Frankfurt/Main. Die Aktionäre der Deutschen Bank sind sauer. Sie wollen auf der Hauptversammlung auch die Rolle des Aufsichtsratschefs hinterfragen.

Eigentlich ist es John Cryan, der an diesem Donnerstag im Zentrum der Hauptversammlung der Deutschen Bank stehen sollte. Der 55 Jahre alte Brite, der im vergangenen Jahr die Nachfolge von Co-Chef Anshu Jain übernommen hat, wird nach dem Aktionärstreffen allein an der Spitze des Geldhauses stehen. Doch es wird wohl Paul Achleitner sein, auf den sich die Augen richten werden. Mit der Amtsführung des Aufsichtsratschefs sind manche Aktionäre überhaupt nicht einverstanden.

Sie lasten ihm und seinen Kollegen im Kontrollgremium an, eine Mitverantwortung für mangelnde Kooperation mit den Aufsichtsbehörden zu tragen. Das gilt zwar nicht für Deutschland – die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ist inzwischen zufrieden mit der Zusammenarbeit.

Aktionäre müssen Milliarden-Strafe mittragen

Das hatte der für die Bankenaufsicht zuständige Exekutivdirektor Raimund Roeseler erst vor wenigen Tagen gesagt. Doch das Verhältnis zu den Bankaufsehern in den USA war lange angespannt, etwa beim Libor-Zinsskandal. An dessen Aufklärung hätten Vorstand und Aufsichtsrat nicht ausreichend mitgewirkt, so die US-Aufsicht.

Die Folge: Die Deutsche Bank muss höhere Strafen zahlen als ihre Wettbewerber, die ebenfalls in die Zinsmanipulationen verstrickt waren. 2,5 Milliarden US-Dollar (2,2 Milliarden Euro) brummten die Behörden der Bank auf. Das ärgert die Aktionäre, die diesen Schaden mittragen müssen. Binnen Jahresfrist hat sich der Kurs der Aktie halbiert. Und auf eine Dividende für die Jahre 2015 und 2016 müssen sie angesichts der hohen Verluste verzichten. Auch deshalb hat eine Anteilseignerin insgesamt vier Sonderprüfungen beantragt. Trotz dieser Vorwürfe gab sich Aufsichtsratschef Achleitner vor wenigen Tagen in einem Interview betont gelassen: „Dann gibt’s eben einen Auftrag“, sagte er.

Streit auch innerhalb des Kontrollgremiums

Doch es geht nicht nur um die Zusammenarbeit mit Aufsichtsbehörden. Auch mit internen Querelen geriet das Kontrollgremium der Deutschen Bank jüngst in die Schlagzeilen. Ende April hatte sich Achleitner mit seinem langjährigen Vertrauten Georg Thoma überworfen. Den renommierten Wirtschaftsanwalt hatte er eigens in das Kontrollgremium geholt, um die zahlreichen Skandale des Instituts aufzuarbeiten.

Das aber tat der mit solcher Akribie, dass es den anderen Mitgliedern des Aufsichtsrats zu viel wurde: Unter dem Druck seiner Kollegen trat Thoma zum 28. Mai zurück. Das werde er sicher auf der Hauptversammlung thematisieren, sagte Klaus Nieding, Vizepräsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW): „Das möchte ich schon hinterfragen, ob man da etwas übertrieben hat, um das Rad wieder zurückzudrehen oder ob tatsächlich Herr Thoma den Vorstand der Bank operativ behindert hat.“

Andererseits wünschen sich die Aktionäre nicht allzu viel Unruhe: Die Bank soll endlich wieder im operativen Geschäft vorankommen. Der Rekordverlust von 6,8 Milliarden Euro im vergangenen Jahr hat da zwar sehr geschmerzt, die Anteilseigner wollen aber vor allem wieder eine Perspektive sehen.

John Cryan treibt Sanierung voran

Die könne er derzeit nicht erkennen, sagt Aktionärsvertreter Nieding, der bei den Hauptversammlungen des Geldhauses immer als einer der ersten seine Fragen an die Führungsspitze stellt, wohl auch diesmal in der Frankfurter Festhalle: „Wir hören ja im Augenblick vom Vorstand nichts anderes als Kostensenkung, Abbau von Geschäftsbereichen, Schließung von Filialen, Risikoreduzierung“, klagt er. Ihm fehle eine wirkliche Strategie, damit der Kapitalmarkt erkennen könne, wohin die Bank in den nächsten fünf Jahren steuere.

Tatsächlich hat John Cryan in seinen ersten Monaten als Co-Chef der Deutschen Bank das Sanierungs- und Sparprogramm weiter vorangetrieben, 9000 Jobs sollen gestrichen werden, 4000 davon hierzulande. 200 der gut 700 Filialen werden geschlossen.

Und vor einigen Tagen wurde bekannt, die Bank werde sich von etwa 30.000 Kunden im Investmentbankbereich trennen. Der Verkauf der Postbank steht noch auf der Agenda, zwei Anfragen von Interessenten hatte die Bank jedoch Mitte April als zu niedrig abgelehnt.

Rechtsstreitigkeiten drücken auf den Gewinn

Immerhin konnte Cryan nach dem Rekordverlust im ersten Quartal des laufenden Jahres überraschend wieder einen Gewinn für die Deutsche Bank ausweisen – auch wenn dieser mit 236 Millionen Euro für die Bank vergleichsweise gering ausfiel. Dauerhaft bessere Zahlen aber wollen die Aktionäre gern sehen. Das jedoch dürfte noch eine Weile dauern. Denn besser wird die Lage erst, wenn das Geldhaus den größten Teil seiner Rechtsstreitigkeiten beigelegt hat.

Bei diesem Thema können die Bankmanager immerhin auf den Freispruch für den Noch-Co-Chef Jürgen Fitschen sowie seine Vorgänger Josef Ackermann und Rolf-Ernst Breuer verweisen: Die waren Ende April im Fall Kirch vom Vorwurf des versuchten Prozessbetrugs freigesprochen worden. Fitschen tritt mit Ende der Hauptversammlung als Co-Chef der Deutschen Bank ab – danach steht John Cryan allein an der Spitze.