Berlin. Durchbruch, Schlichtung – oder neue Streiks? Der Tarifstreit des öffentlichen Dienstes dauert an. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Ausgefallene Flüge, stillgelegter Nahverkehr, volle Autobahnen, eingeschränkte Kinderbetreuung – der Tarifstreit im öffentlichen Dienst hatte zuletzt massive Auswirkungen. Laut der Gewerkschaft Verdi waren am Mittwoch und Donnerstag 100.000 Beschäftigte zumindest teilweise im Ausstand. Wie ist in dem Konflikt die Lage zum Start der entscheidenden Verhandlungsrunde?

Ist eine Annäherung beim Lohn greifbar?

Nein. Drei Prozent mehr Lohn für die gut zwei Millionen Beschäftigen von Bund und Kommunen für zwei Jahren haben die Arbeitgeber angeboten. Sechs Prozent mehr für ein Jahr wollen die Gewerkschaften.

Was konkret bedeutet das Angebot der Arbeitgeber?

In der Entgelttabelle würde ab dem 1. Juni 2017 drei Prozent mehr im Vergleich zu heute stehen. Das Angebot sieht ein Prozent mehr ab 1. Juni 2016 und zwei Prozent ab 1. Juni 2017 vor. Hochgerechnet auf jeweils insgesamt zwölf Monate ergeben sich laut Verdi für 2016 nur 0,6 und für 2017 1,2 Prozent mehr – gemessen an einer Inflationsrate von zwei Prozent in diesen zwei Jahren sei das ein Reallohnverlust.

Warum ist die Altersvorsorge in den Kommunen ein heikler Streitpunkt?

Die Zusatzrenten machen ein Fünftel bis ein Drittel der Altersbezüge aus. Der kommunale Arbeitgeberverband VKA will künftige Leistungsansprüche senken – denn die steigende Lebenserwartung und die Niedrigzinsphase habe die 15 Jahre alten Kalkulationen hinfällig gemacht. Die Gewerkschaften entgegnen: Einigen der betroffenen gut 20 kommunalen und kirchlichen Kassen gehe es blendend. Wenn überhaupt dürfe es eine paritätische zusätzliche Belastung für Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei den Einzahlungen geben – und zwar nur Kassen mit Finanzproblemen.

Was macht die Tarifrunde ein Stück weit historisch?

Die geplante Reform der Entgeltordnung. Diese soll erstmals seit 1961 grundlegend erneuert werden. Es geht um die Eingruppierung Hunderter Berufe mit insgesamt 4000 Tätigkeitsmerkmalen je nach Qualifikation. Bei den Verhandlungen zur Einführung des Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst (TVöD) 2005 hatte man eine Reform nicht geschafft, weitere Anläufe scheiterten. Seit 2013 wird wieder darüber verhandelt – diesmal soll es einen Durchbruch geben. Viele sollen auch hierdurch mehr Geld bekommen. Und es ist die Grundlage für künftige lineare Lohnerhöhungen. Die Arbeitgeber pochen auf einen Ausgleich der Mehrkosten.

Was liegt noch auf dem Verhandlungstisch?

Die Forderungen nach einem Ende sachgrundlos befristeter Jobs, einer Übernahmegarantie und 100 Euro mehr im Monat für Azubis. Die Arbeitgeber entgegnen, sie bildeten über Bedarf aus und zahlten überdurchschnittlich. Die Jugendlichen profitierten von beidem. Die meisten Befristungen seien zudem durch Vertretungen oder vorübergehenden Bedarf begründet.

Um wie viel Geld geht es?

Je nach Darstellung um 5,25 bis 5,6 Milliarden Euro. Rechnet man die Kosten für die geforderte Übertragung auf die rund 360.000 Beamten und Pensionäre des Bundes hinzu, kommt man laut Verdi sogar auf 6,3 Milliarden Euro.

Warum ist diese dritte Verhandlungsrunde in Potsdam entscheidend?

Verdi und der Beamtenbund dbb auf der einen, die VKA und Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) auf der anderen Seite könnten zu einem Durchbruch kommen. Es könnte auch ein vorläufiges Scheitern und weitere Streiks geben, eine Vertagung – oder eine Schlichtung. Die Verhandlungsrunde ist bis Freitag angesetzt, könnte sich aber auch bis ins Wochenende hinziehen.

Ist eine weitere Ausweitung der Streiks möglich?

Laut den Gewerkschaften jederzeit. Verdi-Chef Frank Bsirske versichert, die Gewerkschaften könnten die Aktionen noch ausweiten. Bisher habe man lediglich „ein Signal gebremsten Schaums“ gesetzt. (dpa)