Berlin/Brüssel. Bayers Kaufpläne für Monsanto beschäftigen die EU. Die Wettbewerbskommissarin prüft die Folgen für Preise und Vielfalt.

So richtig kommt die größte Übernahme eines deutschen Unternehmens in den USA nicht voran. Hartnäckig weigert sich die Führung des US-Saatgutkonzerns Monsanto, das Angebot des Pharma- und Chemiekonzerns Bayer vom 10. Mai anzunehmen. Und jetzt mischt sich auch noch die EU-Kommission ein. Sie will das 56-Milliarden-Euro-Geschäft prüfen.

Die Brüsseler Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager hat angekündigt, ihre Abteilung werde sich Bayers Pläne und zwei weitere Firmenzusammenschlüsse in der Agrochemie vornehmen. „Es ist unser Ziel, sicherzustellen, dass die europäischen Verbraucher hochwertige Lebensmittel zu erschwinglichen Preisen erwerben können“, schreibt die dänische Kommissarin in einer Antwort auf ein Schreiben zweier Europa-Abgeordneter der Grünen-Fraktion mit.

Sorge vor weniger genetischer Vielfalt

„Ich kann Ihnen versichern, dass meine Case Teams (Fallbearbeiter) die drei angekündigten Fusionen im Saatgut- und Agrochemiesektor sehr sorgfältig untersuchen werden“, heißt es in Vestagers Stellungnahme, die den Grünen-Abgeordneten Sven Giegold und Martin Häusling vergangene Woche übermittelt wurde. Das Schreiben liegt dieser Zeitung vor. Neben der Übernahme Monsantos durch Bayer will der chinesische Staatskonzern ChemChina den Schweizer Agrochemieriesen Syngenta schlucken. Zudem planen die US-Konzerne Dupont und Dow Chemical, zusammenzugehen, um sich danach in drei spezialisierte Teilkonzerne aufzuspalten, einer davon für Agrochemie.

Die EU-Politiker Giegold und Häusling haben eine Petition gestartet, um Bayers Kauf zu verhindern. Sie hatten sich in diesem Zusammenhang Ende Mai auch an Vestager gewandt, vor negativen Folgen für Umwelt und Landwirtschaft gewarnt und auch auf Risiken durch den Monsanto-Verkaufsschlager Glyphosat verwiesen: „Es wächst die Gefahr, dass die genetische Vielfalt in der landwirtschaftlichen Kultur und in der Natur zurückgeht.“ Glyphosat ist der weltweit am meisten eingesetzte chemische Wirkstoff für Unkrautvernichter und in der EU als möglicherweise krebserregend zunehmend umstritten. Monsanto ist zudem Weltmarktführer bei Saatgut und wird wegen der Genveränderungen sowie seiner aggressiven Verkaufspolitik vor allem von Umweltschützern angegriffen.

Geldvernichtung durch gescheiterte Übernahmen

„Wir werden die von Ihnen vorgebrachten Bedenken bezüglich der Auswirkungen der Bayer/Monsanto-Fusion auf die Preise, die Vielfalt der verfügbaren Saatgutprodukte sowie auf Forschung und Innovation bei unserer Untersuchung angemessen berücksichtigen“, versichert Vestager in ihrer Antwort an die Grünen-Politiker. Einzelheiten zu der geplanten Untersuchung nennt sie nicht.

Giegold begrüßt den Bescheid. „Es bedeutet, dass die Kommission bereit ist, übermäßige Marktmacht zu verhindern. Das ist ein gutes Zeichen.“ Es werde auch den Finanzmärkten zu denken geben. „Schließlich kann man auch durch gescheiterte Übernahmen eine Menge Geld vernichten.“ Häusling sagt: „Wenn aus Baysanto Wirklichkeit wird, ist der weltweit größte Saatgutkonzern einer, der garantiert nur noch genetisch monotones, chemieabhängiges Saatgut vom Fließband auf den Markt wirft. Schon jetzt sind in einigen Segmenten bis zu 95 Prozent des Saatguts in der Hand von nur fünf Konzernen, nach der Fusion wären es nur noch vier.“

Bayer auf dem Weg zum Weltmarktführer bei Saatgut

Bayer würde mit der Übernahme Weltmarktführer bei Saatgut und Pflanzenschutz. Die Agrarsparte würde rund 49 Prozent der neuen Bayer AG ausmachen, der Rest wäre vor allem das Geschäft mit verschreibungspflichtigen Medikamenten wie Krebsmittel und frei verkäuflichen Arzneien wie Aspirin. Der Umsatz kletterte auf Basis der Zahlen von 2015 auf rund 60 Milliarden Euro, der neue Konzern beschäftigte rund 138.000 Mitarbeiter. Bezahlen will Bayer Monsanto in bar. Drei Viertel der Kaufsumme verschafft sich der Konzern über Kredite bei Banken, der Rest soll aus einer Kapitalerhöhung kommen. Die Idee bei der Übernahme: Die Weltbevölkerung wächst, die Ackerfläche tendenziell nicht. Mit allem, was den Ertrag erhöht oder die Verluste verringert, lässt sich deshalb Geld verdienen.

Allein: Monsanto-Chef Hugh Grant weigert sich, das Bayer-Angebot zu akzeptieren. Die rund 56 Milliarden Euro seien zu wenig. Und in die Bücher will Grant die Leverkusener erst recht nicht schauen lassen. Anfang Mai entsprach das Bayer-Angebot noch einem Aufschlag von etwa 37 Prozent auf den Monsanto-Börsenkurs. Derzeit sind die Amerikaner umgerechnet 41,4 Milliarden Euro wert. Der Aktienkurs ist kurz nach dem Angebot nach oben geschnellt, hat inzwischen aber wieder etwas nachgegeben.

Wenig Druck für Bayer von der weltweiten Konkurrenz

Bayer-Chef Werner Baumann spricht derzeit immer wieder mit größeren Monsanto-Investoren, um seine Pläne zu erläutern und sie für sich zu gewinnen. Einen höheren Kaufpreis hat er bisher nicht geboten. Anleger hielten bereits das bestehende Angebot für zu hoch. Mit einer feindlichen Übernahme will Bayer es bisher nicht versuchen. Im Konzern bleiben sie ohnehin ruhig. Es sei von Anfang an klar gewesen, dass die Übernahme Zeit brauche.

Baumann hat dabei wenig Druck von der weltweiten Konkurrenz zu fürchten. Ein anderer Bieter für Monsanto, der vielleicht den Preis treiben könnte, ist nicht in Sicht. ChemChina ist mit Syngenta beschäftigt, DuPont und Dow mit sich selbst und der deutsche Chemiekonzern BASF, der ebenfalls im Saatgutgeschäft tätig ist, hat kaum Interesse an Monsanto.