Berlin . Für die Deutsche Bahn bedeutet der ICE 4 einen Neustart im Fernverkehr. Nicht nur wegen anhaltender Kritik gibt es einige Neuerungen.
Ausgefallene Klimaanlagen, defekte Toiletten und überfüllte Wagen: Fernzugfahrten mit der Deutschen Bahn, so die Erfahrung vieler Reisender, sind nicht immer ein Vergnügen. Doch das soll künftig spürbar anders werden, verspricht die Deutsche Bahn. Helfen soll dem bundeseigenen Konzern dabei vor allem eine neue Generation von Hochgeschwindigkeitszügen. Am Mittwoch hatte der ICE 4 in Berlin seine Weltpremiere. Zwar war der Zug schon vorher ab und an zu sehen, doch erstmals wurde nun das neu gestaltete Fahrzeuginnere präsentiert. Begrüßt wurde der von Siemens und Bombardier entwickelte neue Intercity-Express von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), Bahnchef Rüdiger Grube und Hunderten Ehrengästen, darunter zahlreiche Ingenieure, Techniker und Designer, die an dem 2011 gestarteten Milliardenprojekt mitarbeiten.
Licht je nach Tageszeit soll die Reisenden verwöhnen
Pünktlich 14.11 Uhr war der neue ICE auf Gleis 2 in den Berliner Hauptbahnhof eingefahren. Bahnchef Grube würdigte den neuen Zug anschließend als „ingenieurtechnische Meisterleistung made in Germany“. Er werde nicht nur das neue Flaggschiff der Bahn, sondern auch Rückgrat des zukünftigen Fernverkehrskonzepts sein. Auch mit Blick auf die immer stärker werdende Konkurrenz der Fernbusse hatte die Bahn im Frühjahr angekündigt, ihr Fernverkehrsangebot bis 2030 um 25 Prozent ausbauen. Unter anderem sollen alle wichtigen Metropolen des Landes mindestens zweimal pro Stunde miteinander verbunden werden.
Für die Umsetzung des Konzepts fehlen der Bahn bislang allerdings die Fahrzeuge. Das soll mit dem ICE 4 (früher als IC-X bezeichnet) anders werden. Insgesamt 130 zwölf- und siebenteilige Züge hat die Deutsche Bahn beim Generalunternehmen Siemens bestellt. Mit einem Volumen von 5,3 Milliarden Euro sei dies der größte Auftrag in der deutschen Bahngeschichte, so Grube.
Auch IC-Züge sollen ersetzt werden
Der neue Zug soll bis 2023 nicht nur die beiden älteren ICE-Baureihen 1 und 2, sondern auch einen Großteil der in die Jahre gekommenen IC-Züge ersetzen. Und dabei neue Maßstäbe setzen. Der ICE 4 werde „unsere Kunden wirklich begeistern“, ist sich Birgit Bohle, Vorstandsvorsitzende der Fernverkehrssparte der Bahn, sicher. Damit das gelingt, haben sich die Projektverantwortlichen von Siemens und der Bahn einiges einfallen lassen. Bänder aus Leuchtdioden etwa sorgen künftig dafür, dass sich das Licht im Wageninneren je nach Tageszeit gestalten lässt. Am Morgen etwa sollen die Fahrgäste mit frischen Blautönen aufgemuntert werden, am Abend könnten es dann eher warme Farben wie Orange oder Rot sein. Eine Technologie, wie sie Airbus und Boeing bereits bei ihren neuesten Flugzeugen einsetzen, hält nun erstmals auch im Bahnverkehr Einzug.
Das sind die vier ICE-Generationen
Neu sind auch die Sitze: Sie sollen ergonomischer als ihre Vorgänger sein, was den Sitzkomfort erhöht. Zudem bewegen sie sich in festen Schalen, was verhindert, dass beim Verstellen der Sitzposition der hintere Nachbar gestört wird. Anders als in Internetforen kolportiert, werde sich die Beinfreiheit durch die neue Bestuhlung nicht verschlechtern. „Wir haben denselben Abstand wie beim ICE 3“, versicherte Ulrich Höbel der Bahn. Dennoch wird es insgesamt mehr Sitzplätze pro Wagen geben. Bis zu 88 werden es sein. Dafür fallen die Aufenthaltsbereiche hinten den Einstiegstüren weg. Weil die Toiletten nicht mehr hintereinander, sondern gegenüberliegend eingebaut sind, steht den Fahrgästen nun nur noch ein schmaler Gang zur Verfügung.
Zusätzliche Abteile für Eltern mit Kleinkindern
Bei den bisherigen Tests sei dies von den Reisenden aber nicht beanstandet worden, so Michael Peterson, Marketingvorstand von DB Fernverkehr. Auch das Ein- und Aussteigen gehe nicht langsamer voran. Weitere Veränderungen im Inneren: Es gibt mehr Platz für Familien und zusätzliche Abteile für Eltern mit Kleinkindern. Neu sind auch mehr Rollstuhlplätze und ein barrierefreier Zugang zum Bordrestaurant. Künftig befinden sich die Anzeigen für die Platzreservierung an den Kopfstützen der Sitze und nicht mehr an der oberen Gepäckablage. Auch gibt es in den Wagen mehr Platz für Koffer und Taschen, die nicht in die oberen Ablagen passen. Die Regale stehen nun nicht mehr weit entfernt von den Sitzplätzen, sondern mitten im Wagen. „Die Reisenden wollen ihr Gepäck während der Fahrt behalten“, so Peterson.
Geradezu eine Revolution ist der Abstellbereich für Fahrräder. Bislang dürfen diese im ICE nicht mitgenommen werden. Künftig wird dies nach einer kostenpflichtigen Reservierung möglich sein. Mehr als acht Räder können aber nicht mitgenommen werden. Auch zweier weiterer Dauerkritiken der Fahrgäste nahmen sich Bahn und Hersteller an: Die Klimaanlage wird nun mit zwei getrennten Kreisläufen ausgestattet und soll auch bei Temperaturen von bis zu 45 Grad Celsius zuverlässig funktionieren. Der ICE 4 hat zudem ein neues Empfangssystem für Mobilfunksignale. Das Telefonieren im Zug soll dadurch besser funktionieren, und ab Januar 2017 sollen auch Fahrgäste der 2. Klasse kostenlosen WLAN-Zugang haben.
Ab Dezember soll der erste ICE 4 fahren
Bis normale Reisende in den neuen ICE einsteigen können, wird es aber etwas dauern. Noch steht die Inbetriebnahmegenehmigung durch das Eisenbahn-Bundesamt aus. „Wir erwarten sie in den nächsten Wochen“, sagte Berthold Huber, Vorstand Verkehr der Deutschen Bahn. Ab Dezember sollen die ersten beiden ICE-4-Züge ein Jahr lang ausgiebig erprobt werden. Ab Dezember 2017 ist der reguläre Fahrplaneinsatz vorgesehen, dann gleichfalls auf der langen Verbindung München–Hamburg. Ein Jahr später, wenn eine größere Zahl an neuen Zügen von den Herstellern auch ausgeliefert ist, kommen weitere Strecken hinzu. Dann soll der ICE 4 auch Berlin, das Ruhrgebiet und Ziele in der Schweiz und Österreich anfahren.