Berlin. NRW-Finanzminister Walter-Borjans (SPD) will herrenlose Bankkonten ausleuchten. Wenn es keine Erben gibt, soll der Fiskus profitieren.

Gesucht wird: ein Geldgrab. Geschätzter Wert: zwei Milliarden Euro. Auf diese Summe sollen sich die Ersparnisse längst verstorbener Kontoinhaber in ganz Deutschland belaufen. Das bundesweit verstreute Vermögen liegt auf herrenlosen Bankkonten. Der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) will den Schatz heben – in erster Linie für die Erben, doch wenn die nicht greifbar sind, gerne auch für die Staatskasse. Bei seinem Anlauf vermisst er die Unterstützung des Bundes.

„Es kann nicht sein, dass Banken Geld bunkern, das ihnen nicht zusteht.“ Mit diesem Satz gegenüber dieser Zeitung hatte Walter-Borjans Anfang August den Stein ins Rollen gebracht. Jetzt legt er nach: Nicht nur NRW sehe Handlungsbedarf, viele Bundesländer wünschten Klarheit.

Datenbank soll Vermögen ausleuchten

Bislang läuft es so ab: Wenn die Banken keinen Erben „finden oder finden wollen“, bleibe herrenloses Vermögen einfach dort liegen. „Das Geld gehört aber jemandem“, sagt Walter-Borjans. „Und der soll es auch kriegen.“

Banken dürften nicht weiter auf fremde Kosten ihre Kapitalbasis stärken. Im Sinne eines ehrlichen Umgangs mit Kunden will der NRW-Minister sie rechtsfest verpflichten, „alle Mühe darauf zu verwenden, den Anspruchsberechtigten zu ihrem Geld zu verhelfen“. Walter-Borjans fordert dazu eine zentrale Datenbank. Die Plattform soll Informationen über „unbewegte Konten“ mit solchen über das Ableben von Kunden abgleichen. Das bringe Licht in die Vermögenswelt der Toten.

Banken rufen Politik zu Mäßigung auf

Den Geldhäusern erscheint das unnötig. Es gebe „keinen Anlass, an der bestehenden und bewährten Praxis hinsichtlich nachrichtenloser Konten etwas zu ändern“, heißt es aus dem Bundesverband deutscher Banken. Reiße der Kontakt zum Kunden ab, komme etwa Post als unzustellbar zurück, so stelle jedes Kreditinstitut Nachforschungen an.

Auch wenn dauerhaft kein Kundenkontakt herstellbar sei, werde „das Vermögen in jedem Fall für den Kunden erhalten“. Die Bank sei nicht Eigentümer eines nachrichtenlosen Kontos. Doch die Politik solle nicht so tun, als stehe der Schutz von Vermögenswerten „in ihrem Belieben“.

Meldesystem für ungewegte Konten

Erfahrene Erbensucher wissen: Es geht auch übersichtlich. Die meisten europäischen Länder hätten längst ein Meldesystem für unbewegte Konten, sagt Albrecht Basse vom Verband Deutscher Erbenermittler. Ein öffentlich zugängliches Register öffne potenziellen Erben die Tür zu eigenen Nachforschungen. Deutsche Erbenermittler und Nachlasspfleger bekämen derzeit keine gesicherten Informationen über den Umfang von Vermögenswerten bei Banken.

Und es werde nicht besser: Früher habe man beim Hausausräumen der verstorbenen Großeltern noch das alte Sparbuch gefunden. Doch im Onlinebanking-Zeitalter falle Kindern und Enkeln nicht mehr viel in die Hände. Mehr Transparenz im Bankenwesen dagegen bringe auch hohe Mehreinnahmen für den Staat – durch die Erbschaftssteuer.

Unterstützung durch den Bund gefordert

Darauf schielt auch Initiator Walter-Borjans. Seine Rechnung: Werden Erben gefunden, profitieren die Bundesländer über die Steuer; sind keine Erben aufspürbar, müsste das Geld laut Gesetz als „Fiskalerbschaft“ an die Länder gehen. Ein Plus für die Staatskasse stehe für ihn nicht im Vordergrund, so der NRW-Minister. Tatsächlich diene es dort der Allgemeinheit aber mehr als bei einer Bank. Baden-Württembergs Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne) hatte jüngst ein Zugriffsrecht des Staates auf Konten und Guthaben ohne Besitzer gefordert.

Walter-Borjans sieht Berlin am Zuge. „Die Gesetzgebungskompetenz für die meisten Bausteine zur Umsetzung liegt auf Bundesebene“, hieß es am Dienstag aus dem NRW-Ministerium.