Frankfurt. Dagobert Duck statt Zentralbank: Wegen der Strafzinsen für Einlagen bei der EZB will die Commerzbank Geld in ihren Safes verwahren.

Die Commerzbank will offenbar mehrere Milliarden Euro bei sich horten, statt bei der Europäischen Zentralbank (EZB) Strafzinsen dafür zu zahlen. Sie wäre das erste deutsche Geldhaus, das die Negativzinsen der EZB auf diese Weise in großem Stil umgeht, wie mit dem Vorgang vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters sagten.

Auch in Europa ist bisher keine Großbank bekannt, die Geld auf diese Weise dem Zugriff der Notenbank entzieht. „Die Commerzbank prüft diese Option“, sagte einer der Insider. Eine Entscheidung sei jedoch noch nicht gefallen. Derzeit bunkere das Institut keine Milliarden in Tresoren, erklärte ein Sprecher der zweitgrößten deutschen Bank. „Wir machen das aktuell nicht.“

EZB verlangt seit 2014 Strafzinsen fürs „Parken“

Hintergrund: Die EZB verlangt von Geschäftsbanken seit Sommer 2014 Strafzinsen, wenn diese Geld über Nacht bei ihr „parken“. Seit März liegt der Satz bei minus 0,4 Prozent. Die Währungshüter wollen Finanzinstitute auf diese Weise dazu bewegen, mehr Kredite zu vergeben und so die Wirtschaft anzukurbeln.

Dass die Commerzbank das Vorgehen der EZB nun mit ihrem Tresor-Plan unterminieren könnte, ist politisch brisant, denn der deutsche Staat hält knapp 16 Prozent an dem Frankfurter Institut. Mehrere deutsche Politiker hatten die ultralockere Geldpolitik der EZB in den vergangenen Monaten immer wieder kritisiert. Finanzminister Wolfgang Schäuble etwa warnte, ihre Folgen nährten in der Bundesrepublik „euroskeptische Bestrebungen“.

Deutsche Behörden haben keine Einwände

Die deutschen Finanzbehörden seien über die Pläne der Commerzbank im Bilde und hätten bisher keine Einwände, erklärten zwei Insider. Die EZB wollte sich dazu nicht äußern. Sie kann Banken keine Vorgaben machen, was diese mit ihrer überschüssigen Liquidität anstellen.

Zwei Milliarden Euro in 200-Euro-Scheinen wiegen etwa elf Tonnen. Ob es für Finanzinstitute Sinn macht, solche Mengen in den eigenen Tresoren zu bunkern, hängt von den Kosten für den Transport, die Lagerung und die Versicherung des Geldes ab. Einige Banken haben dies bereits kalkuliert und abgewinkt. Bei einem negativen Einlagezins von 0,4 Prozent lohne sich das noch nicht, sagte Sparkassen-Präsident Georg Fahrenschon im März. Einige Sparer würden dagegen bereits reagieren: „Die Kundenschließfächer werden immer stärker nachgefragt.“

Große Nachfrage nach Tresoren und Schließfächern

Große Versicherer bekommen immer mehr Anfragen, Tresore und Schließfächer zu versichern, wie die Münchener-Rück-Tochter Ergo erklärte. Wegen der EZB-Politik könnten Sparer in großem Stil Geld von ihren Konten abziehen, warnt WGZ-Bank-Chef Hans-Bernd Wolberg: „Schließfächer haben Konjunktur.“

Der weltgrößte Rückversicherer Münchener Rück legte sich als Reaktion auf die EZB-Politik bereits Gold und eine zweistellige Millionensumme in den Tresor, wie Vorstandschef Nikolaus von Bomhard im März sagte. „Wir probieren das jetzt einfach mal aus. Daran sehen sie, wie ernst die Situation ist.“

Auch Mittelständlern drohen Strafzinsen

Zahlreiche Banken verlangen von großen Investoren und Unternehmen inzwischen Strafzinsen, wenn diese über Nacht hohe Geldsummen bei ihnen parken. Commerzbank-Finanzchef Stephan Engels kündigte im Februar an, diese Maßnahme auch auf Mittelständler auszuweiten. An Privatkunden geben Banken die negativen Einlagezinsen der EZB dagegen bisher nicht weiter, sondern tragen die Kosten selbst. „Es ist eine außergewöhnliche Situation“, sagte Deutsche-Bank-Chef John Cryan im März auf einer Finanzkonferenz. Wenn ein Kunde hohe Summen auf sein Konto bei der Bank einzahle, denke er: „Oh no – nicht noch mehr Geld, mit dem ich Verluste machen werde. Denn niemand will das Geld, ich kann es nicht verleihen.“

Die Kreditnachfrage von deutschen Unternehmen ist geringer als das Angebot der Banken. Und wenn die Institute die Kunden-Einlagen bei der EZB parken, müssen sie Strafzinsen berappen. (rtr)