Rio de Janeiro/Berlin. Müssen bald Gerichte entscheiden, ob jeder auf Twitter #Rio2016 schreiben darf? Kontrollpläne des DOSB lösen im Netz Empörung aus.

Aufstand gegen den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) in sozialen Netzwerken: Der DOSB beansprucht für die Olympischen Spiele den Hashtag „#Rio2016“ für sich – und will Nutzern verbieten, ihn zu verwenden. Das Regelwerk lässt sich so lesen, dass der DOSB Firmen sogar untersagen will, „#Sommer“, „#Spiele“, „#Gold“, „#Silber“, „#Bronze“, „#Medaille“ oder „#Podest“ zu schreiben, wenn es eine Verbindung zu den Wettkämpfen gibt. Der Sport-Bund versucht, die Wogen zu glätten, steht damit aber bisher auf verlorenem Posten.

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Von „Wahnsinn zu Olympia“ spricht der Grünen-Politiker Malte Spitz und kritisiert die Zensur. Der Sportverband dagegen will verhindern, dass Unternehmen sich einfach an den Olympiazug hängen, um Werbung für sich zu machen. In einem Tweet stellt der DOSB klar, es gehe nur um „Ambush Marketing“, auf deutsch „Schmarotzermarketing“. Privatpersonen sind von der Regelung nicht betroffen. Dafür aber alle Firmen, die nicht „Olympia-Partner“ sind und die Olympioniken unterstützen, sollen Hashtags benutzen dürfen, die in Verbindung zu den Olympischen Spielen stehen. Medien sind davon nicht betroffen.

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Leitfaden macht die Vorschriften

Anlass für den den Unmut liefert die „Regel 40“ , des „Leitfadens der Deutschen Olympiamannschaft für die Olympischen Spiele Rio 2016“. Spitz ist auf die bereits im Januar veröffentlichte Regel gestoßen. Sie regelt sogar, dass Unternehmen nicht einmal Social-Media-Inhalte mit Olympischem Bezug von den Verbänden oder der Olympischen Olympiamannschaft retweeten oder teilen dürfen. Das stellt Social Media auf den Kopf. Es dürfte aber auch nicht so allumfassend gemeint sein, wie sich der Wortlaut der Regeln lesen lässt.

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In die Empörung mischt sich auch Abneigung gegen den als völlig durchkommerzialisiert empfundenen Verband. Nutzer in den sozialen Netzwerken sehen in den Olympischen Spielen ein gesellschaftliches Ereignis, das allen gehört. Verständnis für die Haltung des DOSB gibt es wenig. Der für Social Media im Sportbund zuständige Mitarbeiter Jens Behler argumentiert auf Twitter: „Die Spiele können nur stattfinden, wenn sie Partner haben. Und die wollen ihre Rechte geschützt sehen.“ Er fragt, ob es fair sei, wenn „Unternehmen, die 0 Euro in den Sport stecken, sich schön im Olympia-Glanz sonnen und davon profitieren“?

Doch es geht um die Unterstützung an der richtigen Stelle: Der Verband verbietet faktisch in seinen Richtlinien auch Sponsoren der Athleten, mit ihren Sportlern zu werben oder sie auch nur in Social-Media-Aktivitäten einzubinden. Wer das doch will, hätte seine werblichen Aktivitäten bereits mindestens drei Monate vor den Spielen veröffentlichen müssen. Die „Anmeldefrist für Social-Media-Aktivitäten“ ist am 6. April 2016 ausgelaufen.

Faktisch geht es eher um groben Missbrauch

Ein Insider sagte unserer Redaktion, der DOSB habe kein Interesse, massenhaft gegen Unternehmen und spontane Reaktionen vorzugehen. Es gehe eher darum, ein Instrument gegen gezielte Kampagnen zu haben. Auch wenn der DOSB davon spricht, dass die Regeln selbst für den Dorfbäcker gelten: Die Regeln zielten vor allem auf große Werbepartner von Athleten ab. Puma etwa hatte sich 1996 auf Kontaktlinsen von Linford Christie in die Spiele von Atlanta geschmuggelt. Der Fall gilt als Musterbeispiel von Schmarotzer-Marketing. Unternehmen verlagern ihre Aktivitäten aber in die Sozialen Netzwerke, die Verbände versuchen, auch hier gegenzusteuern.

2012 gab es einschränkende Werberegeln auch: Begriffe wie „olympisch“ oder „Olympische Spiele“/„Olympic Games“ dürfen in Postings, Blogs und Tweets verwendet werden, vorausgesetzt es wird keine kommerzielle Verbindung zu Dritten oder den Produkten oder Dienstleistungen von Dritten hergestellt. Von Hashtags war noch keine Rede. Auch bei Sotschi 2014 sahen die Regeln Einschränkungen für Hashtags noch nicht vor. Die Wortmarke sei aber jeweils schon geschützt gewesen – was auch Folgen für Tweets haben könnte.

So hat sich der europäische Fußballverband Uefa die Marke „Euro2016“ schützen lassen. Der auf Marketing und Social Media spezialisierte Rechtsanwalt Thomas Schwenke erläuterte in einem Blogbeitrag, dass deshalb dieser Hashtag eigentlich nicht verwendet werden dürfe, wenn im Tweet Leistungen eines Unternehmens beworben würden. Er schränkte aber ein: „Ich denke, dass die Nutzung von „#EURO2016“ als Hashtag nur bei sehr deutlichen Verstößen von der UEFA geahndet wird.“ Im anderen Fall werde der Hashtag sonst schlicht weniger genutzt, was sicher auch nicht gewollt sei. Rechtsstreitigkeiten um Hashtag-Nutzung während der Europameisterschaft wurden auch nicht bekannt.

Olympischer Sportbund hat eigenes Gesetz

Die Olympioniken genießen durch ein eigenes Gesetz noch weitreichenderen Schutz als durch das Marken- und Urheberrecht geregelt. Der DOSB kann demnach auf der Grundlage des Olympia-Schutzgesetzes Unterlassung und Schadensersatz verlangen, wenn Firmen unter Verstoß gegen das Gesetz das olympische Emblem oder die olympischen Bezeichnungen benutzen. Der Bundesgerichtshof entschied aber auch in einem Urteil 2014, dass das Olympia-Schutzgesetz sogar die Benutzung der olympischen Bezeichnungen als Angabe über Merkmale oder Eigenschaften von Waren oder Dienstleistungen ausdrücklich zulässt, wenn die Benutzung nicht unlauter ist. In dem Streit war es um die Verwendung der Begriffe „Olympische Preise“ und Olympia-Rabatt“ gegangen.