Stockholm. Der dänische Konzern Dong will seine Mitarbeiter durch eine Schlaf-App produktiver machen. Nun wird diskutiert, ob das zu weit geht.

Es beginnt mit dem kumpelhaften Du. Dann kommt die Fußballmannschaft im Konzern, bei der Freundschaften geschmiedet werden. Die obligatorische Mitgliedschaft im Fitnessstudio folgt. Mit Kursen zur gesünderen Ernährung geht es weiter. Den Lerneffekt kann man in der Kantine überprüfen. Seit der dänische Energiekonzern Dong auch noch den Schlaf seiner Mitarbeiter über eine App verbessern will, diskutiert das Land jedoch, ob die Chefs viel zu weit ins Privatleben der Mitarbeiter vordringen.

Bereits im vergangenen Jahr lud Dong den bekannten US-Schlafexperten Michael Breus ein, um Mitarbeitern zu wohligerem Schlaf zu verhelfen. In einem Infoblatt der Firma mit dem Titel „Schläfst du gut?“ wird darüber informiert, dass eine halbe Stunde weniger Schlaf als gewöhnlich die Konzentration im Beruf um 32 Prozent senken kann. Breus hielt Schlafkurse für die Dong-Mitarbeiter ab. Zusätzlich wurde eine App eingeführt, mit der die Schlafqualität überwacht wird. „Der Chef schläft neben dir“, unkten einige Dänen.

Dänische Zeitungen sehen Problem im Gruppendruck

Laut Dong waren die Mitarbeiter begeistert. „Eine meiner neuen Lebensregeln ist, dass ich jeden Tag spätestens um 22.30 Uhr zu Bett gehe. Ich habe gemerkt, dass mir das mehr Energie im Alltag gibt“, frohlockt Seniormanager Kasper Kjöller Lou. Es sei eine „Win-win-Situation“, von der Firma und Mitarbeiter gleichermaßen profitierten.

Doch was ist mit den Mitarbeitern, die nicht lernen wollen, wie man besser schläft? „Die Arrangements und Initiativen sind freiwillig“, betont Dong-Personalchef Hanne Blume. Doch dänische Zeitungen fragen sich, inwieweit Mitarbeiter sich dem Gruppendruck fügen müssen – Freiwilligkeit hin oder her.

Unternehmen haben leichtes Spiel

Das betrifft auch viele andere Unternehmen in Skandinavien. „Bei uns in der Firma sind alle im gleichen Alter, schlank, gehen joggen und ins Fitnessstudio. Alle nehmen an den regelmäßigen Straßenmarathons teil, und dokumentieren ihren Eifer in Facebook-Einträgen und Instagram-Fotos“ sagt die 32-jährige Anna, die im mittleren Management einer Firma mit Sitz im teuren Stockholmer Stadtteil Östermalm arbeitet. Wer da nicht mitmache, werde sich nicht lange in der Firma halten. „Homogenität ist ein Muss“, sagt sie. Auch Mitarbeiter kleinerer Unternehmen berichten Ähnliches.

Mit Skandinaviens gläsernen Bürgern, die es gewöhnt sind, dass ihre Einkommensverhältnisse öffentlich sind, haben auch Unternehmen ein leichteres Spiel: Der Konzern sorgt sich mütterlich um seine Mitarbeiter, in Ergänzung zu Vater Staat.

Forscher fürchten Stress für Arbeitnehmer

Skandinavische Unternehmen dringen immer tiefer in das Privatleben ihrer Mitarbeiter ein, meint auch Anders Drejer, Managementforscher der Universität Aalborg. „Das Arbeitsleben wird auf diese Weise zum Lebensprojekt. Die Arbeit wird in jeden Lebensaspekt integriert“, sagte er der Zeitung „Kristeligt Dagblad“. Es sei schwer, noch einen Ort zu finden, an dem man nicht an die Arbeit denke. Das könne zusätzlichen Stress bedeuten und damit kontraproduktiv wirken, warnt er.

Die zumindest äußerlich locker-kumpelhafte skandinavische Unternehmenskultur mit flacher Hierarchie orientiert sich an den USA. So finanzieren Unternehmen wie Facebook und Apple das Einfrieren der Eizellen ihrer weiblichen Mitarbeiter, damit diese erst mal Karriere machen können. Auch ist die komplette Messung der allgemeinen Gesundheit mit Messarmbändern in einigen IT-Unternehmen üblich.