbewerb mit dem Schienenverkehr nehme ja nicht ab. Ein Angebot wie kürzlich für 9,99 Euro quer durch Deutschland werde es weiter geben. Und wenn beliebte Strecken, etwa Hamburg–Berlin, weiter so gut nachgefragt würden, werde auch mehr angeboten. Bereits heute fährt das Unternehmen mindestens im Stundentakt zwischen beiden Metropolen.

Erst verschlafen, dann radikal gegengesteuert

Flixbus ist inzwischen der mächtigste Konkurrent der Deutschen Bahn mit ihrem Schienennetz. Die hatte das Thema Fernbus völlig verschlafen und in großem Stil Umsatz an die günstigere Konkurrenz verloren. Inzwischen hat Bahn-Chef Rüdiger Grube gegengesteuert. Mehr Service, viele Sonderangebote, Wlan auch in der zweiten Klasse, Pünktlichkeitsoffensive, Besinnung auf den Fahrgast – die Bahn bessert nach. Allerdings zulasten des Gewinns.

„Dieser Wettbewerb scheint derzeit zu funktionieren“, sagt Zimmer, weshalb er die Liberalisierung des Fernbusmarktes trotz der Konzentration bei den Busunternehmen für gelungen hält – „solange es eine wirkliche Konkurrenz mit dem Schienenverkehr gibt.“

US-Finanzinvestor steht hinter Flixbus

Flixbus, das zu je einem Drittel den Gründern um Schwämmlein, dem US-Finanzinvestor General Atlantic sowie Risikokapitalgebern wie Holtzbrinck Ventures und Daimler Mobility Services besteht, rechnet für das laufende Jahr mit schwarzen Zahlen im Deutschland-Geschäft, trotz der Übernahmen, die das Unternehmen gestemmt hat. „Als Gruppe sind wir noch nicht profitabel“, unter anderem wegen des Netzaufbaus in Europa.

Die Wettbewerbshüter werden wohl angesichts der Veränderungen im deutschen Fernbusmarkt nicht eingreifen: „Wenn ein Wettbewerber aus dem Markt ausscheidet und ein beherrschendes Unternehmen übrig bleibt“, sagt Ex-Monopolkommissionschef Zimmer, „hat das Kartellamt keine Handhabe.“