Frankfurt/Main. Adieu, 500-Euro-Note: Experten warnen vor dem Ersatz des Bargelds durch digitale Zahlungsmittel und fürchten Negativzinsen für Sparer.

Ist es der Beginn einer schleichenden Abschaffung des Bargelds? Drohen demnächst Strafzinsen auf Bankguthaben? So bewerten manche Experten die soeben von der Europäischen Zentralbank (EZB) beschlossene Abschaffung der 500-Euro-Banknote. Nach 2018 soll der größte Euro-Schein nach und nach verschwinden. Darauf einigten sich die Mitglieder des EZB-Rats, dem die Notenbankchefs der 19 Euro-Länder angehören. Offiziell wollen sie damit gegen die Finanzierung von Terrorismus, Kriminalität und Schattenwirtschaft vorgehen. Ob das funktioniert, ist umstritten. Volkswirte und selbst die Deutsche Bundesbank melden Zweifel an.

Warum wird der 500-Euro-Schein abgeschafft?

Offiziell heißt es: Zur Bekämpfung von Terrorismus, Kriminalität und Schwarzarbeit. „Der 500-Euro-Schein ist ein Instrument für illegale Aktivitäten“, sagt EZB-Präsident Mario Draghi. Jens Weidmann, Präsident der Deutschen Bundesbank, sieht das aber anders. Er zweifelt daran, dass illegale Handlungen unterbunden werden, nur weil es keine großen Banknoten mehr gibt oder eine Obergrenze für Bargeld geschaffen wird. Geldwäsche laufe längst überwiegend bargeldlos über Scheinfirmen, merkt auch der Wirtschaftsexperte Friedrich Schneider von der Universität Linz an.

Ist das der erste Schritt zur Abschaffung des Bargeldes?

Darüber gibt es unterschiedliche Ansichten. „Wer nun glaubt, dass die Eurozone sich vom Bargeld verabschiedet, irrt“, betont Yves Mersch, Mitglied des Direktoriums der EZB, in einem Gastbeitrag bei „Spiegel Online“. Uwe Fröhlich, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken, widerspricht entschieden. Die Europäische Zentalbank mache weitere Schritte zur Bargeldbegrenzung salonfähig. „Beschränkungen der Bargeldverwendung sind ein erheblicher Eingriff in die Freiheitsrechte der Bürger“, sagt er. Gerade in Zeiten eines zunehmenden Unverständnisses gegenüber der europäischen Geldpolitik sei dieser Schritt „sachlich nicht nachvollziehbar und ungeschickt“.

Warum wird überhaupt über eine mögliche Abschaffung des Bargelds diskutiert?

Diese Vermutung hängt mit der Geldpolitik der EZB zusammen. Um nach der Wirtschaftskrise 2008 Investitionen anzukurbeln, hat sie die Zinsen etwa für Bankeinlagen immer weiter gesenkt. Das Ziel: Banken sollen das Geld ihrer Kunden nicht horten, sondern als Kredite ausgeben. Inzwischen müssen Institute, die Geld über Nacht bei der Notenbank parken, darauf einen Strafzins von 0,4 Prozent zahlen. Die Kosten könnten die Banken an ihre Kunden weitergeben. Sparer müssten dann dafür bezahlen, dass sie Geld auf ihrem Konto haben. Als Alternative könnten sie sich das Guthaben bar auszahlen lassen und in den Tresor legen – das kostet keine Strafzinsen. Ohne Bargeld wäre das nicht mehr möglich. „Es muss der Eindruck entstehen, dass der Hauptgrund der Abschaffung das Ziel ist, die Zinsen weiter in den negativen Bereich zu bringen“, sagt Clemens ­Fuest, Chef des Münchener Ifo-Instituts. Bargeld kenne keine Negativzinsen, elektronische Konten aber schon.

Was bedeutet das Aus für die 500-Euro-Banknote für Verbraucher?

Die tatsächlichen Auswirkungen dürften erst einmal gering sein. Der 500-Euro-Schein spielt im Alltag keine große Rolle. Die meisten Tankstellen und Restaurants etwa akzeptieren den 500er sowie den noch selteneren 200er-Schein nicht. Nur beim Kauf von Gebrauchtwagen kommen die großen Scheine regelmäßig zum Einsatz. Während der Eurokrise ließen sich manche ihr Erspartes in großen Scheinen auszahlen.

Wie läuft die Abschaffung ab?

Die insgesamt 594 Millionen 500-Euro-Scheine werden nicht von heute auf morgen aus dem Verkehr gezogen. Laut dem Beschluss der EZB wird lediglich die Ausgabe des 500ers Ende des Jahres 2018 eingestellt. Scheine, die danach bei einer Bank abgegeben werden, kommen nicht zurück in den Umlauf. Als Ersatz müssen die Notenbanken der Euroländer, wie die Deutsche Bundesbank, zusätzliche Scheine geringeren Wertes drucken – vor allem 50er, 100er und 200er. Wie schon die Noten von fünf bis 20 Euro sollen bis dahin die anderen Scheine neu gestaltet werden. Der Druck kostet etwa neun Cent pro Stück. Deshalb wird die Umstellung teuer: Die Bundesbank schätzt die Kosten auf über eine Milliarde Euro. Neue 500er wurden zuletzt 2014 gedruckt.

Verlieren die 500er ihren Wert?

Nein, versichert die EZB. Die 500-Euro-Noten bleiben gesetzliches Zahlungsmittel. Geschäfte müssen die Scheine also theoretisch weiterhin akzeptieren. „Der 500-Euro-Schein wird, wie andere Stückelungen der Eurobanknoten, immer seinen Wert behalten und kann für einen unbegrenzten Zeitraum bei den nationalen Banken des Eurosystems umgetauscht werden“, heißt es in einer Mitteilung der EZB. In Deutschland wäre somit ein unbefristeter Umtausch bei den Filialen der Bundesbank möglich. Selbst alte D-Mark-Bestände können noch immer umgetauscht werden.

Wo befindet sich das Euro-Bargeld?

Die Bundesbank geht davon aus, dass lediglich 15 bis 20 Prozent des Bargelds im Alltag verwendet werden, sich also im „Transaktionsumlauf“ befinden, wie es im Bankendeutsch heißt. Gut 30 bis 40 Prozent werden in der Eurozone gehortet – weitere 40 Prozent im Ausland. Investoren und Staaten sehen im Euro-Bargeld eine sichere und vor allem wertstabile Anlage.