München. „PanamaPaper“-Recherche: Ein internationales Recherchenetzwerk hat geheime Geschäfte hunderter Politiker und Prominenter aufgedeckt.

Spitzenpolitiker, Sportstars und Kriminelle sind nach Recherchen der „Süddeutsche Zeitung“ und anderer Medien in Geschäfte mit Briefkastenfirmen in mehreren Steueroasen verwickelt. Ein enormes Datenleck habe die Geschäfte von 214.000 Briefkastenfirmen offengelegt, berichteten die Zeitung sowie die Tagesschau am Abend. NDR und WDR sind in einem Rechercheverbund mit der „Süddeutschen“. Weltweit veröffentlichten am Sonntagabend zeitgleich viele Medien. Die „SZ“ hat dazu eine extra Internetseite angelegt.

Politiker und Finanzinstitute gehören zu den Profiteuren

Laut ARD umfassen die ausgewerteten Unterlagen „E-Mails, Urkunden, Kontoauszüge, Passkopien und weitere Dokumente zu rund 214.000 Offshore-Firmen. Zu den Profiteuren der Offshore-Dienste zählen zwölf Staatsoberhäupter und 128 weitere Politiker, aber auch internationale Finanzinstitute, darunter 15 deutsche Banken oder ihre Töchter. Die Recherchen der „PanamaPapers“ basieren auf einem Datenleck bei der panamaischen Anwaltskanzlei Mossack Fonseca“, teilte die ARD mit.

Die Daten legen laut NDR die Offshore-Geschäfte von insgesamt 140 Politikern und hohen Amtsträgern aus aller Welt offen. Insgesamt fänden sich in den Unterlagen die Namen von zwölf amtierenden und ehemaligen Staats- und Regierungschefs. In den Unterlagen tauchten aber auch Namen von Spionen, Drogenhändlern und anderen Kriminellen auf. Zudem hätten zahlreiche Sportstars und Prominente Offshore-Firmen genutzt.

Die Ethikkommission des Fußball-Weltverbandes FIFA bestätigte bereits am Abend interne Vorermittlungen gegen ihr eigenes Mitglied Juan Pedro Damiani aus Uruguay. „Ja, der Bericht ist richtig. Ich kann bestätigen, dass wir eine sogenannte Voruntersuchung in die Wege geleitet haben“, sagte der Sprecher der ermittelnden Kammer der Ethikkommission, Roman Geiser. Weitere Details nannte er nicht.

In den meisten Fällen geht es ums Verschleiern

Die Tagesschau betont auf ihren Internetseiten, dass es viele legale Einsatzmöglichkeiten von Offshorefirmen, Trusts und Stiftungen gibt. „Politisch exponierte Personen können sowohl juristisch wie moralisch korrekt handeln, wenn sie diese nutzen.“ Es bestehe aber in solchen Fällen in der Regel Abklärungsbedarf. Dennoch: „Es gilt in jedem Fall bei den hier genannten Personen die Unschuldsvermutung.“

„Generell gilt: Der Besitz einer solchen Offshore-Firma ist für sich nicht illegal“, schreibt auch die „Süddeutsche“. „Aber wer sich in den PanamaPapers umsieht, stellt sehr schnell fest, dass es in der überwältigen Zahl der Fälle vor allem um eines geht: zu verschleiern, wem die Firma in Wahrheit gehört.“ Die Daten belegten, wie die globale Offshore-Industrie im Verbund mit großen Banken, Anwaltskanzleien und Vermögensverwaltern, in aller Verschwiegenheit die Besitztümer von Politikern, Funktionären, Drogenschmugglern, aber auch von Milliardären, Prominenten oder Sport-Stars verwalte.

Igor Angelini, Chef der Finanzermittlungseinheit von Europol, erklärt dem „SZ“-Bericht zufolge, dass Briefkastenfirmen auch eine „wichtige Rolle bei Geldwäsche-Aktivitäten im großen Maßstab“ spielen. Gleiches gelte für Korruption: Offshore-Firmen würden besonders genutzt, „um die Bestechungsgelder weiterzuleiten“.

Insgesamt 370 Journalisten aus 78 Ländern an Recherche beteiligt

Der Datensatz war der „Süddeutschen Zeitung“ von einer anonymen Quelle zugespielt worden, hieß es. Die wiederum teilte die Daten demnach mit dem Internationalen Konsortium investigativer Journalisten (ICIJ) und Partnern auf der ganzen Welt. Insgesamt haben in den vergangenen zwölf Monaten etwa 370 Journalisten aus 78 Ländern im Zuge der Recherchen rund 11,5 Millionen Dateien ausgewertet. Es handle sich um „ein gigantisches Leak in einer bislang nicht vorstellbaren Dimension von rund 2,6 Terabyte“.

Der Leiter des Rechercheverbundes von NDR, WDR und „Süddeutscher Zeitung“, Georg Mascolo, sagte am Sonntagabend in der ARD-Sendung „Anne Will“, er gehe davon aus, dass von dem Einblick in das Geschäft in Steueroasen „ganz erheblich“ Sprengkraft ausgehe. Mascolo kündigte weitere Veröffentlichungen an. „Das was da in den nächsten Tagen zu lesen und zu hören sein wird, in der „Süddeutschen Zeitung“, in der ARD und auch anderswo, halte ich für sehr bemerkenswert, weil wir einen solchen Einblick in das Geschäft dieser Steueroasen bisher in diesem Umfang nicht gehabt haben.“

Edward Snowden äußert sich auf Twitter zu Enthüllungen

Unter dem Hashtag #PanamaPapers verbreiten sich auf Twitter Nachrichten und Kommentare zur Enthüllung. Der Enthüller des NSA-Skandals, Edward Snowden, sprach auf Twitter vom „größten Leck in der Geschichte des Daten-Journalismus“.

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Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner twitterte: „Tagesschau veröffentlicht riesiges Datenleck zu Steueroasen, die eher Gerechtigkeitswüsten sind. Steuergerechtigkeit ist überfällig!“ Der Grünen-Europapolitiker Sven Giegold forderte mehr Transparenz. „Es ist eine Schande, dass wir im Kampf gegen die elendige Steuerflucht auf solche Datenlecks angewiesen sind“, erklärte Giegold.

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Auch eine Mitteilung, die die Anwaltskanzlei Mossack Fonseca am Freitag an ihre Kunden gesendet hatte, ist auf Twitter zu finden. Darin informiert die Anwaltskanzlei darüber, dass es einen unerlaubten Zugriff auf den E-Mail-Server gegeben habe.

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Kanzlei Mossack Fonseca von einem deutschstämmigen Rechtsanwalt gegründet

Die Kanzlei Mossack Fonseca bietet die Gründung und Verwaltung von Offshorefirmen an. Nach eigenen Angaben beschäftigt das Unternehmen über 500 Mitarbeiter auf der ganzen Welt. Die Kanzlei ist in Belize, den Niederlanden, Costa Rica, Großbritannien, Malta, Hong Kong, Zypern, den Britischen Jungfern-Inseln, Bahamas, Panama, Anguilla, Seychellen, Samoa und den US-Bundesstaaten Nevada und Wyoming tätig.

Mossack Fonseca bietet zudem Rechtsberatung unter anderem in den Bereichen Finanzen, geistiges Eigentum und öffentliche Ausschreibungen an. Außerdem setzt die Kanzlei Treuhandfonds und private Stiftungen auf und verwaltet sie.

Gegründet wurde die Kanzlei 1977 von dem deutschstämmigen Rechtsanwalt Jürgen Mossack gegründet. Er wurde in Fürth geboren und wanderte nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ bereits als Kind mit seiner Familie nach Panama aus. 1986 tat er sich dann mit dem Panamaer Ramón Fonseca Mora zusammen. Der Anwalt, Schriftsteller und Politiker war bis vor kurzem Berater von Staatschef Juan Carlos Varela. Wegen Ermittlungen gegen Mossack Fonseca in Brasilien lässt er seine Beratertätigkeit derzeit ruhen. (dpa/jkali)