Ingolstadt/Washington. Neue Audi-Modelle hören in den USA demnächst, was Ampeln sagen. Im Autofahrerland Deutschland gibt es das vorerst aber nur in Tests.

25 Meilen pro Stunde empfiehlt der Tacho: Wenn der Autofahrer sich an das Tempo hält, wird die Ampel Grün sein. Denn die hat an das Auto Signale geschickt, wann sie umspringen wird: In Washington und Las Vegas in den USA kommunizieren ab Herbst die Ampeln mit den Autos von Audi. Es ist ein Vorgeschmack auf das voll vernetzte Auto der Zukunft. In Deutschland wird es die Grüne Welle als Sonderausstattung vorerst nicht geben.

Die ab der 22. Kalenderwoche gebauten Modelle Q7, A4 und A5 können die Ampel-Signale verstehen. Die Fahrzeuge werden gegen Aufpreis von 350 Euro mit fest verbauter „Audi connect SIM“ ausgestattet. Diese Software soll die bisherigen Fähigkeiten der „connect“-Technik wie Google-Earth-Navigation, Zugang zum Twitterkonto und zu E-Mails deutlich übersteigen und auch deutschen Autofahrern angeboten – allerdings ohne die Ampel-Funktion wie in den USA.

Für deutsche Autofahrer soll der Zusatznutzen zu den bisherigen Funktionen von Connect darin liegen, dass die Fahrzeuge Verkehrshindernisse, widrige Straßenverhältnisse oder geänderte Beschilderungen registrieren und an einen Server senden. Nach einer Probephase, in der die Daten nur gesammelt werden, sollen sie ab dem kommenden Jahr dann an alle entsprechend ausgerüsteten Autos zurückgeschickt werden.

Das Auto, das mit der Ampel spricht: Audi rollt die Technik in neuen Fahrzeugen jetzt aus.
Das Auto, das mit der Ampel spricht: Audi rollt die Technik in neuen Fahrzeugen jetzt aus. © Audi | Audi

Modellversuche in deutschen Städten

„Car2x“ nennt es sich, wenn Autos mit ihrer Umgebung kommunizieren – in Washington und Las Vegas dann auch bald mit den Ampeln. Deutsche Städte: Fehlanzeige. Dabei gab es hier schon erfolgreiche Modellversuche: Bereits 2014 demonstrierte der bayerische Hersteller, wie 700 Ampeln in Berlin mit Autos in Kontakt standen, in Garmisch-Partenkirchen und Ingolstadt liefen ähnliche Versuche.

„Die technische Fähigkeit der Fahrzeuge ist vorhanden und erprobt. Wir haben gezeigt, dass es von der Technik her geht“, sagt Audi-Sprecher Michael Crusius. „Jetzt muss man sich auf gemeinsame Standards einigen.“ Und da liegen noch Probleme: „Wer mit fünf Kommunen in Deutschland spricht, wie die damit umgehen, bekommt fünf Antworten.“

Es fehle in Europa an flächendeckenden einheitlichen Datenstandards und digitaler Infrastruktur. „In Europa ist sehr unterschiedliche Verkehrstechnik im Einsatz, da sich die Infrastruktur lokal und dezentral entwickelt hat“, so Crusius. Loslegen könnte Audi auch in einzelnen Städten in Deutschland schon – will es aber nicht. Punktuelle Lösungen seien nicht erstrebenswert, betont Crusius: „Wir denken, dass das nicht im Sinne der Kundenzufriedenheit wäre, wenn es an einigen wenigen Orten in Deutschland ginge.“ Die flächendeckende Lösung sei nötig.

Städtetag sieht ausreichend Zeit

Der Deutsche Städtetag sieht darin aber kein Versäumnis der Städte. Pilotversuche, an denen sich die Städte gerne beteiligten, gebe es ja auch, um Standards zu entwickeln. Und selbst wenn einzelne Fahrzeuge bereits technisch sehr weit seien: Städtetag-Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy verweist auf den 31. März 2018. Wenn dann E-Call, das automatischen Notrufsystem für Kraftfahrzeuge in allen neuen Modellen Pflicht wird, seien „bei Neuwagen die kommunikativen Voraussetzungen gegeben, die schrittweise zum Entstehen neuer technischer Möglichkeiten führen werden“.

Der Städtetag begrüße es sehr, wenn die Automobilindustrie den Kunden Angebote der Kommunikation zwischen Fahrzeugen und Ampeln machen will. „Diese Kommunikation gehört zu den wichtigsten zu lösenden Fragen für das automatisierte Fahren innerhalb der Städte“, so Dedy. Gelöst werden müsse allerdings auch die Frage, wer für die Mehrkosten aufkomme.

Werner Pfliegl, bei Siemens Experte für die Vernetzung von Fahrzeugen mit Umgebung, sieht noch eine andere Hürde: Deutsche Ampelsteuerungen seien schlichtweg vielfach intelligenter als die sehr oft noch in Festzeit programmierten Ampeln in den USA: „Eine sehr hohe Anzahl von Kreuzungen in Deutschland verfügt über adaptive Steuerungen.“ Das heißt: Grünphasen an den durchoptimierten Ampeln sind abhängig davon, wie viel Verkehr auf welcher Spur unterwegs ist. Hinzu kommen oft Vorrangschaltungen für ÖPNV. Deshalb seien die Zeit von Rest-Grün oder Rest-Rot nur bedingt vorauszuberechnen. Wer das wolle, müsse eventuell eine Verschlechterung der Verkehrssituation hinnehmen. „Es ist weniger die Frage gemeinsamer Standards.“

Weniger Lärm und Abgase, mehr Zeit

Audi macht eine Rechnung auf, dass sich die neue Technik bezahlt machen würde: Zum Gewinn an Zeit und Lebensqualität im Auto und weniger Lärm und Abgasen an den Straßen könnten pro Jahr 900 Millionen Liter Kraftstoff gespart werden, wenn alle 1,5 Millionen Ampeln bereits vernetzt wären, hat der Autobauer errechnet.

Verkehrsleittechnik und kommunizierende Autos bringen aber noch ganz andere Möglichkeiten mit sich: In Kooperation mit Audi entsteht ab dem Herbst ein Parkhaus, das in der Regel kein Mensch mehr betritt. Der Fahrer verlässt sein Auto, das dann selbst einparkt. Autos stehen dort Seit an Seit mit wenigen Zentimetern Abstand, die Fahrbahnen sind deutlich schmaler, das ganze Parkhaus effizienter und platzsparender. Gebaut wird es – in den USA, nahe Boston.