Braunschweig. Wegen des Verdachts der Marktmanipulation wurde ein Verfahren gegen den Ex-VW-Chef eingeleitet. Investoren verlangen Schadenersatz.

Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt im Abgas-Skandal wegen des Verdachts der Marktmanipulation gegen den zurückgetretenen VW-Chef Martin Winterkorn. Das teilte die Behörde am Montag mit. Die Finanzaufsicht Bafin hatte zuvor Strafanzeige gestellt, wie die Ermittler sagten. Bei den Ermittlungen gehe es um den Vorwurf, dass Volkswagen die Finanzwelt womöglich zu spät über die Affäre informiert habe.

Oft reichen Kleinigkeiten, um Aktienkurse nach oben oder unten zu treiben und dadurch womöglich Milliarden an Wertverlusten auszulösen. Deshalb ist es verboten, gezielt falsche Informationen etwa über Risiken, Gewinn oder Verlust eines Unternehmens zu verbreiten – oder solche Dinge erst mit gezielter Verspätung zu nennen. Wer bewusst etwas verschweigt, das den Börsen- oder Marktpreis beeinflussen könnte, macht sich ebenfalls strafbar.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt in diesem Zusammenhang nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur auch gegen VW-Markenchef Herbert Diess. Ein Sprecher des VW-Konzerns wollte sich dazu am Montag nicht äußern. Oberstaatsanwalt Klaus Ziehe sagte, er könne nicht absehen, wie lange das Verfahren dauere. Es habe noch keine Durchsuchungen gegeben. Die Staatsanwaltschaft betonte, dass die Unschuldsvermutung gelte.

„Es riecht ein bisschen nach Pflichtverletzung“

Zudem muss sich der Konzern mit Forderungen von Investoren nach Entschädigung auseinandersetzen. Eine Stiftung für im Diesel-Skandal geschädigte VW-Anleger will auf der Hauptversammlung am Mittwoch auf ihre Forderung nach einem außergerichtlichen Vergleich pochen.

VW könnte so zu geringeren Kosten eine Welle von Schadenersatzklagen abwenden, sagte Henning Wegener, Vorsitzender der nach niederländischem Recht gegründeten Stiftung „Stichting Volkswagen Investors Claim“. „Wenn Volkswagen nicht auf den Stiftungsvorschlag eingehe, sei eine Lawine von Klagen unvermeidlich“, sagte er. Die Stiftung steht wie Tausende Kläger weltweit auf dem Standpunkt, dass VW die Manipulation der Dieselmotoren zu spät eingestanden hat. Dem Konzern seien der Gesetzesverstoß und die finanziellen Risiken durch Geldbußen und Rückrufaktionen früher bekannt gewesen.

Der Aktienkurs rauschte nach Bekanntwerden der Vorwürfe der US-Umweltbehörde EPA am 18. September in die Tiefe. Nach Ansicht der Stiftung entstand durch das Verschleppen der Informationen ein Schaden von 65 Euro je Vorzugs- und von knapp 57 Euro je Stammaktie. Bei Volkswagen stoße der Appell zu einer außergerichtlichen Einigung allerdings auf taube Ohren, sagte Wegener. Einige Wochen nach der ersten Aufforderung zu Verhandlungen im Oktober habe der Konzern geantwortet, es gebe keinen Anlass zu Vergleichsgesprächen, da keine Kapitalmarktregeln verletzt worden seien.

Großinvestoren wollen Schadenersatz

Der Stiftung schlossen sich bislang rund 150 institutionelle Investoren an, nachdem der bekannte US-Investorenberater Institutional Investor Service (ISS) dies empfohlen hatte. Die Großinvestoren vereinen ein Investitionsvolumen von 12,6 Milliarden Euro. Hinzukommen rund 6500, überwiegend deutsche Kleinaktionäre mit VW-Aktien im Wert von 250 Millionen Euro. Grob geschätzt könne sich die Schadenssumme auf mindestens ein Viertel der Investitionssumme von knapp 13 Milliarden Euro belaufen, sagte der für die Stiftung arbeitende Anwalt Eric Breiteneder.

Bei einem Vergleich müsste VW rund 70 Prozent der Summe von dann etwa drei Milliarden Euro für die Entschädigung der Anleger und die Verfahrenskosten aufbringen. Eine Garantie, dass damit alle Gerichtsprozesse abgeschlossen wären, hätte der Konzern jedoch nicht. Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) unterstützt zwar den Vergleichsplan, rät Aktionären aber trotzdem zu klagen. Denn die Verjährungsfrist für Ansprüche in Deutschland werde womöglich am 18. September ablaufen, sagte DSW-Vertreterin Jella Benner-Heinacher.

Berichten zufolge prüft VW, ob Ansprüche gegen den Ex-Konzernchef Winterkorn geltend gemacht werden können. Auf Winterkorn könnten Millionenforderungen zukommen über die Summe hinaus, die von der Managerhaftpflicht gedeckt werde, sagte Benner-Heinacher. „Es riecht ein bisschen nach Pflichtverletzung.“