New York. Volkswagen drohen in der Abgasaffäre neue Anklagen in den USA. Deshalb legt der Autokonzern nun weitere 2,2 Milliarden Euro zurück.

Neues Ungemach für VW in der Abgasaffäre: Ungeachtet eines bereits ausgehandelten Milliarden-Vergleichs haben mehrere US-Bundesstaaten am Dienstag Klagen gegen VW angekündigt und erhebliche Vorwürfe auch gegen das Top-Management erhoben. Allein in den drei Bundesstaaten Maryland, New York und Massachusetts waren den Angaben zufolge fast 53.000 Fahrzeuge betroffen.

Die Manipulation mit einer speziellen Software sei auf höchster Ebene geplant und genehmigt gewesen, auch der damalige Vorstandschef Martin Winterkorn sei beteiligt gewesen, heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung der Generalstaatsanwälte von New York, Maryland und Massachusetts, Eric Schneiderman, Brian Frosh und Maura Healey vom Dienstag. Ein Sprecher des New Yorker Generalstaatsanwalts sagte, allein im Staat New York seien der neuen Klage zufolge Strafen für VW in Höhe von 500 Millionen US-Dollar möglich.

Aufgrund des anhaltenden Rechtstreits muss VW nun weitere 2,2 Milliarden Euro zur Seite legen. Im ersten Halbjahr sank der Gewinn vor Zinsen und Steuern binnen Jahresfrist um 22 Prozent auf 5,3 Milliarden Euro, wie aus einer Mitteilung vom Mittwoch über vorläufige Eckzahlen hervorgeht. Darin enthalten seien „negative Sondereinflüsse in Höhe von 2,2 Milliarden Euro“, die Volkswagen mit rechtlichen Risiken erklärte, „die im Wesentlichen auf Nordamerika entfallen“.

Abgasaffäre reduziert die Gewinne

Ohne diesen Dämpfer wäre der Halbjahresgewinn aus dem laufenden Geschäft auf 7,5 Milliarden Euro geklettert. Damit hätte sich bei den operativen Erträgen ohne die Abgas-Affäre ein Plus von rund 7 Prozent ergeben. Vor allem die VW-Kernmarke habe sich nach einem schwachen Startquartal erholt, teilte der Konzern mit.

Volkswagen hatte seine Rückstellungen wegen des Dieselskandals unlängst bereits auf 16,2 Milliarden Euro aufgestockt. Allein der jüngst mit US-Behörden und Privatklägern vereinbarte Vergleich verschlingt umgerechnet bis zu 13,8 Milliarden Euro.

Klageschrift erwähnt einen „H. Müller“

In den neuen Klageschriften in den USA wird erstmals auch eine Teilmitwisserschaft Winterkorns Nachfolger im Amt des Vorstandsvorsitzenden, Matthias Müller, genannt. So ist in dem Schriftstück von einem „H. Müller“ die Rede, der bereits 2006 in seiner Funktion als Projektmanager bei Audi zu Kenntnissen über die Diesel-Problematik gelangt sein soll. Ein weiterer leitender Audi-Mitarbeiter habe die Bezeichnung „H. Müller“ dem heutigen Volkswagen-Vorstandschef zugeordnet. Ein Volkswagen-Sprecher wies die Vorwürfe am Dienstag als unbegründet zurück.

Auch der aktuelle VW-Chef Matthias Müller soll von der Manipulation von Abgaswerten gewusst haben.
Auch der aktuelle VW-Chef Matthias Müller soll von der Manipulation von Abgaswerten gewusst haben. © dpa | Uli Deck

Volkswagen bezeichnet die Vorwürfe als „im Wesentlichen nicht neu“. Der Sprecher erklärte: „Wir haben sie in unseren Diskussionen mit den US-Behörden – auf nationaler Ebene und auf Ebene der Bundesstaaten – bereits adressiert.“ Volkswagen kooperiere mit den US-Behörden.

Klage gegen VW wegen Zerstörung von Beweismitteln

Bisher habe Volkswagen zugestimmt, betroffene 2,0-Liter Turbodiesel-Fahrzeuge zurückzukaufen oder anzupassen, einen 2,7 Milliarden Dollar schweren Fonds zur Finanzierung von Umweltausgleichsmaßnahmen im Interesse aller 50 Bundesstaaten aufzusetzen und zwei Milliarden Dollar in Initiativen zur Förderung der Nutzung von Null-Emissions-Fahrzeugen in den USA zu investieren.

„Es ist bedauerlich, dass ein paar Staaten entschieden haben, jetzt Umweltschutzklagen zu erheben, ungeachtet ihrer früheren Unterstützung des laufenden gemeinschaftlichen Verfahrens der Staaten“, sagte der Volkswagen-Sprecher. Die Klagen richten sich gegen die Volkswagen AG, die Audi AG und die Porsche AG sowie die jeweiligen US-Ableger der Firmen. Einer der Vorwürfe lautet auch auf die Zerstörung wichtiger Beweismittel. Mehrere VW-Mitarbeiter hätten einem Tipp von einem Hausjuristen folgend die Beweise geschreddert.

Missachtung der öffentlichen Gesundheit

Marylands Generalstaatsanwalt Brian Frosh warf VW die wissentliche Verschmutzung der Luft seines Staates vor. „Ihre Missachtung der Gesundheit unserer Einwohner und ihre Missachtung unserer Umwelt muss bestraft werden“, heißt es in einem Statement Froshs. Die Luftqualität in Maryland habe sich über Jahrzehnte verbessert. „Wir lassen uns das nicht mit schmutzigen Tricks von Volkswagen kaputtmachen“, sagte Frosh.

Froshs New Yorker Kollege Schneiderman warf Volkswagen „systematischen und kalkulierten Rechtsbruch“ sowie „tiefe unternehmerische Arroganz“ bei der Aufarbeitung der Vorfälle vor. „Das sollte auf jeder Vorstandsetage als Warnsignal gehört werden: Wir werden mit der ganzen Härte des Gesetzes die härtestmöglichen Sanktionen anstreben, um unsere Menschen zu schützen.“

Neben den USA droht VW weiteres Ungemach aus Spanien. Die spanische Verbraucherschutzorganisation OCU hat wegen des Abgasskandals eine Sammelklage gegen den deutschen Autobauer eingereicht. Die Klage sei beim Handelsgericht in Madrid eingegangen, teilte OCU am Dienstag mit. Rund 4000 vom Skandal betroffene Menschen hätten sich bereits der Schadenersatzforderung angeschlossen. (dpa/rtr)