Mühlheim/Berlin. Die Verluste bei Kaiser’s wachsen. Nach zwei Jahren Hängepartie wird wohl „Plan B“ kommen: die Schließung schlecht laufender Filialen.

Anfang Oktober ist es zwei Jahre her, dass Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub verkündete, seine Kaiser’s-Tengelmann-Supermärkte verkaufen zu wollen. Bis auf juristische Auseinandersetzungen und politischen Streit ist bislang nichts passiert. Die Ministererlaubnis für den Verkauf an Edeka steckt vor Gericht fest. Dabei hatte Haub mehrfach betont, dass er eine „unendliche Geschichte“ nicht dulden werde. Die Geschichte könnte jetzt tatsächlich enden.

Nach Informationen dieser Redaktion hat Haub für den 23. September eine Aufsichtsratssitzung einberufen, bei der er einen „Plan B“ verkünden wolle: die Schließung schlecht laufender Filialen. Von den Einschnitten betroffen sein könnten 8000 der 16.000 Mitarbeiter – besonders in Nordrhein-Westfalen. Auf Anfrage wollte Haub die Spekulationen nicht kommentieren.

Etliche Mitarbeiter haben Unternehmen verlassen

Auch wenn sich die Tengelmann-Gruppe in Schweigen hüllt, verlautet aus dem Umfeld des Mülheimer Handelskonzerns, dass die Verluste in den Supermärkten dramatisch gestiegen seien. Die Rede ist von zehn Millionen Euro monatlich. Nach früheren Angaben hat die Tengelmann-Holding, hinter der die Familie Haub steht, in den vergangenen 15 Jahren mehr als eine halbe Milliarde Euro in die Supermarktkette gesteckt.

In den vergangenen Wochen hat sich die Lage offenbar weiter verschärft: Wohl auch wegen der seit nunmehr zwei Jahre andauernden Unsicherheit haben etliche Mitarbeiter das Unternehmen verlassen – im Einkauf, bei der Informationstechnik, aber auch im Verkauf. Aus dem Umfeld des Betriebsrats wird bestätigt, einige Warensortimente seien ausgedünnt worden. Schließungen seien bereits im Gange. In Nordrhein-Westfalen soll es den Informationen zufolge zum Jahresende weniger als 100 Kaiser’s-Tengelmann-Märkte geben.

Teurer Sozialplan steht im Raum

Inwieweit Berlin betroffen ist, bleibt unklar. Die Märkte in der Hauptstadt liefen in der Vergangenheit aber besser als viele Filialen in Nordrhein-Westfalen. Kaiser’s Tengelmann ist vor allem in Berlin, Nordrhein-Westfalen und im Großraum München tätig.

Konzernchef Karl-Erivan Haub, sagt ein Insider, sei nach zwei Jahren Warten inzwischen mit seiner Geduld am Ende. Statt die Verluste der Supermarktsparte auszugleichen – dazu ist er wegen eines Gewinnabführungsvertrages verpflichtet – neige er nun zur Aushandlung eines teuren Sozialplans, um Filialen mit roten Zahlen loszuwerden.

Offen ist indes, ob er problemlos aus dem Verkaufsvertrag aussteigen kann, den er im Oktober 2014 mit Edeka-Chef Markus Mosa geschlossen hatte. Der Verkauf kam nicht zustande, weil ihn zunächst das Bundeskartellamt für nichtig erklärt hatte. Auch die Sondererlaubnis von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel konnte nicht in Kraft treten, weil das Oberlandesgericht Düsseldorf die Fusion von Edeka und Kaiser’s Tengelmann vorläufig stoppte. Das Verfahren liegt nun beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe.

Androhung des Kahlschlags als Druckmittel

Edeka-Chef Markus Mosa hatte noch im August betont, dass er die Supermarktkette unter sein Konzerndach holen wolle. Er selbst nahm an den Tarifverhandlungen mit der Gewerkschaft Verdi teil und handelte mit ihr eine weitgehende Arbeitsplatzgarantie und einen Bestandsschutz für die Kaiser’s-Tengelmann-Märkte von fünf Jahren aus. Diese Zugeständnisse musste Mosa machen, um Gabriels Bedingungen zu erfüllen. Sollte der Bundesgerichtshof den Weg für die Fusion frei machen, könnten die Tarifverträge in Kraft treten.

Würde Haub ernst machen und die Supermarktkette zerschlagen, wäre die Ministererlaubnis hinfällig. Insider schließen aber auch nicht aus, dass er die Androhung eines Kahlschlags als Druckmittel einsetzen will. Die Entlassungswelle würde mitten in den nordrhein-westfälischen Wahlkampf fallen. Im Juli hatte Wirtschaftsminister Gabriel den Kompromiss ins Gespräch gebracht, Kaiser’s Tengelmann unter Edeka und Rewe aufzuteilen, um kartellrechtliche Bedenken auszuräumen.