Karlsruhe. Die Energieversorger fordern nach dem Atomausstieg Milliarden an Schadensersatz. Ob das legitim ist, prüft nun das Verfassungsgericht.

Es geht um Schadensersatz in Milliardenhöhe: Das Bundesverfassungsgericht verhandelt an diesem Dienstag und Mittwoch die Klagen großer Energiekonzerne gegen den deutschen Atomausstieg. Fünf Jahre nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima müssen die Karlsruher Richter prüfen, ob die Bundesregierung mit ihrer Kehrtwende in der Energiepolitik 2011 Grundrechte verletzt hat.

Deutschlands größte Energieunternehmen Eon und RWE sowie der schwedische Staatskonzern Vattenfall sprechen von einer Enteignung und wollen dafür Entschädigung. Der vierte große Versorger EnBW teilt nach eigener Darstellung diese Rechtsauffassung, klagt aber nicht selbst, weil er zu mehr als 98 Prozent in öffentlicher Hand ist.

Atomgesetz: Stilllegung von 17 Meilern

Unter dem Eindruck der Ereignisse in Japan hatte die schwarz-gelbe Koalition 2011 die Laufzeitverlängerung aus dem Vorjahr rückgängig gemacht. Im Atomgesetz schrieben Union und FDP den Konzernen vor, zu welchen Terminen bis spätestens 2022 sie ihre 17 Meiler vom Netz nehmen müssen.

Sollte der erste Senat unter Vize-Gerichtspräsident Ferdinand Kirchhof den Unternehmen Recht geben, könnten sie im zweiten Schritt auf Schadensersatz klagen. Allerdings verhandeln die Konzerne derzeit mit der Bundesregierung über die Verteilung der gewaltigen Kosten und Risiken beim Abriss der Kraftwerke und der Lagerung des Atommülls. Für ein Entgegenkommen verlangt Berlin die Rücknahme aller Klagen. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass es zu einer außergerichtlichen Einigung kommt. Bis zu einem Urteil dürften Monate vergehen.

Dutzende Klagen gegen Atomausstieg

Die Grünen im Bundestag werfen den Betreibern vor, auf Kosten der Steuerzahler Gelder einstreichen zu wollen. „Dabei haben die Atomkonzerne jahrelang fette Gewinne eingefahren“, kritisierte die atompolitische Fraktionssprecherin Sylvia Kotting-Uhl.

Gegen den Atomausstieg laufen bundesweit um die zwei Dutzend weitere Klagen, die sich gegen das Moratorium unmittelbar nach dem GAU in Fukushima richten. Zur „Gefahrenabwehr“ wurden acht vorwiegend ältere Blöcke damals für drei Monate stillgelegt. Vattenfall klagt außerdem vor einem Schiedsgericht in den USA auf 4,7 Milliarden Euro Schadensersatz. Dort soll im Herbst 2016 verhandelt werden.

Im japanischen Atomkraftwerk Fukushima war es nach einem Erdbeben und einem Tsunami am 11. März 2011 zu Kernschmelzen gekommen. Insgesamt forderte die Naturkatastrophe fast 19.000 Todesopfer. (dpa)