Peking. Chinas Ingenieure wollen mit einem „fahrendem Tunnel“ Staus und Luftverschmutzung bekämpfen. Der Superbus hat aber noch Probleme.

Mancher Autofahrer erschrickt wohl, wenn sich zum ersten Mal plötzlich über ihm der Himmel verdunkelt – und sein Gefährt sowie die benachbarten Autos von einem Riesenfahrzeug verschlungen werden. Sobald dieser „fahrende Tunnel“ überholt hat, ist der Spuk zwar vorbei. Doch bis dahin könnte es bereits zu einem Auffahrunfall gekommen sein.

Transit Elevated Bus, kurz TEB, heißt das seltsame Gefährt. In chinesischen Medien wird er als „fahrender Tunnel“ bezeichnet, in anderen als „Bus auf Stelzen“. Bei diesem Superbus handelt es sich um ein elektrisch angetriebenes Fahrzeug, das mit seinen acht Meter Breite zwei Fahrbahnen überragt und von Autos unten durchfahren werden kann. Die Räder berühren auf speziellen Schienen am Straßenrand den Boden.

Der Clou dahinter: Damit das Gefährt nicht wie andere Autos und Busse auf den notorisch verstopften Straßen der chinesischen Großstädte stecken bleibt, wird es nach oben verlagert und soll über die Staus hinweggleiten. Mitte dieser Woche präsentierte der Hersteller in der nordostchinesischen Stadt Qinhuangdao den Prototypen. Dieser fiel zwar deutlich kleiner aus als angekündigt; in Serie soll dieser Hightech-Bus über 1200 Fahrgäste transportieren können und Tempo 65 erreichen.

So effektiv wie eine U-Bahn, aber viel billiger

Doch auch die „Miniaturausgabe“, wie das Gefährt bei der Präsentation bezeichnet wurde, kann sich sehen lassen. 22 Meter lang ist der Bus, bis zu 300 Menschen passen in den Passagierraum. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 60 Kilometern pro Stunde. Bis zu vier dieser hochschwebenden Superbusse können hintereinander gekoppelt werden. Die von der Firma veranschlagten Kosten pro Fahrzeug liegen bei etwa 30 Millionen Yuan, vier Millionen Euro. „Das System entlastet den Verkehr wie eine U-Bahn“, sagt Projektleiter Bai Zhiming, koste pro Streckenmeter im Vergleich aber nur ein Fünftel, weil es nicht unterirdisch verlegt werden müsse.

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So verrückt dieser gleitende Monsterbus klingt – neue Ideen sind im Stau-geplagten China hoch angesagt. Das Verkehrsaufkommen in den meisten Großstädten hat dramatische Ausmaße angenommen. Allein in der 20-Millionen-Hauptstadt Peking hat sich die Zahl der Autos in den vergangenen acht Jahren auf rund sechs Millionen Fahrzeuge mehr als verdreifacht. Dabei klagten schon im Olympiajahr 2008 viele Pekinger über die ständig verstopften Straßen und die hohe Luftverschmutzung.

Idee wurde in USA 1969 verworfen

Die chinesische Führung hat daher angekündigt, das Chaos in Griff bekommen zu wollen und verspricht, den motorisierten Individualverkehr innerhalb der nächsten vier Jahre um 20 bis 30 Prozent zu reduzieren. Sie fördert vor allem den Umstieg auf die umweltschonendere Elektromobilität. Während sich die deutsche Regierung gerade erst zu kleinen Zuschüssen für den Kauf von Elektroautos durchgerungen hat, subventioniert die Volksrepublik nicht nur schon länger deren Kauf, sondern investiert auch kräftig in Forschung und Infrastruktur.

Der Erfolg lässt sich auf den Straßen beobachten: 330.000 rein batteriegetriebene Fahrzeuge und Plug-in-Hybride, die man an der Steckdose aufladen kann, kamen nach Daten des CAR-Instituts der Uni Duisburg-Essen vergangenes Jahr auf Chinas Straßen. Das war etwa die Hälfte aller weltweit 2015 neu zugelassenen E-Mobile. Der elektrisch betriebene Superbus soll Teil dieser Strategie werden. TEB-Projektleiter Bai Zhiming zufolge könnte ein Hightechbus rund 40 reguläre Busse ersetzen und damit den Schadstoffausstoß um rund 2500 Tonnen Kohlendioxid im Jahr reduzieren.

Die Idee eines solchen Gefährts ist keineswegs neu. Einen ähnlichen Entwurf hatten US-amerikanische Ingenieure bereits 1969 entwickelt. Sie wollten damals die Strecke zwischen Boston, New York, Philadelphia und Washington verbinden. Der sogenannte Landglider wurde aber nie realisiert. Zu aufwendig, zu teuer und zu gefährlich für den Autoverkehr, hieß es. Die Befürchtung damals: Wenn ein herkömmlicher Autofahrer unter einem Superbus reflexartig nach oben schaut und damit den Verkehr vorn nicht mehr im Blick hat, erhöhe das die Unfallgefahr.

Mit scharfen Kurven hat Monsterbus Probleme

Zudem: Die Höhe des Superbusses liegt maximal bei zwei Metern. So manch ein Transportfahrzeug könnte sich verschätzen und versuchen durchzufahren. Nicht nur Tunnels, Brücken und Unterführungen hätten gebaut werden müssen, sondern auch völlig neue Straßen. Denn mit scharfen Kurven hat dieser Monsterbus ebenfalls Probleme.

Und diese scheinen die chinesischen Entwickler auch 48 Jahre später nicht gelöst zu haben. Zwar werden derzeit in ganz China Hunderte neue Stadtteile im Schachbrettmuster angelegt mit geraden und breiten Hauptstraßen. Die bei der Vorstellung des Prototypen angefertigte Teststrecke war dennoch gerade einmal rund 300 Meter lang. „Der Umbau von Kreuzungen wäre zu aufwendig gewesen“, gab Projektleiter Bai bei der Vorstellung Mitte der Woche zu. Vorgesehen war eine Teststrecke von mindestens einem Kilometer. „Die Idee ist zwar gut, aber die realen Probleme sind einfach zu groß“, urteilt Chen Xiaohong, Experte für Verkehrsentwicklung an der Shanghaier Tongji Universität.

Deutschland braucht mehr Vernetzung statt Superbus

TEB-Entwickler Song Youzhou ist dagegen überzeugt davon, dass der Superbus innerhalb der nächsten anderthalb Jahre in den Regelbetrieb gehen könnte. Einige Städte hätten ernsthaftes Interesse bekundet, darunter die Fünf-Millionen-Metropole Shenyang in Nordchina. Den skeptischen Experten Chen überrascht das nicht. „Es ist nicht das erste Mal, dass eine chinesische Großstadt ein verrücktes Verkehrsprojekt errichtet und in den Sand setzt“, sagt er und verweist auf den Transrapid in Shanghai. Mangels Rentabilität hat es diese mit deutscher Unterstützung errichtete Magnetschwebebahn über eine Strecke zum Flughafen nie hinausgeschafft.

Für das rasend wachsende China, das sich im Verkehrskollaps befindet, bleiben Großprojekte wie der Superbus trotzdem verheißungsvoll. „Der Leidensdruck in China ist eben enorm“, sagt Andreas Knies, Professor und Leiter des Berliner Verkehrsinstituts InnoZ. Doch für Deutschland seien derartige Lösungen nicht nötig. „Wir haben ausreichend Bahntrassen und Straßen, auch in Ballungsräumen wie Berlin und dem Ruhrgebiet“, sagt er. Hierzulande gehe es vielmehr darum, die bestehende Struktur intelligent und vernetzt zu nutzen, zum Beispiel durch Carsharing.