Frankfurt/Main. Der Mann, der Ordnung in die Deutsche Bank bringen sollte, arbeitete einigen zu ordentlich: Chefaufklärer Georg Thoma nahm seinen Hut.

Es sind höchst ungewöhnliche Vorgänge, die aus dem sonst meist verschwiegen tagenden Aufsichtsrat der Deutschen Bank bekannt werden: Ausgerechnet der Chefaufklärer des Aufsichtsrats der Bank, Georg Thoma, schmeißt hin. Wobei der Abgang nicht ganz freiwillig erfolgt. Man könnte auch sagen: Die Bank entledigt sich eines Mannes, der an entscheidender Stelle zu unbequem geworden war.

Dabei war Thoma, der zu den renommiertesten Wirtschaftsanwälten Deutschlands zählt, von der Bank extra dafür geholt worden, einen unbequemen Auftrag zu erfüllen: Er sollte die Zügel in der Bank anziehen beim Umgang mit Kontrollen, Prüfern und juristischen Streitigkeiten. Ein Auftrag von höchster Stelle: Der Vorsitzende des Aufsichtsrates, Paul Achleitner, installierte Thoma als Chef eines neu geschaffenen „Integritätsausschusses“ und lockerte für seine Berufung sogar die interne Altersgrenze der Bank.

Erst geheuert und gefeiert

Man kann Thoma nicht vorwerfen, dass er seinen Auftrag, die Verstrickung der Bank in Skandale aufzuklären und intern auf die Einhaltung von Regeln zu dringen, nicht ausfüllte. Im Gegenteil. Sein kompromissloses Vorgehen verschafft ihm unter den Managern zunächst Respekt. Er will den Sumpf in der Bank endgültig trockenlegen, aus dem Verfehlungen wie etwa die Libor-Zinsmanipulationen und Steuerbetrug gespeist wurden.

Doch je genauer Thoma hinschaut, desto mehr wächst in der Bank seltsamerweise das Missfallen über ihn. Als der Wirtschaftsanwalt seine internen Ermittlungen ausweitet, braut sich etwas gegen ihn zusammen.

Aufsichtsratskollegen genervt

Plötzlich beschweren sich sogar Aufsichtsratskollegen hinter vorgehaltener Hand, aber auf eine öffentlichkeitswirksame Herabsetzung der Reputation des Aufklärers bedacht, der Wirtschaftsanwalt nehme es viel zu genau. Thoma prüfe in der Bank Prozesse, die schon x-mal durchleuchtet worden seien.

Doch dem erfahrenen Wirtschaftsjuristen Thoma ging es um viel mehr: Er prüfte Regressforderungen gegen zahlreiche ehemalige Manager der Bank. Die vielleicht heikelste Aktion des internen Ermittlers bei der Deutschen Bank: Er wollte prüfen, welche Rolle der Aufsichtsratsvorsitzende Paul Achleitner selbst in den Verhandlungen mit der britischen Finanzaufsicht FCA im sogenannten Libor-Skandal hatte. Jenem Skandal, in dem ans Licht gekommen ist, dass zahlreiche Banken den Referenzzinssatz Libor zu ihren Gunsten manipuliert hatten – darunter auch die Deutsche Bank, weshalb sie mehrere Hundert Millionen Euro bezahlen musste.

Verbale Attacken des Vorsitzenden

An diesem heiklen Punkt in der Tätigkeit des Vorsitzenden des Integritätsausschusses, kommt es plötzlich zu ungewöhnlichen öffentlichen verbalen Attacken auf Thoma. Absender: Das Umfeld des Aufsichtsratsvorsitzenden Achleitner, dessen mögliche Versäumnisse Thoma überprüfen will.

Doch dazu kommt es nicht mehr. Denn der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende Alfred Herling eröffnet am vergangenen Wochenende das Feuer: „Mit seinem Übereifer und der juristischen Selbstverwirklichung stößt Dr. Thoma zunehmend auf Kritik“, sagt er der FAS. Und Aufsichtsratskollege Henning Kagermann, einst SAP-Chef, assistierte: „Bei aller Sorgfalt, die wir haben walten lassen, ist es uns wichtig, dass die Deutsche Bank dieses Kapitel endlich abschließt und mit voller Kraft wieder in die Zukunft schaut.“

Kritik an Abstrafung des Unbequemen

Aufsichtsräte, die sich öffentlich zurechtweisen – ein einmaliger Vorgang bei der Deutschen Bank. „Es hinterlässt in der gegenwärtigen Situation einen bitteren Beigeschmack“, sagt Hans-Peter Burghof, Professor für Bankwirtschaft an der Uni Hohenheim. „Man kann nur hoffen, dass das Bemühen um Transparenz nicht an der Person hing.“ Auch Ingo Speich, Fondsmanager der Union Investment meint: „Der Abgang von Herrn Thoma kommt zur Unzeit.“ Die Art der Demission des Aufsichtsrats mit den damit verbundenen Indiskretionen aus dem Aufsichtsrat sei aufs Schärfste zu verurteilen, sagte der Fondsmanager.