Berlin. WhatsApp will erstmals Werbung schalten und seine Nutzerdaten mit Facebook austauschen. Deutsche Datenschützer kündigen Widerstand an.

Ein praktischer SMS-Nachfolger ohne Kosten und Nachteile? Das war WhatsApp bislang aus Sicht vieler Smartphone-Nutzer. Doch nun startet der in Deutschland mit Abstand am meisten genutzte Handy-Kurznachrichtendienst („Messenger“) eine breit angelegte Reklame-Offensive. Die ab sofort geltenden neuen Geschäftsbedingungen räumen der Facebook-Tochter ein quasi unbeschränktes Werberecht ein – auch in Deutschland. Gleichzeitig werden in Zukunft die Nutzerdaten mit dem Mutterkonzern ausgetauscht. Deutsche Datenschützer sind empört über die Änderungen und kündigen Widerstand an.

WhatsApp aktualisierte am Donnerstag zum ersten Mal seit vier Jahren seine Nutzungsbedingungen und seine Datenschutzrichtlinie. Im Firmenblog verspricht das Unternehmen zwar „weiterhin ein Erlebnis ohne Bannerwerbung von Dritten oder Spam“. Man wolle lediglich „Wege erkunden, wie du mit Unternehmen, die dir wichtig sind, kommunizieren kannst“. Zum Beispiel gehe es um Nachrichten von der eigenen Bank oder Informationen über eine Flugverspätung.

Datenschützer: Befürchtung bestätigt

Doch unauffällig platziert in den neuen, auf über 55.000 Zeichen ausgeweiteten Richtlinien, räumt WhatsApp sich einen Blankoscheck für Werbung ein. Darin heißt es, Firmen sei es nun gestattet, mit den Nutzern zu kommunizieren, auch zum Thema „Aktualisierungen von Produkten und Dienstleistungen und Marketing“. Unter die schwammige Formulierung dürften die meisten Werbeaktivitäten eines Unternehmens fallen.

Für den Landesdatenschutzbeauftragten von Hamburg, Johannes Caspar, ist die Werbe-Offensive „eine Entwicklung, die wir von Anfang an befürchtet haben“. WhatsApp kostete lange Zeit lediglich Centbeträge und ist seit Anfang dieses Jahres gratis. Facebook, urteilt Caspar, habe aber 2014 nicht 22 Milliarden Dollar für WhatsApp bezahlt, ohne eine Strategie zu haben, wie die enormen Kosten wieder hereingespielt werden können. „Nun wird das Sparschwein geschlachtet“, sagte Caspar unserer Redaktion. „Viele Nutzer haben sich an WhatsApp gewöhnt und dort ihre Kontakte organisiert. Facebook versilbert diese Beliebtheit jetzt.“

35 Millionen Deutsche nutzen WhatsApp

WhatsApp ist in Deutschland wie in den meisten westlichen Ländern mit großem Abstand Marktführer. Laut einer Umfrage des Deutschen Instituts für Vertrauen und Sicherheit im Internet nutzen 73 Prozent der Deutschen regelmäßig Kurznachrichtendienste. Knapp 70 Prozent wiederum greifen hauptsächlich auf WhatsApp zurück.

Die Messenger-Konkurrenz ist weit abgeschlagen. Der zweitgrößte Anbieter ist Snapchat mit lediglich 5,6 Prozent und einer ganz anderen Ausrichtung. Alternativen wie Telegram, Threema oder Wire sind weit abgeschlagen und für viele bislang keine Option, weil ihre Kontakte diese Apps nicht nutzen.

Facebook-Infos sind Gold wert für WhatsApp

Branchenexperten gehen von 35 Millionen regelmäßigen WhatsApp-Nutzern in Deutschland aus. Weltweit stieg die Zahl jüngst auf über eine Milliarde. Aus Sicht der Werbewirtschaft ist das ein gigantischer, bislang ungenutzter Markt. Richtig wertvoll wird er aber erst, wenn die Reklame zielgerichtet auf den Bildschirm kommt.

WhatsApp dürfte damit Probleme haben: Dem Unternehmen fehlen wichtige Informationen, über die ein soziales Netzwerk wie Facebook verfügt, zum Beispiel Alter, Wohnort und Beziehungsstatus. Auch die Nachrichten selbst können nicht ausgewertet werden, da sie verschlüsselt zwischen den Nutzern übermittelt werden. Auch WhatsApp selbst kann sie nach eigenen Angaben nicht mitlesen. Hier kommt die zweite gravierende Änderung der Nutzungsbedingungen von WhatsApp ins Spiel.

Facebook hatte Trennung versprochen

Bei der Übernahme durch Facebook 2014 war vereinbart worden, die Nutzerdaten getrennt zu lassen. Diese Trennlinie wird nun eingerissen. WhatsApp darf nun im Datenaustausch mit Facebook „Angebote betreiben, bereitstellen, verbessern, verstehen, individualisieren, unterstützen und vermarkten“, so steht es in den neuen Klauseln. Das wiederum macht es möglich, auch ohne eigene Nutzerprofile Werbung zu personalisieren. Nutzer können dem zwar widersprechen, dafür müssen sie aber aktiv werden.

Deutsche Datenschützer wollen das nicht ohne weiteres hinnehmen. Daten zwischen den Diensten des Facebook-Imperiums hin- und herzuschieben „ist ohne ausdrückliche Einwilligung der Nutzer so nicht zulässig“, sagt Caspar. „Das haben wir Facebook anlässlich der Änderung der Datenschutzbestimmung Anfang 2015 schon deutlich gesagt. Es verwundert daher, mit welcher Selbstverständlichkeit nun über die Bedenken hinweggegangen wird.“ Facebook werde sich auf eine Untersuchung einstellen müssen. Der europäische Gerichtshof habe bei Niederlassungen im Inland die Anwendbarkeit des nationalen Rechts bestätigt.

Fehlende Dependance könnte Problem sein

Allerdings könnte es den Datenschützern Schwierigkeiten bereiten, dass WhatsApp keine Niederlassung in Europa hat – im Gegensatz zu Facebook, das auch in Deutschland eine Dependance unterhält. Damit wird es komplizierter, gegen die Praktiken des Unternehmens vorzugehen. Dennoch wollen die deutschen Datenschützer prüfen, ob ein angemessenes Schutzniveau auch bei der Übermittlung und dem Austausch von Nutzerdaten in den USA gewahrt werde, so Caspar.