Magdeburg. Sachsen-Anhalt hat Urlaubern viel zu bieten. Die Tourismuswirtschaft fürchtet nach dem AfD-Wahlerfolg nun aber Vorbehalte seiner Gäste.

Fast jede vierte Stimme für die rechtspopulistische AfD – das Ergebnis der Landtagswahl am vergangenen Sonntag hat auch die Tourismuswirtschaft in Sachsen-Anhalt aufgeschreckt. Erste besorgte Anrufe und Mails gehen ein, Gäste fragen nach Konsequenzen. Wird das „Land der Frühaufsteher“ – so ein Werbeslogan – nun von Urlaubern gemieden?

Die Anspannung ist groß. „Wir haben die Befürchtung, dass weniger Touristen nach Sachsen-Anhalt kommen, weil sie aufgrund der instabilen politischen Verhältnisse ihre Reise absagen“, sagt der Chef des Tourismusverbandes, Lars Zimmer, im MDR. Eine Familie habe angekündigt, ihren Urlaub zu stornieren, weil Ehefrau und Kinder schwarz seien – und Angst hätten, sich noch frei bewegen zu können. „Das ist eine bedenkliche Entwicklung“, sagt Zimmer.

„Der Wahlabend hat uns sprachlos gemacht“

Die Geschäftsführerin der Wernigerode Tourismus GmbH, Erdmute Clemens, zitiert am Donnerstag aus der Mail eines Gastes. Dort heißt es: „Leider hat uns der Wahlabend sprachlos gemacht, und wir überlegen jetzt, unsere Reise nicht anzutreten“. Zwei Mails und drei bis vier Anrufe dieser Art seien bereits eingegangen. Ein erstes Indiz. „Viele denken es, schreiben es aber nicht“, sagt Clemens. Der „Volksstimme“ sagte sie: „Für uns ist es wichtig, dass Sachsen-Anhalt wieder in demokratisches Fahrwasser gerät.“

Erfahrungen mit einem Image-Schaden? Das sächsische Dresden kennt das bereits. Dort ging vergangenes Jahr die Zahl der Gäste-Übernachtungen gegen den Trend um drei Prozent auf 4,3 Millionen zurück. Das Dresdener Stadtmarketing sprach vom „Pegida-Effekt“ und einem Imageverlust wegen der fremdenfeindlichen Parolen, die jeden Montag in der Stadt skandiert werden. Dies habe eine Markenstudie ergeben. Bekommt Sachsen-Anhalt, dass im vergangenen Jahr mehr als 7,6 Millionen Gäste-Übernachtungen zählte, jetzt einen „AfD-Effekt“?

Harz ist wichtigste Tourismus-Region

„Das ist eine Sache der Wahrnehmung. Man kann das nicht wegreden“, sagt die Sprecherin des Bauhauses in Dessau, Helga Huskamp, die derzeit das in drei Jahren bevorstehende 100. Bauhaus-Jubiläum vermarktet. Sie selbst sei vergangenes Jahr von München nach Dessau gezogen – mit der Befürchtung, dass im Osten viele Schläger umherliefen. Das habe sich aber nicht bestätigt. Auch die Moderne am Bauhaus Dessau habe davon gelebt, dass Fremde gekommen seien, betont sie. Das müsse deutlich werden. „Das ist jetzt Aufgabe der Kommunikationsleute.“

Die wichtigste Tourismusregion in Sachsen-Anhalt ist der Harz mit seinem Vorland, der sich auch auf Niedersachsen und Thüringen erstreckt. Dort gibt man sich noch gelassen. „Wir denken nicht, dass das große Auswirkungen haben wird“, sagt die Sprecherin des Harzer Tourismusverbandes, Christin Faust, in Braunlage. Denn: „Die Gäste denken an die Reiseregion Harz und nicht an Sachsen-Anhalt.“

Negativbeispiel Dresden

Der Chef des Statistischen Landesamtes, Michael Reichelt, konnte zwar gerade erst einen Übernachtungsrekord für 2015 verkünden, ist jetzt aber vorsichtig. Das Beispiel Dresden zeige, dass es durchaus Folgen geben könne. Ob und wie sich der Erfolg der AfD auf die Tourismusbilanz auswirken werde, sei unklar. Die Branche erinnert sich auch noch an die schmerzhaften Einbrüche nach dem schweren Elbe-Hochwasser 2013. Auch damals hatten viele Touristen das Land pauschal gemieden – auch Regionen, die überhaupt nicht überschwemmt worden waren.

Wirtschaftsminister Hartmut Möllring (CDU) wirbt munter weiter: „Sachsen-Anhalt ist ein attraktives und beliebtes Reiseland, in dem sich Touristen frei und unbeschwert bewegen können.“ Den guten Trend des vergangenen Jahres werde man mit dem Reformationsjubiläum 2017 und dem Bauhausjubiläum 2019 fortsetzen. (dpa)