Frankfurt/Main. Zumindest in London herrscht Einigkeit: Die Aktionäre der Börse stimmten für die Fusion mit der Deutschen Börse. Die ist aber fraglich.

Zumindest in London laufen die Vorbereitungen für die große Börsenhochzeit wie vorgesehen: Die Aktionäre der Londoner Börse sprachen sich am Montag fast einstimmig für das Zusammengehen mit der Deutschen Börse aus. Auf einer außerordentlichen Hauptversammlung entfielen 99,89 Prozent der abgegebenen Stimmen auf das Vorhaben. Die Anteilseigner der Deutschen Börse müssen bis zum 12. Juli ihre Aktien zum Umtausch in jene der gemeinsamen Gesellschaft andienen.

Doch seit dem Brexit-Votum scheint deren Zustimmung fraglich. Noch halten die Börsenbetreiber an ihrem Plan fest, doch sie wollen in einem Komitee die neue Lage diskutieren. Ausgehandelt war, dass die Deutsche Börse gut 54 Prozent, die Londoner Börse knapp 46 Prozent an der gemeinsamen neuen Gesellschaft hält.

Doch weil sich seit dem Referendum das Pfund gegenüber dem Euro deutlich abgeschwächt hat und der Kurs der Londoner Börse deutlich gefallen ist, könne das nicht mehr gelten, sagt Christoph Schalast, Experte für Übernahmen und Fusionen an der Frankfurt School of Finance and Management.

Aktionäre in Deutschland sind skeptisch

„Für die Aktionäre der Deutschen Börse ist der Deal schlechter geworden.“ Angeblich denken die Manager der Deutschen Börse über eine Sonderdividende nach, mit der sie den finanziellen Nachteil für ihre Anteilseigner ausgleichen könnten.

Schon vor dem Referendum habe er das Geschäft auch wegen der Sitzfrage für die Deutsche Börse nicht so positiv gesehen, sagt Schalast. Der rechtliche Sitz der gemeinsamen Holding soll an der Themse sein, darauf hatten die Briten aus politischen Gründen bestanden. Daran aber entzündet sich nun immer mehr Widerstand in Deutschland. Eine Börsenfusion ohne Standort und Hauptsitz in Frankfurt sei nach dem Brexit nicht mehr machbar, sagt etwa Gunter Dunkel, Präsident des Verbands Öffentlicher Banken.

Der Grund: Dann wäre auch die britische Börsenaufsicht für die gemeinsame Börse zuständig und nicht mehr die europäische. Das gehe nicht, sagt auch Aktionärsschützer Klaus Nieding, Vizepräsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). „Da könnte man den Sitz eher auf die französische Karibikinsel St. Martin legen“, scherzt er, die sei zumindest im EU-Raum. Auch Nieding betont, das Umtauschverhältnis müsse nochmals hinterfragt werden.

Zweifel an Sitz in London

Die Mitarbeiter der Deutschen Börse fordern ebenfalls eine Sitzverlagerung an den Main. Die britische Politik müsse sich bewegen, ihre Forderung nach einem Hauptsitz in London aufgeben, hört man am Finanzplatz. Auch der Präsident der Finanzdienstleistungsaufsicht Bafin, Felix Hufeld, hat Zweifel. Es sei schwer vorstellbar, dass der wichtigste Börsenplatz im Euroraum von einem Standort außerhalb der EU gesteuert werde, hatte er in der vergangenen Woche gesagt.

Die Bafin ist zwar nicht für die Aufsicht über die Deutsche Börse zuständig, das obliegt dem hessischen Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir. Der Grünen-Politiker äußerte sich sehr vorsichtig, man werde die Entscheidung in die Prüfung miteinbeziehen.

Der hessische Wirtschaftsminister will aber zunächst warten, ob die Pläne in dieser Form bestehen bleiben. Er muss über den ordnungsgemäßen Betrieb der Frankfurter Wertpapierbörse wachen. Ihm kommt damit eine Schlüsselrolle zu. Seine Entscheidung dürfte im Herbst fallen.