Berlin. Eine Studie zeigt: Deutsche Haushalte zahlen für Strom und Gas zehn Milliarden Euro zu viel im Jahr. Ein Wechsel kann viel Geld sparen.

Die deutschen Verbraucher bleiben bei der Energieversorgung Wechselmuffel und lassen sich dadurch Einsparungen in Höhe von insgesamt zehn Milliarden Euro pro Jahr entgehen. Um diesen Betrag könnten die Strom- und Gasrechnungen der privaten Haushalte niedriger ausfallen, wenn sie vom örtlichen Versorger zu günstigen Strom- und Gasanbietern wechselten. Für den einzelnen Kunden summiert sich das Einsparpotenzial häufig auf viele Hundert Euro pro Jahr.

Wie aus einer Berechnung des Vergleichsportals Verivox für diese Zeitung hervorgeht, würden 36 Millionen Haushalte allein beim Strom zusammen 5,6 Milliarden Euro weniger ausgeben, wenn sie einen günstigen Konkurrenten zu ihrem Versorger in Anspruch nähmen. Am stärksten sind die Unterschiede für Kunden, die sich noch im sogenannten Grundversorgungstarif des örtlichen Stadtwerks oder Regionalversorgers befinden. Das ist bei einem Drittel der deutschen Haushalte der Fall. Sie würden in einem günstigen Tarif 22,5 Prozent weniger zahlen. Bei einem Zwei-Personen-Haushalt mit 2400 Kilowattstunden Verbrauch pro Jahr würde die Rechnung im bundesweiten Schnitt von 766 Euro auf 594 Euro pro Jahr sinken.

Die Berechnungen von Verivox basieren auf den von dem Portal erfassten Tarifen der Anbieter und den jüngsten Daten der Bundesnetzagentur und des Bundeskartellamts über die Tarifwahl der deutschen Haushalte von 2015.

Gaskunden können viel einsparen

Bei Gas sind die Preisunterschiede sogar noch größer: Der Unterschied zwischen dem Grundversorgungstarif, den knapp ein Viertel der Kunden in Anspruch nimmt, und einer günstigen Alternative liegt bei 39 Prozent. Schon bei einem moderaten Gasverbrauch von 15.000 Kilowattstunden pro Jahr würde die Gasrechnung nach einem Wechsel von 1132 Euro auf 691 Euro sinken. Etwas mehr als die Hälfte der privaten Gaskunden ist in einem Sondertarif – aber auch dann können sie ihre Rechnung noch im Schnitt um 25 Prozent drücken. Obwohl nur rund zehn Millionen Haushalte Gas in diesen Tarifen beziehen, summieren sich die jährlichen Einsparmöglichkeiten auf bundesweit 4,4 Milliarden Euro.

Dabei entsprechen die berücksichtigten Tarife alternativer Versorger sogar hohen Standards. So sind in die Analyse ausschließlich Angebote eingeflossen, für die keine Vorauskasse und keine Kaution verlangt werden. Die Kündigungsfrist beträgt maximal sechs Wochen und es muss sowohl eine Preisgarantie als auch eine hohe Zufriedenheit der Kunden vorhanden sein. Tarife zu Kampfpreisen, die aber später zu hohen Kosten führen, sind damit ausgeschlossen. Auch Tarife mit einmaligen Wechsel-Boni sind nicht Teil des Vergleichs. Findige Verbraucher, die sich nicht vor häufigen Wechseln scheuen, können also sogar deutlich mehr sparen.

Preisschere zu neuen Anbietern geht immer weiter auf

Die Preisdifferenz zwischen Grundversorgern und günstigen Alternativen ist in den vergangenen Jahren immer weiter gestiegen. Bei Strom stieg die Ersparnis durch einen Anbieterwechsel in den vergangenen zwei Jahren um rund 20 Prozent. Bei Gas sind die Einsparmöglichkeiten noch deutlicher angewachsen: Die Tarif-Unterschiede wuchsen um fast 40 Prozent.

Ein Grund ist der Preisverfall an den Großhandelsmärkten für Gas. Anbieter, die sich mit zusätzlichen Mengen eindecken, um neue Kunden zu gewinnen, kaufen günstig ein und reichen diesen Preisvorteil weiter, um neue Kunden zu gewinnen. Die Grundversorger hingegen sind zum einen häufig an längerfristige Lieferverträge gebunden, zum anderen zählen sie auf die Trägheit ihrer Kunden, die auch weiterhin nicht zur Konkurrenz wechseln.

Verbraucherschutz rät zu jährlichem Tarif-Check

Verbraucherschützer bestätigen, dass die Privatkunden in Deutschland viel Geld sparen könnten. Christina Wallraf, Energie-Expertin der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, sagte dieser Zeitung, bei Berechnungen für das Bundesland hätten sich „sehr ähnliche Größenordnungen abgezeichnet, zehn Milliarden Euro sind eine realistische Gesamtsumme für Deutschland“. Wallraf empfiehlt den Haushalten, einmal pro Jahr die Energietarife zu überprüfen – was meist nur wenige Minuten dauert. Zeichne sich ab, dass eine erkleckliche Summe eingespart werden könne, sei ein Wechsel ratsam: „Der nimmt dann in der Regel eine halbe Stunde in Anspruch und klappt fast immer ohne Probleme“, sagte Wallraf. Für Haushalte stehen mehrere Hundert Strom- und Gastarife zur Auswahl, die über eine Vielzahl von Internetrechnern verglichen werden können. Oft bietet auch der örtliche Versorger einen günstigeren Preis an, wenn man sich danach erkundigt.

Die Energie-Expertin empfiehlt beim neuen Anbieter auf die Kündigungsfrist zu achten: Diese solle kurz sein und über die Mindestlaufzeit eine Preisgarantie bieten. Von Tarifen mit Vorauskasse oder Kaution rät sie ab. „Das begrenzt das Risiko selbst im Falle einer Pleite des Unternehmens.“ Davor muss man sich aber nicht allzu sehr sorgen: Verbraucher fallen dann gesetzlich geregelt an den Grundversorger, können aus den teuren Tarifen aber schnell wieder zu einem alternativen Anbieter wechseln.