FRANKFURT/MAIN. Immer weniger Bankfilialen, immer weitere Wege für Offline-Kunden: Die Geldhäuser brauchen Konzepte für die Zukunft. Es gibt sie schon.

Lange galt Deutschland als „overbanked“: An fast jeder Ecke gab es eine Bank oder Sparkasse. Inzwischen sinkt die Zahl der Filialen rapide – über alle drei Säulen des deutschen Bankensystems hinweg.

Das hat zwei Gründe: Zum einen haben die Kunden ihr Verhalten verändert. „Fast die Hälfte unserer Kunden kommen nur noch einmal pro Jahr in die Filiale“, erklärte der inzwischen abgetretene Co-Chef der Deutschen Bank, Jürgen Fitschen, im Mai. Vor allem die unter 30-Jährigen schauten auf das Digitalangebot einer Bank. Daneben stehen die Geldhäuser aber auch unter einem hohen Kostendruck.

Filialnetz wird immer dünner

„Mit klassischen Spareinlagen machen Banken im Moment nur noch Verluste“, sagt Hans-Peter Burghof, Professor für Bankwirtschaft an der Universität Hohenheim. „Das heißt, die Wirtschaftlichkeit wird erheblich infrage gestellt.“

So schließt die Deutsche Bank 188 Filialen, ein Viertel ihres Bestands, die Genossenschaftsbanken reduzieren ebenfalls: Ende 2015 gab es noch 1021 Institute mit 12.260 Bankstellen, gut 500 weniger Filialen als ein Jahr zuvor. Und auch die Sparkassen streichen zusammen: Genau 14.451 Geschäftsstellen gab es noch Ende 2015 – gut 400 weniger als ein Jahr zuvor.

„Ein Spagat – so breit wie möglich“

Das Filialnetz werde man straffen und neu ausrichten müssen, sagt Georg Fahrenschon, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands. Zwar sei es Aufgabe der Sparkassen, im Geschäftsgebiet ihres Trägers Finanzdienstleistungen für alle anzubieten, erklärt DSGV-Sprecherin Michaela Roth, allerdings müsse sich das rechnen. Die Sparkassen erhielten für diese Aufgabe keine öffentlichen Gelder: „Das ist ein Spagat, den die Institute machen müssen. Der sollte aber so breit wie möglich ausfallen“, sagt sie.

Zuschüsse gibt es also nicht, aber die öffentlichen Träger müssten im Notfall Lücken stopfen, wenn es zu finanziellen Schieflagen käme. „Wenn eine Sparkasse in Not kommt, wird sie eher mit der benachbarten Sparkasse fusioniert und saniert, als dass man Steuergelder oder Finanzhilfen der Trägerkommune in Anspruch nimmt“, sagt Bernd Nolte, Sparkassenexperte der Bankenberatung 4P Consulting.

Die Zukunft liegt in der Fläche

Sparkassen wie auch Genossenschaftsbanken wollen in der Fläche präsent sein. Unter „flächendeckend“ verstehen die Sparkassen nicht mehr nur die Grundversorgung über ein Filialnetz. Man wolle die persönliche Beziehung zum Kunden durch digitale Angebote stärken, sagt DSGV-Präsident Fahrenschon.

Kunden sollen gerade in strukturschwachen Gebieten ihre Bankgeschäfte weitgehend online erledigen. Davor scheuten sich aber gerade viele ältere Menschen, sie vertrauten bei Geldüberweisungen den Angestellten einer Filiale mehr als dem Netz, weiß Sparkassenexperte Nolte: „Selbst bei Barabhebungen ziehen viele Ältere eine persönliche Auszahlung an der Kasse einer Automatenabhebung vor.“

Persönlicher Kontakt gefragt

Wird dieser Trend so weitergehen? Werden die Banken also künftig nur noch digital oder über Automaten erreichbar sein? „Der Tod der Filialen ist nicht vorprogrammiert“, sagt Bankenprofessor Burghof. „Es gibt viele Bankgeschäfte, bei denen man gern noch ein Gegenüber hat“, etwa komplexere Wohnungsbaufinanzierungen für den Privatkunden oder die Beratung mittelständischer Geschäftskunden. Burghof verweist auf die starke Regulierung der Aufsichtsbehörden im Kontakt zwischen Banken und Kunden: „Die macht es schwer, noch konventionelle Bankdienstleistungen anzubieten.“

Es komme aber auch auf die Art der Geschäfte an, meint Sparkassenexperte Nolte. Da müsse man verschiedene Bankdienstleistungen unterscheiden: die Bargeldversorgung, die klassische Bankberatung und die komplexere Spezialberatung. Oft fehle es an Kreativität für mögliche Lösungen. Einige Sparkassen bieten ihren Kunden zum Beispiel an, etwa beim Bäcker oder Metzger Geld abheben zu können.

Mit dem Taxi oder der Nachbarin zur Filiale

Wer andere Bankdienstleistungen benötigt, für den könnte man auch einen Fahrdienst zur nächsten Filiale organisieren, erklärt Nolte – und den könnten die Sparkassen sogar bezahlen. Er schlägt dazu ein Punktesystem vor: Der Kunde erhält eine Art „Block“, von dem er Marken für die Fahrten abreißt und damit einen Taxifahrer oder die nette Nachbarin „bezahlt“. Die können sich die Punkte einzeln oder gesammelt auszahlen oder gutschreiben lassen. „Das ist kostengünstiger, als eine Filiale aufrechtzuerhalten“, sagt Nolte. Voraussetzung sei eben, ein gewisses Maß an Kreativität zuzulassen.

Diese und die Bereitschaft, intelligent auf Kundenwünsche einzugehen, vermisse er jedoch bei vielen Sparkassen. Die Kunden seien meist viel flexibler und offener, als sich dies viele Sparkassendirektoren vorstellen könnten. Eine weitere Idee Noltes: Man könne auch die Öffnungszeiten variieren. Dann sei ein Filialteam in der Lage, mehrere Geschäftsstellen zu bedienen.