Brüssel. Brüssel greift erneut in die Preiskrise ein und stützt Europas Landwirt. Dennoch steht die Lösung des Problems auch weiterhin aus.

Deutsche Milchbauern sollen erneut finanzielle Hilfe von der EU erhalten. Am kommenden Montag werde beim Treffen der EU-Agrarminister ein europaweites Maßnahmenpaket vorgestellt, sagte Agrarkommissar Phil Hogan am Freitag in Brüssel. Dort sprach er mit dem Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU) und den Ländervertretern über die angespannte Situation auf dem Milchmarkt. Ein geplantes gemeinsames Positionspapier der Bundesländer kam nicht zustande. Rheinland-Pfalz habe sich gegen das Papier ausgesprochen, mit dem die anderen Ressortchefs eine verpflichtende Senkung der Milchmenge fordern wollten, erklärte Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister Till Backhaus (SPD) als Vorsitzender der Agrarministerkonferenz am Freitagabend. Das Land habe mit dieser Haltung allein gestanden.

Seit die EU vergangenes Jahr die Milchquote aufgehoben hat, ist die Produktion derart angestiegen, dass die Landwirte hierzulande gegenwärtig noch um die 20 Cent für einen Liter erhalten – das sind rund 15 Cents zu wenig, um die Kosten zu decken. Die unter den Prognosen gebliebene Nachfrage in China und der Lieferstopp nach Russland im Zuge der Wirtschaftssanktionen taten das ihrige.

Fünf Prozent der Betriebe innerhalb eines Jahres geschlossen

Als Konsequenz haben rund fünf Prozent der 75.000 deutschen Betriebe seit vergangenem Jahr dichtgemacht, Tausende sind in ihrer Existenz bedroht. Eigentlich, da sind sich alle einig, gibt es nur einen Weg aus der ruinösen Situation: Die produzierte Milchmenge muss sinken, damit die Preise steigen können. Doch wie dieses Ziel erreicht werden soll, darüber gehen die Meinungen weiter auseinander.

Im April hatten die Länderagrarminister eine verbindliche Reduzierung der Milchmenge vorgeschlagen. Bundesminister Schmidt und EU-Kommissar Hogan möchten es aber erst mit einer freiwilligen Branchenlösung versuchen. Schmidt sagte: „Ich halte verordnete Mengenreduzierung im Moment für verfrüht.“ Für ihn kommt die Wiedereinführung einer Milchquote nicht infrage. „Es kann nicht der Staat bestimmen, wer wie viel produziert.“

Hogan sieht das ebenso: „Milchquoten sind Geschichte – und zwar für immer.“ Die Bauern möchte man dennoch nicht alleinelassen. Liquiditätshilfen sollen fließen, bis sich der Markt erholt hat. Es wäre das dritte Hilfsprogramm innerhalb eines Jahres. Im Herbst gab die EU 500 Millionen Euro Soforthilfe für die Milchwirtschaft.

Enttäuschung über das Veto aus Rheinland-Pfalz

Im Frühjahr wurde nachgelegt: Butter und Milchpulver können seitdem auf Staatskosten eingelagert werden. CSU-Minister Schmidt möchte, dass die EU-Minister am Montag Nägel mit Köpfen machen: „Es muss Geld für Liquidität aus Brüssel fließen. Ich bin bereit, dieses mit Bundesmitteln aufzustocken.“ Vorstellbar wären Darlehen an die Bauern, die an die Mengendisziplin, also die Beibehaltung oder Reduktion der Produktion, gekoppelt wären. Schmidt hatte zusammen mit seinem französischen Kollegen Stéphane Le Foll und Krzysztof Jurgiel (Polen) vor drei Wochen in Warschau einen solchen Vorschlag erarbeitet. Auch steuerliche Entlastungen stellt der Bundesagrarminister zur Diskussion.

Bayerns Landwirtschaftsminister Helmut Brunner (CSU) wies darauf hin, dass die EU-Kommission noch keine Einzelheiten genannt habe. Bayern fordert, dass Brüssel eine Milliarde Euro zur Verfügung stellt, „um die Marktsituation zu entschärfen und eine positive Preisentwicklung anzustoßen“, wie Brunner sagte.

Niedersachsen Agrarminister Christian Meyer (Grüne) zeigte sich nach der Konferenz von den Ergebnissen enttäuscht. „Es ist sehr betrüblich, dass offenbar immer noch nicht alle Bundesländer den Ernst der Lage erkannt und sich einem deutlichen Signal verwehrt haben“, sagte er mit Blick auf Rheinland-Pfalz. Es brauche eine zeitlich befristete, entschädigungslose Mengenreduzierung. Meyer bekräftigte: „Es ist zu viel Milch auf dem Markt. Die Menge muss runter. Nur so haben wir eine Chance, dass die Erzeugerpreise wieder steigen. Und nur so können wir viele unserer Milchbauern vor dem Ruin bewahren.“ (mit dpa)