Berlin. Investor Midea hält nun die große Mehrheit am Augsburger Roboterbauer Kuka. Die EU-Kommission warnt vor Know-how-Abfluss nach China.

Von den Mitarbeitern wird die Halle bisweilen halb spöttisch, halb ehrfürchtig „Jurassic Park“ genannt. In Daimlers größtem Werk in Sindelfingen arbeiten kaum noch Menschen im Karosseriebau. Stattdessen geben die orangefarbenen Kuka-Roboter den Takt an. Sie schweißen, löten, messen, rund um die Uhr. An manchen Stellen beugt sich blitzschnell ein ganzes Rudel von Robotern über eine halbfertige Karosserie – das erinnert an hungrige Dinosaurier, die sich auf ihre Beute stürzen.

Der Roboter in Signalfarbe und mit Greifarm ist Markenzeichen und wichtigstes Produkt der Augsburger Roboterfirma Kuka. Die ist, wie am Mittwoch bekannt wurde, nun fest in chinesischer Hand. Fast drei Viertel der Kuka-Aktionäre verkauften ihre Anteile an den asiatischen Hausgeräte-Konzern Midea, der einen verlockend hohen Aufpreis auf die Anteile geboten hatte. Nun halten die Chinesen mitsamt der eigenen Anteile 86 Prozent. Wegen einer Nachfrist könnten die Anteile sogar noch steigen.

Sigmar Gabriel warb für Alternativen

Als Midea Mitte Mai ankündigte, Kuka übernehmen zu wollen, war schnell vom Ausverkauf der deutschen Wirtschaft die Rede. Sogar Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) schaltete sich ein, warb für alternative Angebote aus Deutschland und Europa, führte Gespräche mit Firmenvertretern und betonte, Deutsche und europäische Firmen stünden Konkurrenten gegenüber, die massiv staatlich gestützt würden.

Doch am Ende fand sich im Übernahmepoker kein deutscher Investor – im Gegenteil: Die beiden deutschen Kuka-Großaktionäre, der Voith-Konzern aus Baden-Württemberg und der Unternehmer Friedhelm Loh aus Hessen verkauften an Midea, ebenso wie Kuka-Manager und viele Kleinaktionäre. „Die Aktionäre sind dem Ruf des Geldes gefolgt“, sagte Augsburgs IG-Metall-Chef Michael Leppek.

Um so wichtiger war es, dass der Kuka-Vorstand nun einen Investorenvertrag mit Midea inklusive einer Beschäftigungsgarantie abgeschlossen hat. Die Vereinbarung garantiert bis Ende des Jahres 2023 nicht nur alle 12.300 Arbeitsplätze bei Kuka, davon etwa 3500 am Unternehmenssitz in Augsburg. Der Vorstand des Unternehmens bleibt auch autonom, insbesondere das Know-how und die Geschäftsdaten sind geschützt. „Wir bleiben deutsch“, betont Vorstandschef Till Reuter.

EU-Kommissar sorgt sich um Standort

Midea, nach eigenen Angaben der größte Haushaltsgeräte-Hersteller der Welt, will mit Kuka auf dem chinesischen Roboter-Markt stärker Fuß fassen. Auch dessen Wissen im Bereich Krankenhauslogistik könnte das eigene Geschäft beleben.

Die Europäische Kommission will genau beobachten, ob die Chinesen ihre Versprechen, Kuka seine Unabhängigkeit zu belassen, auch einlösen, machte EU-Digitalkommissar Günther Oettinger im Gespräch mit unserer Redaktion klar. Die öffentlich-private Partnerschaft (ÖPP) im Bereich Robotik, die mit 100 Millionen Euro aus dem EU-Haushalt finanziert werde, lebe davon, dass Forschung, Entwicklung und das Know-How in Deutschland und Europa blieben. „Ich mache mir Sorgen, ob auf Dauer diese qualifizierte Forschung und Entwicklung in Augsburg bleibt“, sagte Oettinger. Wenn die Forschung verlagert werde und der Eindruck entstehe, „wir finanzieren aus unserem Haushalt ein Projekt, das dem Standort China zu Gute kommt, dann müssen wir unsere Beziehung überprüfen“, drohte Oettinger. Die EU-Kommission müsse dann überlegen, ob Kuka weiterhin ein führendes Mitglied der ÖPP sein könne.

Flop um Flughafen Hahn ist die Ausnahme

Chinas aufstrebende Konzerne sind in Deutschland schon bei vielen Unternehmen eingestiegen: So etwa im Frühjahr beim angeschlagenen Maschinenbauer Manz und beim Müllverbrennungsspezialisten EEW Energy. Der Spezialmaschinenbauer KraussMaffei wurde im Januar 2016 vom größten Chemiekonzern Chinas ChemChina gekauft. ThyssenKrupp schloss 2013 den Verkauf seiner Tochter Tailored Blanks an den Stahlkonzern Wuhan Iron and Steel ab. Auch der Betonpumpen-Hersteller Putzmeister ist seit Jahren in chinesischer Hand.

Indes: Von Einzelfällen abgesehen wie dem jüngst gescheiterten Verkauf des Flughafens Frankfurt-Hahn an chinesische Blender ist die Erfahrung mit Investoren aus China gut. Weder kaufen sie reihenweise Unternehmen auf, die Kuka-Übernahme ist das bislang größte Geschäft. Noch werden die deutschen Firmen routinemäßig geplündert. Cora Jungbluth, Wirtschafts-Expertin der Bertelsmann-Stiftung, hält „viele Vorbehalte gegen chinesische Investoren für unbegründet“. Statt Jobs abzubauen und Know-how nach China zu transferieren würde sogar oft zusätzlich in die deutschen Standorte investiert. Dadurch entstünden hierzulande zusätzliche Arbeitsplätze.