Berlin. Sachverständige haben ein Umweltgutachten vorgelegt. Das Ergebnis: Um wirklich nachhaltig zu sein, muss Deutschland noch einiges tun.

Ob im Verkehr, in der Landwirtschaft oder im Wohnungsbau: Die Umweltschutzpolitik muss in allen Lebensbereichen noch integrativer und langfristiger agieren, um Deutschland zu einer nachhaltigen Industriegesellschaft zu entwickeln. Nur so könnten Klimaschutzziele erreicht und der fortschreitende Verlust der Artenvielfalt gestoppt werden. Eingriffe in die Natur müssten dazu substanziell vermindert werden. Dies sind die Kernbotschaften des 462 Seiten starken „Umweltgutachtens 2016“, das der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) am Dienstag Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) vorgelegt hat.

Deutschland habe „exzellente Chancen“, auf dem Weg zu einer „ökologischen Transformation“ international als Vorreiter voranzuschreiten, sagte der SRU-Vorsitzende Martin Faulstich. Er forderte die Regierung auf, Einwände der Wirtschaft, die durch Umweltmaßnahmen hohe Kosten befürchteten, kritisch zu prüfen und gelegentlich „deutlich zurückzuweisen“. Der Rat konzen­triert sich auf sechs Themen:

Ökologische Transformation

Um Rohstoffe zu schonen, Abfälle und Emissionen zu reduzieren, ist ein tief greifender ökologischer Wandel nötig. Der Staat muss dazu die Spielregeln schaffen. Deutschland kann hier Vorreiter sein, wie es bei der Umstellung der Stromversorgung auf erneuerbare Energien gelungen ist. Ein „Negativbeispiel“ sei die Agrarpolitik. Dort sperre sich Deutschland gegen eine umweltgerechte und zukunftsfähige Landwirtschaft.

Klimaschutz fördert deutsche Wettbewerbsfähigkeit

Klimapolitik gefährdet nach Ansicht der Regierungsberater in der Regel nicht die Wettbewerbsfähigkeit. Im Gegenteil: „Sie ist eher eine Chance für exportorientierte Unternehmen.“ Energiekosten machten nur zwei Prozent der Gesamtkosten der Unternehmen aus. 80 Prozent der Firmen agierten in nicht energieintensiven Bereichen. Alle finanziellen Begünstigungen für die Industrie sollten auf den Prüfstand gestellt werden. Nur energieintensive Firmen, die international aktiv seien, wie die Eisen- oder Stahlhersteller, sollten Förderungen erhalten, um eine Verlagerung der Produktion ins Ausland zu verhindern.

Umwelt- und Sozialpolitik

Steigende Preise für Energie und Lebensmittel sind notwendig und ein wichtiges Element effektiver Umweltpolitik. Dies kann zu Spannungen zwischen Umwelt- und Sozialpolitik führen. Finanziell schlechter gestellte Bürger sollten staatlich unterstützt werden oder spezielle Stromtarife erhalten.

Weniger Flächenverbrauch

Deutschland verbraucht für Wohnungs- und Straßenbau zu viele Flächen. Statt Ein- und Zweifamilienhäuser sollten die Städte vielmehr durch Mehrgeschosswohnungen weiter verdichtet werden. Der SRU schlägt die Abschaffung der Pendlerpauschale vor. Dies würde das Wohnen in den Städten attraktiver machen. Langfristig sollte der Flächenverbrauch auf null reduziert werden.

Mehr Raum für Wildnis

Zwei Prozent der Flächen sollten Wildnisgebiete werden, wo sich die Natur unbeeinflusst vom Menschen entwickeln kann. Mindestgröße: 1000 Hektar. Raum dafür gebe es unter anderem in den neuen Bundesländern, der Alpenregion und in Nordrhein-Westfalen. „Einige ehemalige Bergbaufolgelandschaften könnten einfach der Natur überlassen werden“, sagte Niekisch.

Artenschutz durch geringeren Einsatz von Pestiziden

Pflanzenschutzmittel (Pestizide) reduzieren die Artenvielfalt und führen zum Rückgang der Biodiversität. Besonders betroffen sind Feldvögel, Wildbienen, Amphibien und Wildkräuter. Die Anwendung des umstrittenen Herbizids Glyphosat müsse beschränkt werden. Pestizidfreie Flächen sollten eingeführt sowie eine zusätzliche Abgabe auf Pflanzenschutzmittel erhoben werden.