Berlin. Markenhersteller setzen häufiger auf eine Personalisierung von Produkten. Die Firmen binden Kunden, doch die Verbraucher zahlen drauf.

Der Kunde der Zukunft stellt sich seine Turnschuhe von der Sohle bis zum Schnürsenkel selbst zusammen. Er trinkt Kaffee nur in „seinem“ Röst- und Mahlgrad, isst M&Ms in seiner Lieblingsfarbe mit dem eigenen Name oder Hochzeitsdatum auf den Schokoladenkugeln.

So zumindest die Vision des kreativen Konsumenten. Doch bereits jetzt bieten immer mehr Firmen personalisierte Produkte an: Etwa Coca-Cola oder Nutella mit individuellen Namensetiketten, das eigens zusammengestellte Müsli oder eben der eigene Turnschuh. Dieser wird in Einzelteilen, vor allem mit Material und Farbe, am Computer vom Kunden persönlich designt.

Die etwas biederere Variante gibt es für Pflegeprodukte: mit dem Familienfoto auf der Hipp-Babyölflasche oder der Nivea-Dose. Wer will, kann inzwischen vielen Alltagsprodukten eine persönliche Note geben. Allerdings lassen die Hersteller sich das Mitgestaltungsrecht teuer bezahlen. Oft muss der Kunde den doppelt so hohen Preis für das Produkt hinlegen.

Die Kunden zahlen drauf

So kostet etwa die 75 Milliliter Nivea Creme-Dose mit individuellem Aufdruck stolze 4,90 Euro. Sonst bezahlt man im firmeneigenen Onlineshop 1,69 Euro. Das ist kein Zufall, denn die Personalisierung treibt die Kosten für die Hersteller deutlich in die Höhe. Dabei kommt es allerdings darauf an, an welcher Stelle im Prozess der Produktion der individuelle Kundenwunsch ins Spiel kommt. Wenn es nur um das Etikett geht, ist der Aufwand noch relativ gering. Deutlich größer ist er bei der Herstellung eines Turnschuhs, der nach Kundenwünschen zusammengesetzt wird.

Den Kunden scheint der Preis egal, die Individualisierung von Produkten kommt trotz der höheren Kosten immer besser an. Nach Angaben des Marktforschungsunternehmens GfK sagen bereits 42 Prozent der Verbraucher, dass die Möglichkeit, Produkte oder Services mitzugestalten, sie loyaler für einen Händler machen würde.

Kunden wird Mitarbeit suggeriert, die es nicht gibt

Dabei sehen die meisten auch darüber hinweg, dass sie maximal der Co-Designer sind, der eigentlich ein Massenprodukt kauft – nur eben mit dem eigenen Namen.

„Kunden wollen heute immer weniger Kompromisse eingehen. Genauso, wie wir heute‚ same day delivery‘ erwarten, so erwarten wir, dass wir genau das bekommen, was wir wollen“, sagt Frank Piller, Lehrstuhlinhaber für Technologie und Innovationsmanagement an der RWTH Aachen. Der Kreativität sind allerdings auch eindeutige Grenzen gesetzt. „Wir können dir für diesen Namen leider kein Etikett erstellen. Probiere es doch mit einem anderen Vor- oder Kosenamen“, teilt Ferrero mit, wenn das „Nutella“-Etikett beispielsweise mit einem Schimpfwort oder geschichtlich vorbelasteten Namen oder Abkürzungen beschriftet werden soll.

„Wir wollen natürlich verhindern, dass die Personalisierung dazu genutzt wird, Schindluder mit unserer Marke zu treiben“, sagt auch Katja Schreiber, Sprecherin der Adidas Group. „Mi Adidas“ bietet Kunden die Möglichkeit, ihre Schuhe nach Wunsch zusammenzustellen und ein Etikett beschriften zu lassen. „Ziel ist es, dass Kunden ihre eigenen Namen oder etwas Positives drucken lassen.“ Die Namenswünsche der Käufer werden Schreiber zufolge sowohl systematisch als auch manuell von Mitarbeitern überprüft, bevor sie in den Druck gehen. Würde der verstorbene Adidas-Grüner Adolf Dassler etwa heute bei seiner eigenen Firma Schuhe bestellen, er könnte seinen Namen nicht darauf drucken lassen. Bei diesem Vornamen streikt der Computer. Warum betreibt der Sporthersteller so einen Aufwand, ähnlich wie Konkurrent Nike?

Turnschuhe sollen künftig vor Ort individualisiert werden

Adidas bezeichnet die Kunden bereits als „Creators“. „Gerade die jungen Kunden haben ein sehr großes Bedürfnis, ihren eigenen Stil zu entwickeln und damit individuell rüberzukommen“, sagt Schreiber. Das Unternehmen hat gerade ein Pilotprojekt gestartet, die sogenannte Speedfactory. In dem Versuchslabor in Ansbach sollen in unmittelbarer Nähe der Kunden neue Schuhtypen entwickelt werden. Damit fiele die Fertigung im Ausland, zum Beispiel in Asien, langfristig flach. So will Adidas nach eigenen Angaben schneller auf die Bedürfnisse der Kunden reagieren, die Qualität erhöhen und die Lieferzeit verkürzen.

„Der Kunde wünscht sich neue, ausgefallene Lösungen, und das am besten sofort“, sagt Schreiber. In der Speedfactory sollen 500.000 Schuhe pro Jahr hergestellt werden. Dabei geht es in der ersten Phase hauptsächlich um die Entwicklung ganz neuer Produkte. „Eine Zukunftsvision ist, dass Kunden in den Laden gehen können und sich ihre individuellen Schuhe bestellen, die direkt im Labor hergestellt und nur kurze Zeit später abgeholt werden können.“

Bisher ist die Herstellung von individualisierten Produkten oft noch recht langwierig und teuer. In Zukunft könnte das anders sein. Während 3-D laut Experte Piller bereits jetzt die effektive Produktion unterstütze, helfe Big Data bei der Konfiguration.

Nach dem Motto: Ich muss nicht mehr wissen, was ich will, der Algorithmus weiß es besser.