Berlin. Künftig müssen Elektronikgeschäfte alte Elektrogeräte annehmen. Dem Handel gefällt das nicht. Er kritisiert die komplizierten Regeln.

Die Zahl übersteigt so manche Vorstellungskraft: Rund 42 Millionen Tonnen Elektroschrott fallen weltweit jährlich an. Auch wenn man es von den ordnungsliebenden Deutschen erwarten würde – geht es um das korrekte Entsorgen von Elektromüll, so gilt Deutschland keineswegs als Musterland. Nach Angaben der Deutschen Umwelthilfe wurden 2014 ungefähr 1,7 Millionen Tonnen neue Elektrogeräte in den Verkehr gebracht. Doch nur etwa 40 Prozent davon haben die Nutzer auch zu den dafür vorgesehenen Sammelstellen gebracht. Der Rest landet meist dort, wo er nicht hingehört – im Hausmüll.

Jetzt soll das Elektro- und Elektronikgerätegesetz die Lust am Recyceln erhöhen. Ab dem 24. Juli sind nun, nach einer mehrmonatigen Übergangsfrist, alle großen Elektronikgeschäfte dazu verpflichtet, den umweltschädlichen Schrott zu sammeln. So sollen sich Verbraucher den Weg zum nächsten Wertstoffhof sparen. Doch weil große Händler wie Media Markt und Saturn ohnehin schon Altgeräte annehmen – zusätzlich zu den kommunalen Sammelstellen –, bezweifeln Kritiker, dass sich die Sammelquote wesentlich erhöhen wird.

Welche Händler müssen alte Elektrogeräte annehmen?

Künftig müssen große Geschäfte mit einer Verkaufsfläche für Elektrogeräte von mindestens 400 Quadratmetern alte Elektroaltgeräte annehmen. Dazu gehören alle Produkte, die über Stromkabel oder Batterie betrieben werden. Kleine Geräte, wie Handys oder Radiowecker, mit einer Kantenlänge von bis zu 25 Zentimetern, müssen die Händler kostenlos annehmen, auch wenn der Kunde kein neues Gerät kauft. Bei Kühlschränken oder Waschmaschinen hingegen muss der Händler nur beim Kauf eines neuen Gerätes das alte entsorgen. Die Webseite der Stiftung Elektro-Altgeräte Register listet ein Verzeichnis aller Sammel- und Rücknahmestellen auf. Umweltverbände hatten im Vorfeld kritisiert, dass Discounter, wie etwa Aldi oder Lidl, nicht dazu verpflichtet wurden, Elektroschrott anzunehmen – obwohl sie vielfach Elektroware im Sortiment haben.

Sind Onlinehändler auch in der Pflicht?

Die Rücknahmepflicht gilt auch für Onlinehändler mit einer Mindestfläche von 400 Quadratmetern Lager- und Versandfläche. Der Onlinehändler muss dem Verbraucher eine Rückgabemöglichkeit in „zumutbarer Entfernung“ ermöglichen. Sie dürfen nicht einfach nur auf die nächste kommunale Sammelstelle verweisen, sondern müssen ein eigenes Rücknahmesystem organisieren. Dazu kann auch der kostenlosen Versand des Altgerätes an einen Recyclingspezialisten zählen. Amazon etwa kooperiert bereits mit DHL. Der Dienst „electroreturn“ der Deutschen Post stellt Rücksendeetiketten zum Herunterladen und Ausdrucken bereit. Der Schrott wird dann direkt an das Recyclingunternehmen Alba gesendet.

Der Präsident des Bundesverbands Onlinehandel, Oliver Prothmann, kritisiert das Gesetz als zu komplex und ungenau formuliert. So sei das Elektroaltgerät möglicherweise als Gefahrgut einzustufen und müsse von einem Paketdienstleister mit entsprechenden Genehmigungen transportiert werden.

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) will das allerdings nicht gelten lassen: „Mit allen Beteiligten haben wir die konkrete Umsetzung lange und intensiv diskutiert“, sagte sie dieser Redaktion. Insofern könne sie kaum nachvollziehen, dass der Onlinehandel immer noch Probleme mit der Rücknahmepflicht hat.

Der Bundestagsabgeordnete der Grünen, Peter Meiwald, sieht außerdem beim Transport von kaputten Geräten mit Lithium-Ionen-Akkus ein Problem. Beim Postversand herrsche das Risiko, dass die Geräte Brände auslösen können. „Grundsätzlich sollten die Batterien aus den Geräten entnommen werden, sofern sie nicht im Altgerät fest umschlossen sind“, rät ein Sprecher des Umweltministeriums. Der Leiter der Rechtsabteilung vom Bundesverband E-Commerce und Versandhandel, Sebastian Schulz, bezweifelt allerdings, dass jeder Verbraucher informiert ist: „Wir brauchen nicht lange warten, bis ein Postauto in Flammen steht.“

Warum ist die Entsorgung von Elektroschrott ein Problem?

Elektroschrott enthält Stoffe, die für die Gesundheit und die Umwelt enorm schädlich sein können. Andererseits stecken in den Geräten auch wertvolle Rohstoffe wie Kupfer, Aluminium oder Gold. In einem Handy etwa sind 25 Milligramm dieses Edelmetalls verarbeitet. Der Handel mit dem Schrott ist lukrativ. Eine Untersuchung von Interpol ergab, dass jährlich 1,3 Millionen Tonnen Elektroschrott undokumentiert aus Europa exportiert werden. In Afrika, Ghana oder Indien sind ganze Regionen verseucht mit Schrottbergen, auf denen sich alte Kühlschränke oder Mikrowellengeräte stapeln. Mit schweren Folgen für die Umwelt und Gesundheit. Beispiel Ghana: Auf der Mülldeponie in Ghanas Hauptstadt Accra liegt die mit über 1600 Hektar größte Elektroschrottdeponie Afrikas. Im angrenzenden Slum zertrümmern und verbrennen die Menschen die Geräte, um mit den Resten ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Die traurige Folge: Im Schnitt haben die Menschen dort eine Lebenserwartung von 40 Jahren.