Berlin. Privatanleger können bald nicht mehr in Bonitätsanleihen investieren. Bafin-Verbot trifft besonders Landes- und Genossenschaftsbanken.

Vor acht Jahren hat die Finanzkrise die Volkswirtschaften weltweit ins Wanken gebracht. Für rund 1000 Privatanleger in Deutschland dürfte sich der Crash allerdings anfühlen wie gestern – wenn sie einen Blick in ihr Depot werfen. Denn sie hatten Bonitätsanleihen der US-Bank Lehman Brothers gekauft. Nachdem das Geldinstitut 2008 pleiteging und so die Krise auslöste, waren ihre Papiere wertlos. Zwei Milliarden Euro hatten die Deutschen angelegt, für die Ausbildung der Kinder, die eigene Wohnung oder Rente, auf einen Schlag war das Geld weg. Die Bank ist verschwunden, in Bonitätsanleihen können Privatanleger weiter investieren. Noch.

Offenbar will die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) eingreifen. Sie plant, den Verkauf an private Kunden zu untersagen. Es wäre das erste Mal, dass die Aufsichtsbehörde eine Gattung von Finanzprodukten komplett verbietet, seit ihr vor gut einem Jahr die Möglichkeit dazu per Gesetz gegeben wurde. Eine Allgemeinverfügung hat die Bafin bereits erlassen, endgültig entscheiden will sie nach der Anhörung, die bis Ende September läuft. Wegen der hohen Produktkomplexität habe sie erhebliche Bedenken für den Anlegerschutz, begründet die Behörde ihren Plan. „Strukturierte Produkte, die sich auf Kreditrisiken beziehen, gehören nicht in die Hände von Privatkunden“, sagt Bafin-Exekutivdirektorin Elisabeth Roegele.

Trotz Lehman-Pleite läuft das Geschäft mit Bonitätsanleihen gut

Genau das ist aber trotz Lehman-Pleite der Fall. Kurioserweise versetzte der Imageverlust der Nachfrage nach den Papieren nur kurzfristig einen Dämpfer. Die Banker verkauften weiter Bonitätsanleihen – allen voran die öffentlichen und genossenschaftlichen Institute. Dabei ließ der nächste Schock nicht lange auf sich warten: Auch die Griechenland-Krise bescherte den Gläubigern einen Zahlungsausfall, etwa bei den Bonitätsanleihen der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) und der DZ-Bank. Bei Letzterer verloren Anleger nach Informationen dieser Zeitung einen einstelligen Millionenbetrag.

Das Risiko, dass der Anleger nie wieder etwas vom investierten Geld sieht, ist bei diesem Finanzprodukt hoch. Außer dem irreführenden Namen haben Bonitätsanleihen mit einer klassischen Unternehmensanleihe wenig gemein. Bei einer Unternehmensanleihe leiht der Anleger dem Unternehmen direkt Geld, das Unternehmen zahlt die Zinsen.

Doppeltes Risiko für Anleger

Die Bonitätsanleihe hingegen gehört zur Kategorie der Zertifikate. Sie wird von einer Bank ausgegeben, dem Emittenten, und bezieht sich auf die Zahlungsfähigkeit des Referenzschuldners, also etwa eines Unternehmens. Die Zinsen zahlt die Bank, deren Höhe bemisst sich nach der Wahrscheinlichkeit einer Insolvenz des Unternehmens und der Bank. Weil es also zwei Schuldner gibt, verdoppelt sich das Risiko für den Anleger. Deshalb bieten Bonitätsanleihen höhere Zinsen als klassische Anleihen. Eine von der LBBW auferlegte Bonitätsanleihe des Flugzeugherstellers Airbus mit Laufzeit bis 2024 bietet etwa eine Rendite von 1,28 Prozent, eine Anleihe direkt von Airbus mit ähnlicher Laufzeit lediglich 0,24 Prozent.

Kommt es allerdings zur Insolvenz der Bank, des sogenannten Referenzschuldners, oder auch nur zum Aufschub einer Zinszahlung, droht der Totalverlust. Die Lehman-Papiere waren am Ende wertlos, weil die Bank zahlungsunfähig wurde. Die Bafin kritisiert nun, dass diese Kreditrisiken von Privatkunden nicht bewertet werden können.

Milliardenmarkt mit Bonitätsanleihen

Das Verbot dürfte an der Branche nicht spurlos vorübergehen: Insgesamt 6,3 Milliarden Euro waren im Juni in Bonitätsanleihen investiert, das entspricht einem Anteil am gesamten Zertifikatemarkt von mehr als zehn Prozent. Ein lukratives Geschäft, das die Emittenten nicht kampflos aufgeben wollen: „Wir beraten über entsprechende Rechtsmittel“, kündigte Lars Brandau, Geschäftsführer des Deutschen Derivate Verbandes, an. Bereits jetzt sei die Ausgabe von neuen Bonitätsanleihen durch die Kreditinstitute gestoppt.

Ausgerechnet die Landes- und Genossenschaftsbanken, die ohnehin derzeit unter Minizinsen und Regulierung leiden, dürfte das Verbot am härtesten treffen. Größter Player ist die LBBW mit einem Marktanteil von rund 43 Prozent. Rund 2,9 Milliarden Euro haben die Kunden der Landesbank in diese Zertifikate investiert. Zusammen mit der Dekabank der Sparkassen, der Hypovereinsbank und der DZ-Bank (Genossenschaftsbanken) teilt sich die LBBW rund 90 Prozent des Marktes. Man sei überrascht über das Verbot, heißt es von der LBBW. „Gegenwärtig können wir die Begründung der Maßnahme nicht ohne Weiteres nachvollziehen“, sagt ein Sprecher.

Selbst unter Anlegerschützern ist das Vorhaben der Bafin umstritten. Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) hält von einem Verbot wenig und die Bonitätsanleihe für ein etabliertes Finanzprodukt. Es werde die Tür zu einer renditeträchtigen Anlage zugeschlagen, bemängelt ein Sprecher. Vielmehr müsse Transparenz geschaffen werden, sodass Anleger über Risiken Bescheid wüssten. Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Ralph Brinkhaus, mahnt zur Angemessenheit: „Ich gehe davon aus, dass die Bafin die Verhältnismäßigkeit ihrer Mittel sorgfältig abwägt.“