Washington. US-Kohlebaron Don Blankenship arbeitete nach eigenen Gesetzen. Bis 29 Menschen starben. Jetzt muss er in Haft – ein Novum in den USA.

In den bitterarmen Appalachen kamen Männer wie Don Blankenship jahrelang kurz hinter dem lieben Gott. Als Herrscher über den Bergbaukonzern Massey Energy bestimmte der 65-Jährige im strukturschwachen US-Bundesstaat West Virginia über das Schicksal Tausender Familien, die in den 150 Gruben des Unternehmens Arbeit fanden. Das Motto des despotischen Schnauzbartträgers lautete: „Was gut ist für die Kohle, ist auch gut für West Virginia.“ Dann kam der 5. April 2010. In einer Zeche des inzwischen verkauften Konzerns nahe Charleston ereignete sich eine Gasexplosion.

Tagelang bangte die Nation am Fernseher mit verschütteten Opfern. Vergebens. Das schwerste Grubenunglück in Amerika seit einem halben Jahrhundert forderte 29 Menschenleben. Don Blankenship bekommt dafür nun die Quittung. Nach einem langen Prozess steht das Urteil fest: Weil unter seiner Aufsicht im Sinne einer „wortlosen Verschwörung“ massiv gegen Vorschriften zum Arbeitsschutz verstoßen wurde, muss der Ex-Manager ins Gefängnis. Noch nie wurde ein Industriebaron in den USA persönlich so haftbar gemacht.

Sicherheitsvorschriften bewusst unterlaufen

Blankenship war angeklagt, aus Profitgier Sicherheitsvorschriften bewusst unterlaufen und Behörden wie Investoren darüber generalstabsmäßig belogen zu haben. Mehrere Gutachten hatten ergeben: Das Unglück wäre vermeidbar gewesen, wenn Massey Energy nicht über 1000 von der staatlichen Bergaufsicht MSHA registrierte Verstöße ignoriert hätte. Blankenship, betreut von teuren Anwälten, stilisierte sich hingegen selbst zum Opfer. Schon 2011 erklärte er unter Eid, Präsident Barack Obama persönlich wolle auf seinem „Klimafeldzug gegen die Kohle“ Massey Energy zerschlagen.

Tonbandmitschnitte, die Blanken-ship von Dienstgesprächen anfertigen ließ, legten im Prozess etwas anderes nahe. In einer Aufnahme murmelt der Industrielle, dass Massey „schlicht und einfach betrügt“, wenn es etwa um die Kontrolle des Lungenkrebs verursachenden Kohlestaubs geht. In einem anderen Mitschnitt wird ein Untergebener angewiesen, endlich die „sozialen Aspekte“ zu vernachlässigen, weil es im Bergbau „allein um Geld geht“.

Notwendige Reparaturen mussten warten

Notwendige Reparaturen an den Belüftungssystemen legte Blankenship, der sich alle 30 Minuten Produktionsprotokolle aus den Gruben schicken ließ und bei Unterbrechungen rigoros intervenierte, einfach auf Eis. „Dafür ist jetzt nicht die richtige Zeit“, schrieb er einem leitenden Mitarbeiter. Anderen trug er auf, die Kumpel zu warnen und gesetzeskonformes Verhalten zu simulieren, wenn Kontrolleure im Anmarsch waren. Nur an sich selbst sparte der Mann nicht. Vor dem Grubenunglück verdiente Blankenship rund 18 Millionen Dollar (16 Millionen Euro) im Jahr – ohne Zulagen.

Reich zu sein, schreibt die Lokalzeitung „The Charleston Gazette“, habe dem strammen Republikaner offenbar nicht gereicht. Blankenship erhob sich in Gutsherrenart über das Gesetz. 1998 versuchte er, mit unlauteren Methoden einen Konkurrenten aus dem Geschäft zu drängen. Harman Mining wehrte sich und bekam 50 Millionen Dollar Schadenersatz zugesprochen. Blankenship ging in Berufung. Sein Problem: Der Oberste Gerichtshof West Virginias hätte in der damaligen Besetzung nie in Blankenships Sinn entschieden.

Schutzkampagne gegen Richter über Tarnorganisation

Blankenship ließ einer Tarnorganisation drei Millionen Dollar zukommen. Die damit gekauften TV-Spots überzogen den zur Wiederwahl stehenden Richter Warren McGraw mit einer Schmutzkampagne. Blankenship baute als Alternative Richter Brent Benjamin auf. Nachdem der die Richterwahl gewonnen hatte, löste sich das 50 Millionen Dollar-Urteil gegen Blankenship in Luft auf.

In dem von US-Medien minutiös beobachteten Verfahren wegen des Minenunglücks schwieg Blankenship bis zuletzt. Regungslos sah er zu, als ein ehemaliger Mitarbeiter sein „programmiertes Scheitern“ schilderte: Seine Aufgabe war es, mit Kalkstaub in den späteren Unglücksschächten die Explosionsgefahr zu verringern. „Ich hatte weder genug Zeit noch genügend Material. Es musste schiefgehen.“

Vorwurf, die Börsenaufsicht belogen zu haben, entfiel

Blankenships Anwälte verhinderten für ihren Mandanten das Schlimmste. Der Vorwurf, Blankenship habe Börsenaufsicht und Investoren belogen, wurde fallen gelassen. Das Strafmaß sank so von möglichen 30 Jahren auf zwölf Monate. Die Regierung in Washington fand ungewöhnlich lobende Worte für das Urteil. Arbeitsminister Thomas Perez: „Es muss jemand dafür haftbar gemacht werden, wenn Menschen sterben, weil ihr Arbeitgeber sie vernachlässigt hat.“