Leverkusen/St. Louis. Der US-Agrarchemiekonzern Monsanto hat in Europa keinen besonders guten Ruf. Der Bayer-Chef ist trotzdem von einer Fusion überzeugt.

Das Pharma- und Planzenschutzunternehmen Bayer will den umstritten Biotechnologiekonzern Monsanto für mehr als 55 Milliarden Euro übernehmen und damit zum weltgrößten Agrarchemie-Hersteller aufsteigen. Es wäre eine der teuersten Übernahmen der deutschen Wirtschaftsgeschichte. An der Börse sorgte die Bekanntgabe des gebotenen Kaufpreises am Montag für weitere Kursverluste der Bayer-Aktie.

Bayer-Chef Werner Baumann verteidigt trotz der Vorbehalte der Aktionäre seine Übernahmepläne. Die Agrarindustrie stehe angesichts der schnell wachsenden Weltbevölkerung und der globalen Erwärmung vor gigantischen Herausforderungen. Durch die Kombination ihrer Fähigkeiten könnten Bayer und Monsanto hier wegweisende Antworten geben. Davon würden die Landwirtschaft, aber auch die eigenen Aktionäre profitieren.

60 Milliarden Euro Umsatz wären möglich

Die Leverkusener würden durch den Zusammenschluss zur weltweiten Nummer im Agrochemiegeschäft aufsteigen. Der Konzernumsatz würde auf rund 60 Milliarden Euro (bisher: 46,3 Milliarden) zulegen, die Zahl der Mitarbeiter auf fast 140.000 (bisher: knapp 117.000) klettern.

Dafür will Bayer tief in die Tasche greifen. Der Dax-Konzern bietet je Monsanto-Aktie 122 US-Dollar in bar – insgesamt 62 Milliarden Dollar. Die Offerte entspricht einem Aufschlag von 37 Prozent auf den Schlusskurs der Monsanto-Aktie vor dem Bekanntwerden der ersten Übernahme-Spekulationen. Zur Finanzierung setzt Bayer auch auf eine Kapitalerhöhung.

Damit liegt der gebotene Kaufpreis noch einmal deutlich über den knapp 40 Milliarden Dollar, die Daimler 1998 für Chrysler zahlte, und übertrifft auch die rund 50 Milliarden Dollar, die die Deutsche Telekom im Jahr 2000 auf dem Höhepunkt des Telekommunikations-Booms für den US-Rivalen Voicestream hinblätterte.

Bayer sieht Chance für Milliardeneinsparungen

„Wir sind seit langem von Monsanto beeindruckt“, begründete Baumann den Schritt. Nicht zuletzt die führende Rolle der Amerikaner in der Biotechnologie und beim „digital farming“ – der Nutzung digitaler Techniken für die Landwirtschaft – mache Monsanto attraktiv. Bereits nach drei Jahren rechnen die Leverkusener durch den Zusammenschluss mit Einsparungen von rund 1,5 Milliarden Dollar jährlich.

Nachteile für die deutschen Bayer-Beschäftigten sind nach Angaben der IG BCE ausgeschlossen. Die Vereinbarungen zur Beschäftigungssicherung blieben unangetastet, alle Standorte erhalten, betonte die Gewerkschaft. Auch bleibe die Forschung und Entwicklung weiterhin in Deutschland angesiedelt. Der Bayer-Betriebsrat begrüßt den geplanten Zusammenschluss. „Die Übernahme von Monsanto sichert nachhaltig die Zukunftsfähigkeit von Bayer“, sagte Gesamtbetriebsratschef Oliver Zühlke der „Rheinischen Post“ (Dienstag). Der Konzern habe sich unter anderem verpflichtet, bis 2020 am Kündigungsschutz festzuhalten.

Unterstützung bekam der Bayer-Chef auch von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Deren Hauptgeschäftsführer Marc Tüngler sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Wir finden es richtig, dass Bayer diesen Versuch startet.“ Dem Unternehmen biete sich eine einmalige Chance, zum Weltmarktführer aufzusteigen - auch wenn es dazu sein Angebot möglicherweise sogar noch einmal erhöhen müsse.

Aktionäre reagieren kritisch

Umweltschützer und die Bundestagsfraktion der Grünen sehen den Zusammenschluss dagegen kritisch. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) warnte, der Konzern wolle offenbar trotz allen gesellschaftlichen Widerstands verstärkt auf Gentechnik setzen.

Monsanto steht in Europa seit Jahren wegen seiner gentechnisch veränderten Produkte in der Kritik. Zudem wird seit langem über mögliche gesundheitsschädliche Auswirkungen des Wirkstoffs Glyphosat diskutiert, den Monsanto in seinem weltweit verbreiteten Unkrautvernichter „Roundup“ benutzt. Bayer hält die Image-Probleme indes für beherrschbar.

Bei den Aktionären kommt das vom Bayer-Vorstand und -Aufsichtsrat einstimmig beschlossene Übernahmeangebot bislang allerdings nicht gut an. Bereits die erste Ankündigung der Pläne vor wenigen Tagen hatte die Bayer-Aktie auf Talfahrt geschickt. Die Bekanntgabe des Kaufpreises ließ den Kurs nach Börseneröffnung am Montag bis zum Nachmittag noch einmal um rund vier Prozent nachgeben. (dpa)