Berlin. Künstliche Intelligenz kann für den Menschen Unmögliches schaffen: etwa 10.000 E-Mails pro Stunde abarbeiten. Ein Start-up setzt drauf.

Der Technologieunternehmer Christian Wolf kennt die mühsame manuelle Auswertung von Kunden-E-Mails noch aus eigener Erfahrung. „Mit Strichlisten und Excel-Tabellen“, sagt er. Das ist zeitintensiv und fehleranfällig. Eine Künstliche Intelligenz (KI) kann so etwas nach Aussage von Wolf und seiner Geschäftspartnerin Tina Klüwer extrem viel schneller und zuverlässiger. 2015 gründeten der E-Commerce-Experte und die KI-Forscherin mit einer weiteren Computerlinguistin und einem Softwareentwickler das Berliner Start-up Parlamind.

Gut sind sich häufig wiederholende Anfragen

„Analysetool für Kundenversteher“ nennen die Gründer die von ihnen entwickelte Software, die derzeit von einem Dutzend E-Commerce-Pilotkunden getestet wird. Die KI Parlamind kann bereits Kundenmails verstehen, beispielsweise nach Themen, Produkten oder Häufigkeit sortieren und in Diagrammen visualisieren. Im nächsten Schritt soll das autonome Beantworten von Fragen folgen.

„212 Anliegen versteht Parlamind bereits – zum Beispiel ‚Ist meine Zahlung eingegangen‘ oder ‚Kann ich meine Bestellung noch ändern‘“, sagt Klüwer. Mehr als zwölf Millionen Kundeninteraktionen wurden bisher in der Betaphase verarbeitet. Gedacht ist die Software für die Bearbeitung von eher simplen und sich häufig wiederholenden Anfragen.

Die Betaphase dauert noch bis September

Technisch funktioniert das vereinfacht gesagt so: Verschiedene linguistische Analysen etwa von Wörtern und Satzstrukturen werden mit dem sogenannten Maschinellen Lernen kombiniert. Aus den Ergebnissen der Sprachanalysen kann Parlamind dann intelligente Schlüsse ziehen. Das System kann auch erkennen, wie verärgert ein Kunde ist. Es versteht Schlüsselwörter wie Frechheit oder eine Häufung von Ausrufezeichen. Optisch sieht die von der KI erledigte Arbeit eher unspektakulär aus. Auf dem Bildschirm in Kreisen oder Balkendiagrammen dargestellt werden die ausgewerteten Daten – etwa zu Stornierungen, Gutscheinen oder Rechnungen - in absoluten Zahlen und Prozent. Der Onlinehändler bekommt so einen Überblick, was in seinem Kundenpostfach los ist.

„Über eine Milliarde Euro Marktpotenzial im deutsch- und englischsprachigen Raum“, sieht Geschäftsführer Wolf für Parlamind. E-Commerce sei ein nach wie vor wachsender Markt, in Deutschland um 10 bis 20 Prozent pro Jahr. Damit wird auch der Bereich Kundensupport stetig größer – „und es ist wahnsinnig schwer, den zusätzlichen Bedarf abzufedern“, sagt Wolf. Eine KI hingegen kann „auch 10.000 Kunden in einer Stunde bedienen“. Zwar nutzten viele Großkonzerne bereits ähnliche Systeme, Parlamind richte sich indes an mittelständische Händler, die nicht „eine Million Euro in ein Kundenservice-Tool stecken können“.

Anfrage von diversen Unternehmen

Im September endet die Betaphase, danach soll Parlamind im Abo ab 100 Euro monatlich angeboten werden. Onlinehändler müssen sich nur registrieren und Parlamind via Google-Mail oder Zendesk an ihr Kundenpostfach anschließen. Eine Installation ist nicht nötig. Das System könnte auch für andere Branchen weiterentwickelt werden. Anfragen gab es schon aus der Softwareindustrie, von Telekommunikationsunternehmen und Energieversorgern.

Parlamind startete mit einer Exist-Förderung des Bundeswirtschaftsministeriums und sammelte anschließend Gelder privater Investoren ein. Damit hat das Startup nun ein Budget von 1,5 Millionen Euro.