Frankfurt/Main. Investoren ziehen Geld von der Insel ab. Die OECD rechnet mit negativen Folgen für den deutschen Arbeitsmarkt, weil der Export leidet.

Wer wissen will, was Investoren von einem Ausstieg Großbritanniens aus der Europäischen Union halten, muss nur auf das britische Pfund schauen. Am vergangenen Mittwoch ist das Pfund Sterling erstmals seit 1985 unter die Marke von 1,28 US-Dollar gefallen. Damit liegt die Währung gut 15 Prozent unter dem Kurs am Tag vor dem Brexit-Votum. Ähnlich stark fallen die Verluste des Pfunds gegenüber dem Euro aus.

Das schwache Pfund spricht eine deutliche Sprache. Investoren sind dazu übergegangen, massiv Geld von der Insel abzuziehen. Und dieser Trend wird anhalten. Beobachter gehen davon aus, dass gerade ausländische Firmen Investitionen in Großbritannien erst einmal auf Eis legen, bis Planungssicherheit herrscht. Für den Scheidungsprozess sind insgesamt zwei Jahre vorgesehen.

Analyst befürchtet Rezession

„Mit dem Entscheid gegen die EU hat in Großbritannien eine Phase enormer wirtschaftlicher Unsicherheit begonnen“, urteilt Christian Apelt, Analyst bei der Landesbank Hessen-Thüringen. „Ein Aufschub des Austrittsantrags würde die Periode noch künstlich verlängern.“ Die Gefahr einer Rezession sei vorhanden. Die wirtschaftlichen Stimmungsbarometer knicken bereits ein: „Der deutliche Rückgang beim Einkaufsmanagerindex für den Bausektor ist ein erstes Anzeichen“, so Apelt.

Auch an den Immobilienmärkten ist die Nervosität deutlich zu spüren. Das bekommen vor allem offene Immobilienfonds zu spüren. Jahrelang kannten die Häuserpreise – vor allem in London – nur eine Richtung: Sie gingen durch die Decke. Doch nun befürchten Beobachter, dass im Falle eines Brexit vor allem Banken, Versicherer und Fondsgesellschaften viele Arbeitsplätze auf den Kontinent verlagern könnten. Dem Wohnungsmarkt würden also solvente Mieter und Eigenheimkäufer abhandenkommen. In der Folge haben Anleger versucht, mehr Geld aus Immobilienfonds abzuziehen als diese an Barmitteln vorhielten. Insgesamt geht es bei den Immobilienfonds um umgerechnet über 17 Milliarden Euro, an die Anleger nicht mehr herankommen.

Italiens hohe Staatsverschuldung ist ein Problem

Noch sehr viel stärker könnten die Finanzmärkte allerdings vom drohenden Kollaps vieler italienischer Banken betroffen sein. Diese sitzen nach jahrelanger Rezession der italienischen Wirtschaft auf faulen Krediten in dreistelliger Milliardenhöhe. Die Berenberg Bank taxiert die Finanzierungslücke italienischer Bankhäuser auf 45 Milliarden Euro. „Italiens Banken haben ihre Hausaufgaben nicht gemacht“, urteilt Robert Halver, der bei der Baader Bank die Anlagestrategie verantwortet. „Nun werden sie von der Vergangenheit eingeholt“.

Beobachter sehen die Europäische Zentralbank in der Verantwortung. Als die EZB vor zwei Jahren die Aufsicht über die großen Banken der Eurozone übernahm, hatte sie eine umfassende Bankenprüfung vorgeschaltet, um die Altlasten der Banken eben nicht mit in das neue Aufsichtsregime zu übernehmen. Dieses Ziel scheint verfehlt, meint Isabel Schnabel, die Bonner Professorin für Finanzmarktökonomie, die auch dem Sachverständigenrat angehört. Italien sei wegen seiner wirtschaftlichen Bedeutung und der hohen Staatsverschuldung „ein großes Problem für den Euroraum“, sagt Schnabel: „Ich sehe das mit großer Sorge.“

Aktien der großen Bankhäuser geben nach

Die Papiere der Deutschen Bank haben seit Jahresbeginn die Hälfte ihres Werts verloren. Ob diese Verwerfungen eine neue Finanzkrise auslösen, ist unklar. „Einen Wirtschaftseinbruch wie nach der Lehman-Pleite 2008 erwarten wir nicht“, sagt Ulrike Kastens vom Bankhaus Sal. Oppenheim. „Wir rechnen mit einer Fortsetzung des moderaten Wachstums.“

Die OECD geht dagegen davon aus, dass zumindest das deutsche Jobwunder zum Halten kommt, weil die Exportwirtschaft unter dem drohenden Brexit leide, wie es heißt. Die Notenbanken stehen jedenfalls bereit. Die Bank of England könnte bald die Leitzinsen absenken, heißt es. Die Kreditauflagen für ihre Banken hat sie schon gelockert.