Berlin. Fintechs und IT-Probleme: Deutschlands große Geschäftsbanken kämpfen um Kunden im Netz. Das gelingt jedoch nicht allen gleich gut.

Persönliche Daten am Rechner eingeben, E-Mail eintippen, Produkt „Girokonto“ auswählen. Prompt meldet sich ein Bankmitarbeiter per Video, prüft Ausweis und Unterschrift. Und nach wenigen Minuten ist der Kunde Besitzer eines voll funktionsfähigen Girokontos – Schufa geprüft und an die Bankenaufsicht Bafin gemeldet. Der Vorgang läuft papierlos, so verspricht es die Commerzbank, die mit ihrer digitalen Kontoeröffnung so ein Angebot kürzlich als erste große deutsche Geschäftsbank freigeschaltet hat.

Was für Kunden eines Onlinehändlers wie Amazon oder Zalando seit Jahren normal ist, ist für eine Bank wie die Commerzbank eine Revolution. „Es ist der erste Schritt dahin, an der Onlinevermarktung teilzunehmen“, sagt Ole Franke, Privatkundendigitalchef der Commerzbank. Das Institut, das sich nach der Finanzkrise als stark kundenorientierte Bank neu erfunden hat, drängt mit Macht ins Digitalgeschäft.

Online soll es vor allem bequem und schnell sein

Verständlich. 70 Prozent der deutschen Verbraucher nutzen heutzutage Onlinebanking, und jeder dritte davon geht nicht mehr in die Filiale, wie eine aktuelle Umfrage des IT-Verbands Bitkom ergab. Wenn Banken also ihre Kunden treffen und halten wollen, müssen sie im Netz sehr gut vertreten sein. Banken wie die Berliner Deutsche Kreditbank DKB sparen sich seit Jahren den Filialbetrieb und sind ausschließlich online unterwegs. Und ein Kontoeröffnungsangebot wie das der Commerzbank gibt es bei der DKB auch schon. Im Vergleich zu den Frankfurtern sind die Berliner allerdings deutlich kleiner.

„Digitalaffine Kundengruppen erwarten von ihrer Bank mittlerweile ein hohes Maß an digitalen Angeboten“, sagt Sandra Ficht, die sich mit dem Thema bei der Wirtschaftsberatung Capgemini Consulting beschäftigt. Und diese Kundengruppen erwarten, dass sie etwas über das Netz abschließen können, ohne das Medium wechseln zu müssen. Und natürlich soll es schnell gehen.

Verbraucher vertrauen Online-Angeboten nicht

Aufgemischt wird die Branche von jungen Finanzunternehmen, den Fintechs, die das Bankgeschäft radikal vereinfachen wollen, allerdings meist in einer Nische. Etwa das Berliner Unternehmen Number26, bei dem man Girokonten eben auch online eröffnen kann. Oder Bux, eine App, mit der Nutzer direkt über ihr Smartphone in Aktien investieren können, zunächst mit Spiel-, dann mit richtigem Geld. In den Niederlanden haben bereits mehr als 220.000 Menschen die App heruntergeladen.

Dem Verbraucher fehlt allerdings noch das Vertrauen in digitale Angebote. Der Bitkom-Umfrage zufolge prüften 67 Prozent der Befragten am Smartphone ausschließlich den Kontostand, nur 13 Prozent überweisen etwa Geld. Hier können die etablierten Banken punkten. Ihnen vertrauen die Kunden in der Regel eher als frisch gegründeten Firmen mit spielerischen Namen. Die Commerzbank versucht also neue Kunden im Internet zu gewinnen, den umfangreichen Service dann aber auch in Filialen anzubieten, um die nicht ganz so digitalaffinen Kunden nicht zu verprellen.

Zalando und Commerzbank unterscheiden sich kaum

Dies geschieht alles von einer einheitlichen IT-Plattform aus, wie Privatkundendigitalchef Franke sagt: „Bisher gab es bei Banken das System in der Filiale, da wurde dann ein Onlinesystem aufgesetzt.“ Bei der Commerzbank arbeiten sie jetzt hingegen an einer volldigitalen Plattform, auf die der Filialmitarbeiter wie der Kunde zugreifen können sollen, nur jeweils mit einer anderen Oberfläche: Vom PC, Smartphone, Terminal in der Bank – alles letztlich unterschiedliche Ansichten derselben Daten, angepasst mit Schaltflächen und Gestaltung auf das jeweilige Gerät. Neue Angebote werden dann einmal in die Plattform eingepflegt und nicht mehr mehrfach für unterschiedliche Abfrageformen aufbereitet, was Geld spart und die Bank schneller macht.

Bereits Ende des Jahres soll der Onlinekunde dieselbe Plattform haben wie der Bankberater in der Filiale. Wichtig dabei: Es muss für den Onlinekunden einfach sein. Postweg zur Legitimation oder umfangreiche Listen, die ausgefüllt werden müssen – „alles Killer“, sagt Franke und meint, dass der Onlinekunde sich dann sofort abwendet und womöglich zur Konkurrenz wechselt. Das Vorgehen der Bank ähnelt dem großer Technologiefirmen wie Zalando, die auch eine einheitliche Digitalplattform haben und dort neue Geschäfte, bei dem Berliner Onlinehändler etwa klassische Modeläden wie ein Adidas-Laden, ohne große Probleme anbinden können.

„Lausige, ineffiziente“ Deutsche-Bank-IT

Nicht ganz so weit wie die Commerzbank ist die Deutsche Bank, Deutschlands größtes Bankhaus. Eine große IT-Panne Anfang Juni verunsicherte viele Onlinebankingkunden und weckte Zweifel an der digitalen Fitness des Instituts: Abbuchungen und Eingänge tauchten in der Umsatzübersicht doppelt auf. Die Panne macht verständlich, warum Vorstandschef John Cryan den IT-Umbau direkt nach seinem Amtsantritt im Sommer 2015 vorantreiben wollte. Von „lausigen, schrecklich ineffizienten Systemen“ war damals die Rede. Insgesamt 750 Millionen Euro will die Deutsche Bank jetzt bis 2020 für Digitalisierung im Privat- und Firmenkundengeschäft ausgeben.

Frischen Wind erhofft sich das Institut auch von seiner neuen Digitalfabrik in Frankfurt, in der über 400 Spezialisten an neuen digitalen Produkten und Dienstleistungen tüfteln. 50 Arbeitsplätze sind dabei für externe Kooperationspartner aus der Fintech-Branche vorgesehen. Für deren Erfolg ist der Besitz einer Bankenlizenz wichtig, wie sich zunehmend zeigt.

Fintech Number26 verärgert die eigenen Kunden

So bietet Number26, 2013 gegründet, zwar ein kostenloses Girokonto an, muss sich seine Bankenlizenz aber bei der Wirecard Bank ausborgen. Wenig hilfreich war es, dass Number26 jüngst wegen hoher Kosten mehreren Hundert Kunden das Girokonto kündigte – die Protestwelle in sozialen Medien ließ nicht auf sich warten. Ob es dem Unternehmen wirklich geschadet hat, ist noch nicht abzusehen.

Digital-Banking-Expertin Ficht glaubt dennoch ein wachsendes Vertrauen in die Businessmodelle der Fintechs zu erkennen. „Das liegt daran, dass andere Länder hier zum Teil schon wesentlich weiter sind und uns vormachen, wie solche Modelle funktionieren können.“

Die größere Gefahr geht für Deutschlands Geschäftsbanken ohnehin nicht von Fintechs aus, sondern von US-Technologieriesen Apple und Google. Apple zum Beispiel startete die eigene Bezahl-App Mitte Juni testweise in der Schweiz.