Athen. Sieben von zehn griechischen Bürgern fehlt das Geld. Der Staat will allerdings dieses Jahr 5,4 Milliarden Euro mehr kassieren.

Als Oppositionsführer versprach Alexis Tsipras Steuersenkungen, als Premierminister zieht er jetzt die Steuerschraube an: Die Mehrwertsteuer wurde Anfang Juni erhöht, neue Steuern auf Pay-TV, Festnetzanschlüsse und Kaffee wurden eingeführt, in Zukunft sollen auch Urlauber mit einer Übernachtungssteuer geschröpft werden – die Fantasie des Linkspopulisten Tsipras beim Erdenken immer neuer Abgaben kennt keine Grenzen.

Aber wird der Fiskus die zusätzlichen Steuern überhaupt kassieren können? Eine Umfrage der Athener Indus­trie- und Handelskammer zeigt: Die Regierung hat die Steuerschraube bereits überdreht. Sieben von zehn Befragten erklärten, sie würden in diesem Jahr nicht in der Lage sein, alle Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen – weil ihnen das Geld ausgeht.

So werden die Griechen auch bei der Einkommensteuer stärker zur Kasse gebeten: Der Grundfreibetrag sinkt von 9646 auf 8636 Euro. Vor allem auf Selbstständige und Landwirte kommen höhere Belastungen zu. Auch die Unternehmenssteuern steigen von 26 auf 29 Prozent. Die Immobiliensteuer, die Tsipras eigentlich abschaffen wollte, wird ebenfalls erhöht. Unter dem Strich will der Staat 5,4 Milliarden Euro zusätzlich kassieren. Dass aber tatsächlich mehr Geld beim Fiskus landet, ist unwahrscheinlich. Bereits im ersten Quartal lagen die Steuereinnahmen 207 Millionen Euro unter dem Plan.

Steuern treiben Wirtschaft in Rezession

Das ist keine neue Entwicklung. Seit Beginn der Krise Anfang 2010 wurden die Steuern immer weiter erhöht. Die Mehrwertsteuer stieg von 19 auf 24 Prozent. Dennoch sanken die Steuereinnahmen, von 51,3 Milliarden Euro im Jahr 2010 auf 43,2 Milliarden 2015.

Ein Grund: Höhere Steuern trieben die Wirtschaft immer tiefer in die Rezession. Sinkende Unternehmensgewinne, schrumpfende Einkommen und wachsende Arbeitslosigkeit minderten das Steueraufkommen. In der Umfrage der Athener Handelskammer äußerten 89 Prozent der Befragten die Sorge, höhere Steuern würden die Wirtschaft noch weiter abwürgen.

Zudem wird die Summe an Steuern und Abgaben, die die Griechen ihrem Staat schulden, immer größer. Die Außenstände haben sich von 44 Milliarden Euro im Jahr 2011 auf inzwischen 88 Milliarden erhöht. Rund 50 Milliarden entfallen auf eintausend Steuerzahler, die mit Beträgen von jeweils mehr als zehn Millionen Euro in der Kreide stehen. Fachleute gehen davon aus, dass nur ein sehr kleiner Teil eingetrieben werden kann – viele Schuldner sind längst verstorben oder die betroffenen Unternehmen pleite.

Nach monatelangem Streit zwischen den Griechen und anderen Euro-Ländern steht nun immerhin die Auszahlung weiterer Milliardenhilfen bevor. Das Bundesfinanzministerium sprach sich jetzt in einem Brief an den Haushaltausschuss für die Auszahlung der 10,3 Milliarden Euro umfassenden Tranche aus dem dritten Hilfspaket aus. Bedingung ist jedoch, dass Griechenland weitere Reformen umsetzt. Darüber wacht die EU-Kommission.