Berlin. Mit wenigen Klicks lassen sich heute Pauschalreisen buchen. Ein neues Gesetz aber ändert die Regeln. Reisebüros fürchten Nachteile.

Flug, Transfer, Unterkunft – auf einen Schlag gebucht, und das alles für einen festen, vorher bekannten Preis. Die Deutschen lieben den Komfort, den Pauschalreisen bieten. Fast 40 Prozent der Reisenden entschieden sich 2015 für einen vom Veranstalter zusammengestellten Urlaub. Demnächst allerdings könnte den Deutschen die Lust an der Pauschalreise vergehen. Ihnen droht noch vor Abflug eine Preiserhöhung, gegen die sie sich nicht wehren können. Auch Änderungen im Reiseverlauf sind in Zukunft möglich, über die erst kurzfristig informiert werden muss.

Der Grund dafür ist die neue EU-Reisepauschalrichtlinie, die im November vergangenen Jahres verabschiedet wurde und derzeit in deutsches Recht umgesetzt wird. Eigentlich soll die seit 1990 geltende Richtlinie den Reisenden schützen und dafür sorgen, dass der Urlaub kein Desaster wird. Die Neuauflage war nötig, weil etwa viele Regeln für Onlinereisebüros noch nicht gelten.

Erhöhung des Reisepreises um acht Prozent

Doch das komplexe und über 100 Seiten dicke EU-Regelwerk stellt den Urlaubern nun vor allem Fallstricke. In Deutschland galten bei Pauschalreisen bisher hohe Verbraucherstandards, erklärt Felix Methmann vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Die „werden nun abgesenkt“.

Künftig dürfen Reiseveranstalter 20 Tage vor Reisebeginn den Preis um bis zu acht Prozent erhöhen, ohne dass der Reisende widersprechen oder von der Reise zurücktreten kann. Hat eine Familie eine Pauschalreise für 3500 Euro gebucht, könnte diese also um 280 Euro teurer werden. Bisher konnte der Veranstalter den Preis lediglich um fünf Prozent anheben und musste darüber vier Monate im Voraus informieren. Weil viele ohnehin erst wenige Monate im Voraus die Reise buchen, spielte die Option kaum eine Rolle.

Keine frühzeitige Meldepflicht

Für den nachträglichen Aufschlag müssen Tui, Neckermann und Co. lediglich nachweisen, dass für sie höhere Kosten seit der Buchung entstanden sind, etwa Abgaben an Flughäfen, Häfen oder steigende Treibstoffpreise. Das ist ein großes Entgegenkommen für die Veranstalter. In vielen anderen Branchen können Preisrisiken nicht einfach auf die Kunden abgewälzt werden, die Unternehmen müssen sich dagegen absichern.

Erhöht der Veranstalter die Preise um mehr als acht Prozent oder nimmt erhebliche Änderungen am Reiseverlauf vor, kann der Reisende zwar den Urlaub stornieren. Den Betroffenen nützt das aber wenig – denn der Veranstalter ist nicht gezwungen, dies frühzeitig mitzuteilen. „Wir befürchten, dass schwarze Schafe die Urlauber erst am Abreisetag über die Änderung informieren und die Reisenden dann faktisch keine Ausweichmöglichkeiten mehr haben“, sagt Methmann. Denn in der Hauptreisesaison dürfte es schwer sein, eine Alternative zu finden – zu dem etwa gleichen Preis.

Darüber hinaus sei es für den Veranstalter ausreichend, den Kunden lediglich über die Änderungen im Reiseverlauf zu informieren. Reagiert er nicht auf die Mitteilung, gilt die Änderung als akzeptiert.

Hohe Haftungsrisiken für kleine Reisebüros

Einige der neuen Vorschriften haben allerdings auch Vorteile: So profitieren Urlauber von den Regeln zu den sogenannten verbundenen Reiseleistungen – also wenn Flug und Hotel zwar separat zusammengestellt, aber in einem Schwung gebucht werden. Künftig haften dann die Reisebüros, wenn etwa die Fluggesellschaft pleitegeht oder die Qualität des Hotels nicht der versprochenen Leistung entspricht.

Was die Verbraucherschützer freut, ärgert die Reisebüros. Sobald sie mindestens zwei Einzelleistungen verkaufen, gelten sie also nicht mehr als Reisevermittler, sondern als Reiseveranstalter. Damit würde man auch kleinen Büros große Haftungsrisiken aufbürden, kritisiert der Deutsche Reiseverband (DRV). Der Verband sieht gar die Existenz der rund 10.000 Reisebüros gefährdet, sie hätten nicht die Mittel, das abzufedern, was sonst große Player im Reisemarkt wie Tui, Thomas Cook oder Alltours leisten.

Reiseverband kritisiert Justizministerium

Eigentlich wollte der Gesetzgeber so den ungleichen Wettbewerb mit Internetanbietern beenden – weil Onlineanbieter längst in einem Vorgang Hotels, Mietwagen und Flug vermitteln, aber nie wie ein Veranstalter haften mussten. Doch nun sollen die Regeln auch für normale, kleine Reisebüros gelten.

Der DRV kritisiert nun, dass Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) bei der Umsetzung der Richtlinie in deutsches Recht die Haftungsregeln nicht abgefedert habe. Im Bundesjustizministerium will man sich zu einzelnen Punkten, die noch verhandelbar sind, nicht äußern und verweist auf Verhandlungen zwischen den Ministerien. Hoffnung für die Branche kommt vom SPD-geführten Bundeswirtschaftsministerium. Auch dort kommt der Gesetzentwurf nicht gut an.

Bald Rechnung für jede einzelne Leistung?

Das Ministerium plane eine „überschießende Umsetzung der Richtlinie“, was gegen den Koalitionsvertrag verstoße, heißt es in einem Vermerk. Eine Sprecherin des Ministeriums sagte unserer Redaktion zudem, zwar sei ein nachhaltiger Verbraucherschutz bei der Umsetzung wünschenswert, aber „kleine und mittelständische Reisebüros sollten nicht über Gebühr belastet werden“.

Derweil sucht die Branche nach Lösungen aus der Misere. Künftig könnte man dem Kunden dann jede einzelne Leistung separat in Rechnung stellen, sagt DRV-Vizepräsident Andreas Heimann. Es würde also alles komplizierter – genau das also, was die Deutschen bei der Buchung einer Pauschalreise vermeiden wollen.