Berlin. Proben von Lebensmittel-Kontrolleuren zeigen: Onlinehändler verletzen die Kühl-Regeln. Für die Verbraucher ist das kaum zu erkennen.

Es klingt verlockend einfach: Seit Supermärkte den Onlinehandel für sich entdeckt haben, ist das Abendessen nur einige Klicks entfernt, der Großeinkauf muss nicht mehr in den fünften Stock geschleppt werden. Große Ketten wie Rewe und Edeka liefern ebenso nach Hause wie auf Onlinehandel spezialisierte Biohändler, etwa Amorebio.de. Und im Herbst will der Online-Riese Amazon mit seinem Lieferdienst Amazon fresh den deutschen Markt erobern. Der Werbespruch ist überall derselbe: Zur Haustür geliefert ist’s genauso frisch wie aus dem Kühlregal.

Ein kühnes Versprechen – das zeigt nun eine Untersuchung der Kontrollbehörden in Baden-Württemberg. Die Ergebnisse liegen unserer Redaktion vor. Das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt Karlsruhe (CVUA) hat die Lieferung von frischem Fisch und Tiefkühlfisch getestet. Die Experten bestellten fünf frische Fischproben, drei geräucherte und zwei tiefgekühlte Fische. Schon der Transport der Waren ließ dabei nichts Gutes erahnen: Alle Händler verschickten die Ware mit gängigen Paketdiensten ohne spezielle Kühlfahrzeuge. Entsprechend ernüchternd war das Ergebnis.

Fisch kommt beim Kunden verdorben an

Bei acht der zehn Testkäufe traf die Ware mit einer zu hohen Temperatur ein. Teilweise waren in den Paketen zwar Kühlakkus oder Trockeneis vorhanden. Doch laut den Experten reichte dies nicht aus, um die Einhaltung der erforderlichen Lagertemperaturen zu gewährleisten. Eine Probe roch am Ankunftstag so auffällig, dass die Experten sie als verdorben einstuften. Zum Ende des Mindesthaltbarkeitsdatums wiesen einige Proben eine erhöhte Anzahl an Keimen auf.

Das Fazit des Veterinäruntersuchungsamts: Die Mängel zeigen, dass die im Internet bestellten Produkte oft nicht mit der erforderlichen Kühlung beim Verbraucher eintreffen und „daher die Gefahr eines Verderbs mit entsprechenden Gesundheitsrisiken vor dem Ablauf der Haltbarkeitsangaben bestehen kann.“

Ministerium leitet rechtliche Schritte ein

Für die Versandhändler hat das nun Konsequenzen. Sie wurden aufgefordert, ihre Transportsysteme zu verbessern, teilte ein Sprecher des baden-württembergischen Verbraucherschutzministeriums mit. Auch würden rechtliche Schritte eingeleitet. Das Ministerium rät Kunden, Auffälligkeiten an die Behörden zu melden.

Doch es stellt sich die Frage, wie zupackend die zuständigen Veterinärämter der Länder sind. Bereits 2014 machte eine Untersuchung des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit das Problem deutlich. Bei einem Drittel der Testkäufe traf die Ware mit einer zu hohen Temperatur am Bestimmungsort ein.

Dabei sind Hygiene- und Kühlvorschriften für Lieferanten klar: Die Temperatur von Joghurt etwa darf sieben Grad nicht überschreiten, Fisch und Hackfleisch dürfen maximal zwei Grad erreichen, Bananen dürfen nicht kälter als elf Grad angeliefert werden. All das muss gewährleistet sein, bis der Kunde die Tür öffnet.

Verbraucher müssten Temperatur nachmessen

Andernfalls können sich Keime vermehren, warnt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Und bei nicht ausreichend gekühltem Fisch bestehe die Gefahr der Bildung von Histamin, das auch beim Erhitzen des Fisches nicht zerstört werde, warnt Sabine Fromm vom BfR. Eine Histaminvergiftung bedeute Übelkeit, Schwindel, Hautrötungen, Kopfschmerzen.

Doch wer nicht selbst die Temperatur nachmisst, kann den Mangel oft kaum feststellen. Das zeigt auch eine Untersuchung der Zeitschrift „Öko-Test“. Beim Lieferdienst Amorebio.de etwa kamen sowohl das Fleisch als auch der Joghurt um drei Grad zu warm an. Das sah man ihnen nicht an: Beide Produkte seien in Ordnung gewesen, dennoch sei unklar, wie lange die Temperaturen schon erhöht war – das merkt der Kunde erst, wenn das Produkt schon nach kurzer Zeit verdorben ist.