Berlin. Süßigkeiten, Chips, Grillgut: Fußball-Großereignisse treiben den deutschen Konsum an – vor allem, wenn das Wetter mitspielen wird.

Saure Gummibärchen in den Farben der Deutschlandfahne, Jugendbilder deutscher Nationalspieler auf Schokoverpackungen, Holzkohlegrills in Fußballform: Vor der Europameisterschaft versuchen viele Unternehmen, mit der Begeisterung der Fans Geld zu machen. Aber lässt sich mit solchen Sportgroßveranstaltungen überhaupt mehr verdienen als sonst? Und hat das Ganze sogar Folgen für die Volkswirtschaft an sich?

Vorweg: „Getränke- und Knabberartikelhersteller profitieren ordentlich“, sagt Wolfgang Adlwarth von der Nürnberger GfK. Die Marktforscher haben sich das Kaufverhalten der Bundesbürger rund um Fußballgroßereignisse angesehen und dafür Daten ihres Haushaltspanels ausgewertet. Für die WM 2006 ergibt sich in den beiden Spielmonaten ein Plus von 12,8 Prozent (Juni) und 15,7 Prozent (Juli) bei WM-typischen Produkten wie Bier, Limonade, Knabbergebäck, Würzsoßen und Grillgut. Bei den restlichen Gütern des täglichen Bedarfs wurden im Juni nur 3,6 Prozent mehr verkauft, im Juli waren es sogar 1,3 Prozent weniger.

„Jedes Tor ein Treffer für den Handel“

Auch bei der WM 2014 verzeichneten die Marktforscher im Juni ein deutliches Absatzplus von 5,7 Prozent bei Produkten ihres „WM-Warenkorbs“, während andere Produkte ein Minus von 2,3 Prozent auswiesen. Im Juli ging es dann für beide leicht abwärts. Hier macht sich ein wichtiger Faktor bemerkbar, der vollkommen unabhängig vom Fortkommen der deutschen Mannschaft ist, wie Adl­warth sagt: das Wetter. Beim Sommermärchen 2006 strahlte es, 2014 gab es dagegen viele Gewitter – das Aus für jede Fußballparty, die meist mit Grillen draußen verbunden wird, wie der GfK-Marktforscher sagt. Knabberzeug legte übrigens in jenem unbeständigen Juli vor zwei Jahren überdurchschnittlich zu. Der Fan schaute lieber im Wohnzimmer Fernsehen.

Allerdings gern auf einem neuen Gerät. Die GfK hat aus ihrem Haushaltspanel auch ermittelt, dass die Fans zu Beginn einer WM oder EM schnell noch einen Fernseher kaufen. So war es 2010, 2012, 2014 und so soll es auch 2016 sein. „Wir erwarten vor allem im TV-Geschäft in den nächsten Wochen hohe zweistellige Wachstumsraten. Jedes Tor der deutschen Nationalmannschaft ist auch ein Treffer für den Handel“, sagt Willy Fischel, Geschäftsführer des Bundesverbands Technik des Einzelhandels (BVT). Wirtschaftlich folge das Geschäft mit Fernsehern dem Fußball-Rhythmus. So würden in Jahren von Europa- oder Weltmeisterschaften regelmäßig überdurchschnittliche Stückzahlen abgesetzt. 2015 seien in Deutschland 6,95 Millionen Fernseher verkauft worden, 14 Prozent weniger als 2014, als Deutschland in Brasilien Fußball-Weltmeister wurde.

Durchschnittspreis für Fernseher steigt

Und auch in diesem Jahr hofft die Branche auf gute Geschäfte. Beim BVT erwartet man für das Jahr 2016 ein Umsatzplus bei Fernsehern von über drei Prozent. Auch der Durchschnittspreis für ein Gerät, errechnet man in der Technikbranche, könnte um etwa vier Prozent auf rund 600 Euro steigen. Die Kunden sind bei Sportereignissen offenbar bereit, mehr Geld für eine „Heimkinoatmosphäre“ zu investieren.

Nicht immer geht der Fan dabei ganz sauber vor. Denn vor sportlichen Großereignissen steigt die Zahl der Schadensmeldungen vor allem bei privaten Haftpflichtversicherern. Häufig werde aus einem technischen Defekt ein Versicherungsfall konstruiert, berichtet der Branchenverband GDV. Er hat knapp 1800 Schäden an Fernsehgeräten ausgewertet, die bei den Versicherern eingereicht wurden. Bei einem Viertel seien Ungereimtheiten aufgetreten. Durchschnittlich forderten die Kunden rund 745 Euro für ihr defektes Gerät.

Die deutschen Brauer sind äußerst optimistisch

Von Ausreißern einmal abgesehen: Wer seinen neuen Fernseher hat, möchte die Spiele auch gern mit Freunden schauen und feiern. Beim Deutschen Brauer-Bund schaut man jedenfalls optimistisch auf die nächsten Wochen. „Die vergangenen, großen Fußballevents haben gezeigt, dass während der Turnierdauer mehr Bier getrunken wird als sonst in Sommerwochen üblich“, sagt Verbandssprecher Marc-Oliver Huhnholz. Auch aus dem Ausland würde vor europa- oder weltweiten Großereignissen deutlich mehr bestellt.

Bei der WM 2006 in Deutschland hätten die deutschen Brauereien vor und während der Meisterschaft rund fünf Prozent mehr Bier verkauft, bei den Europa- und Weltmeisterschaften in den Folgejahren waren es rund vier Prozent. Je mehr Spiele die deutsche Elf erfolgreich bestreitet, desto höher ist die Nachfrage, wie Huhnholz sagt. Und für die Brauer ist das Wetter ein wichtiger Faktor, denn viele Fans schauen sich Spiele auch gern in Biergärten oder im Außenbereich von Kneipen an. Wenn es regnet, bleiben die Gäste aus.

Deutliche Millionenumsätze zusätzlich mit Knabberzeug

2006 ist da offenbar so etwas wie das Maß der Dinge. Im Juni betrug der Bierabsatz etwa elf Millionen Hektoliter. „Der Durchschnittsabsatz im Juni der vergangenen zehn Jahre lag bei knapp zehn Millionen Hektolitern“, sagt Huhnholz. In diesem Zeitraum lagen drei WM und drei EM mit deutscher Beteiligung sowie zwei Olympische Spiele.

Wie wirken große Sportereignisse mit Beteiligung der Nationalmannschaft auf die deutsche Volkswirtschaft? Mal abgesehen von einer WM im eigenen Land wie 2006 und davon, dass die eine oder andere Arbeitsstunde entfällt, weil ein Sieg zu ausgiebig gefeiert wurde, lässt sich der Effekt kaum in Zahlen fassen. Die Marktforscher der GfK jedenfalls haben keine Summen erfasst, sehen aber deutliche Millionenumsätze zusätzlich. Allerdings lässt sich mit Knabberzeug, Grillgut und Bier die recht große deutsche Wirtschaftsleistung von rund drei
Billionen Euro (2015) nicht nennenswert vergrößern. Und auch das Absatzplus bei Fernsehern wirkt da kaum.

Euphorie hat wenig Einfluss auf Verbraucherstimmung

Allerdings ist die Stimmung unter den Fußballfans im Falle eines Sieges der deutschen Nationalmannschaft gut, das überträgt sich. Und wer guter Laune ist, gibt vielleicht auch mehr für anderes aus. Diesen Zusammenhang gibt es so allerdings nicht. „Die Euphorie durch gutes Abschneiden hat keinen Einfluss auf die Verbraucherstimmung“, sagt GfK-Experte Rolf Bürkl. Die orientiere sich an anderem: Angst vor Arbeitslosigkeit etwa und Kaufkraftverlust oder -zuwachs. Wenn also der deutsche Konsum wie zuletzt zulegt, dann, weil die Bundesbürger mehr Geld zur Verfügung haben und die Wirtschaft brummt. Und mit einem EM-Sieg der deutschen Nationalmannschaft haben sie dann auch noch bessere Laune.